Augsburger Allgemeine (Land West)
Tag und Nacht auf Sendung
Machtkampf Armin Laschet und Markus Söder liefern sich einen Krimi, der die Union an den Rand des Nervenzusammenbruchs bringt. In der womöglich letzten Folge geht es für den CDU-Chef um alles oder nichts
Ahnt Söder schon, dass die CDUSpitze wackelt?
Berlin/München Wenn es in der Politik spannend wird, schreiben wir Journalisten gerne von einem Krimi. Zugegeben, manchmal ist das ein bisschen übertrieben. Der Machtkampf um die Kanzlerkandidatur zwischen Markus Söder und Armin Laschet allerdings hat inzwischen tatsächlich das Zeug zur Krimireihe. In der neuesten Folge geht es um einen spontanen Flug in die Bundeshauptstadt, ein Treffen bei Nacht und Nebel, zwei Pressekonferenzen und die Frage: Wer hat hier die besseren Nerven?
Es gehört zu den irrsten dieser an Irrungen nicht gerade armen Geschichte, dass die Kollegen der Boulevardpresse am Sonntagabend in größter Ernsthaftigkeit die Flugroute eines kurzfristig angemieteten Privatjets zeigten, der wenige Stunden zuvor in Nürnberg gestartet war. Ziel ist Berlin. An Bord: der bayerische Ministerpräsident, CSUChef und mögliche Kanzlerkandidat Markus Söder. Anders als einst die CSU-Legende Franz Josef Strauß steuert Söder die Maschine nicht selbst. Wobei ihm seine Anhänger – und davon gibt es auch in der Schwesterpartei CDU viele – wohl auch das zutrauen würden. Innerhalb der Union tobt eine erbitterte Schlacht um die Frage, auf wen man Bundestagswahlkampf setzen sollte. Auf den populären Markus Söder oder den verlässlichen CDUChef Armin Laschet. Beide Lager machen hinter den Kulissen mobil, lancieren immer neue Informationen, Aussagen und alte Geschichten, die ihrem Favoriten helfen und den Konkurrenten diskreditieren sollen. CSU und CDU klingen allenfalls wie heillos zerstrittene Stiefschwesterparteien. Von Union keine Spur. Keiner der Beteiligten kann ahnen, wie dramatisch der Zwist an diesem Tag noch eskalieren wird.
Am Sonntagabend bewegen sich die Kontrahenten zumindest räumlich noch aufeinander zu. Die Erwartungen sind groß, als bekannt wird, dass Söder und Laschet sich in kleiner Runde in Berlin treffen. Gibt es doch noch eine einvernehmliche Lösung, bevor es im CDU-Vorstand oder in der Bundestagsfraktion zur offenen Konfrontation samt Kampfabstimmung über den Kanzlerkandidaten kommt? Aus einer solchen Schlacht droht auch der Sieger mit Blessuren hervorzugehen. Doch nach mehr als drei Stunden hinter verschlossenen Türen zerplatzt die Hoffnung auf eine gütliche Einigung. Die Rivalen trennen sich in der Nacht – ohne Lösung.
Am Montagvormittag läuft die nächste Folge des Krimis. In München sickert durch, dass die CSU eine Präsidiumssitzung anberaumt hat. Söder ist wieder da. Laschet führt weitere Gespräche in Berlin. Kann der CDU-Vorsitzende das Blatt noch wenden? Eine Stunde bevor Söder vor die Mikros tritt, versucht sein Rivale, das Heft des Handelns noch einmal an sich zu reißen.
Offiziell will sich Laschet nur zur Kanzlerkandidatur der Grünen äußern. Doch seine Worte sind doppeldeutig. Er betont, man müsse immer menschlich fair miteinander umgehen. Meint er damit nun Annalena Baerbock oder Markus Söder? Klar scheint, Laschet knickt nicht ein. Er betont noch einmal, dass der CDU-Bundesvorstand, der ihm vor einer Woche noch das Vertrauen ausgesprochen hatte, die ganze Breite der Partei repräsentiere. Ein Seitenhieb auf den CSUChef, der unterstellt hatte, man wolle die K-Frage in „Hinterzimmern“regeln. Laschet hat aber auch eine Nachricht dabei: Noch am selben Abend will er dem Parteivorstand einen Vorschlag machen, wie der Konflikt gelöst werden soll. Auch Söder lädt er zu der Sitzung ein.
Der bayerische Ministerpräsident tritt eine Stunde nach Laschet in München vor die Kameras. „Die Zeit ist reif“, sagt er über die Entim scheidungsfindung. Auch Söder bleibt dabei, dass er Kanzlerkandidat werden will – allerdings offenbar nicht mehr um jeden Preis. An der Vorstandssitzung der CDU am Abend will er nicht teilnehmen. Tatsächlich sieht in diesem Moment alles danach aus, dass der 54-Jährige der CDU die Entscheidung nun doch alleine überlässt, nachdem er sie eine ganze Woche lang in höchste Aufregung versetzt hatte. Geht er davon aus, dass die CDU-Spitze wackelt und sich jetzt doch auf seine Seite schlägt? Er hält noch einmal fest, dass er aus den Reihen der großen Schwesterpartei, der gemeinsamen Bundestagsfraktion, den Verbänden und aus der Bevölkerung der CDU-regierten Länder viel Zuspruch erfahren habe. Er betont erneut, er sei zur Kanzlerkandidatur bereit, wenn er „die breite Unterstützung der CDU“habe, also „wenn Vorstand, Fraktion und Basis das gemeinschaftlich wollen“.
CSU-Generalsekretär Markus Blume springt ihm zur Seite. „Ich glaube, wir haben mit ihm ein verdammt gutes Angebot“, sagt Blume. Kann die CDU dieses Angebot ausschlagen? Anders als noch vor einer Woche sendet Söder versöhnlichere Signale. „Wir als CSU und auch ich respektieren jede Entscheidung“, versichert er. Es sei mittlerweile „alles sehr seriös diskutiert worden“, nun sei es an der CDU, eine souveräne Entscheidung zu treffen. „Wir machen da keine weiteren Vorgaben“, sagt Söder und fügt beinahe demütig hinzu: „Wir sind auch die kleinere Schwester, wir können uns da auch nicht überheben.“
Dass der CDU-Vorstand Laschet nach dieser Vorlage fallen lässt, scheint in diesem Augenblick schwer vorstellbar. Aber das gilt ja für so Vieles, was in den vergangenen Tagen in der Union passiert ist. Und tatsächlich bekommt der Parteichef in der Sitzung, die bei Redaktionsschluss noch andauerte, ordentlich Gegenwind. Es gibt zig Wortmeldungen. Seine Vorgängerin an der CDU-Spitze, Annegret Kramp-Karrenbauer, wirft sich zwar für ihn in die Bresche, viele andere aber geben Kontra. Selbst einflussreiche Leute, die er auf seiner Seite wähnte, wie etwa Peter Altmaier, stellen sich nicht hinter ihn.
Einige warnen davor, eine Entscheidung zu erzwingen, ohne dem Willen der Basis Rechnung zu tragen. Wohl wissend, dass diese Basis klar zu Söder tendiert. Laschet will aber genau das, er will eine Abstimmung über die Kanzlerkandidatur an diesem Abend. Er setzt spätabends alles auf eine Karte und riskiert damit selbst sein Amt als CDU-Vorsitzender. Es ist längst wieder dunkel, als sich das vermeintliche Heimspiel für Armin Laschet zur Zitterpartie entwickelt.