Augsburger Allgemeine (Land West)
„Laschet kann auch Kanzler“
Interview Arbeitgeber-Präsident Dulger lobt die Durchsetzungsfähigkeit des CDU-Vorsitzenden. Von Wirtschaftsminister Altmaier hält der Unternehmensvertreter inzwischen mehr. Doch Finanzminister Scholz kritisiert er
Herr Dulger, welcher Mann ist besser für die Union, Markus Söder oder Armin Laschet, der jetzt die Kanzlerkandidatur errungen hat?
Rainer Dulger: Wenn sich CDU und CSU noch länger mit sich selbst beschäftigt hätten, dann hätten sie gar nicht mehr länger darüber nachdenken müssen, wer nun Kanzler werden könnte, dann hätten sie den Kanzler wohl nicht mehr stellen können.
Ist Laschet der richtige Mann für die Kanzlerkandidatur der Union? Dulger: Wer die damals populäre SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in einem SPD-Stammwählerland, nämlich Nordrhein-Westfalen, schlägt, sich gegen einen starken Mitbewerber für den CDU-Bundesvorsitz, Friedrich Merz, durchsetzt und sich gegen den CSU-Vorsitzenden behauptet, der kann auch Kanzler.
Ist nach dem bizarren Streit zwischen Laschet und Söder der Weg frei für eine Grünen-Kanzlerin Annalena Baerbock? Die Grünen scharen sich ja harmonisch hinter der Politikerin und wirken fast so geschlossen wie einst der Kanzlerwahlverein CDU.
Dulger: Nach dem Studium des Wahlprogramms der Grünen muss ich sagen: Die Grünen sind weit weg von der früheren CDU, zumindest was die Inhalte betrifft. Doch die Grünen treten immerhin geschlossen auf, und das kommt bei den Menschen natürlich gut an.
Annalena Baerbock und Robert Habeck wirken ja fast wie ein vernünftiges Manager-Duo eines Unternehmens. Dulger: Das Wahlprogramm der Partei ist alles andere als unternehmerfreundlich. Ein Wahlprogramm für wirtschaftliches Wachstum sieht anders aus. Es gibt ja nicht nur eine ökologische Nachhaltigkeit, es gibt auch eine ökonomische Nachhaltigkeit. Die Grünen bleiben die Antwort schuldig, wie wir unseren Wohlstand halten können. Die Grünen verteilen viele Wohltaten – wer das finanzieren soll, sagen sie nicht.
Die Grünen liebäugeln ja mit der Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Dulger: Die Grünen hängen einer gewissen Staatsgläubigkeit an. Der Staat soll alles regeln. Aber nicht immer ist der Staat der bessere Akteur. Das haben wir in der Corona-Krise gesehen. Der Staat setzt einen klugen Rahmen, in dem wir wirtschaften und leben. Überhöhen darf man ihn nicht.
In Deutschland läuft nach Ihrer Einschätzung vieles schief, sagen Sie doch: „Wir bleiben im Zement stecken, den wir selbst angerührt haben.“Wo muss man den Presslufthammer ansetzen? Dulger: Wir brauchen eine Entfesselungsoffensive für die deutsche Wirtschaft. Deutschland muss einfacher und schneller werden. Die Verwaltung muss endlich digitalisiert werden – hier gibt es Länder, die uns einiges voraushaben, zum Beispiel Estland. Doch in den Wahlprogrammen, auch der Grünen, ist erschreckenderweise nur von zusätzlicher Regulierung der Wirtschaft die Rede. Würde man all die zusätzlichen Regulierungsideen der Grünen umsetzen, würde das die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft massiv verschlechtern.
Sie warnen also klar vor einer grünen Kanzlerin Annalena Baerbock. Dulger: Nein, ich bewerte nur das Wahlprogramm der Grünen und nicht die Personen. Frau Baerbock hat gezeigt, dass sie eine Partei führen kann. Doch die Umsetzung einiger Punkte dessen, was im Programm der Grünen steht, täte dem Land sicher nicht gut.
In Ihrem Heimatbundesland BadenWürttemberg regiert aber mit Winfried Kretschmann ein grüner Ministerpräsident, der auch von vielen Unternehmern gewählt wurde.
Dulger: Die Grünen unter der Leitung von Winfried Kretschmann haben in Baden-Württemberg einen guten Job gemacht. Ich bin ja auch in Baden-Württemberg Präsident der dortigen Unternehmen. Kretschmann besitzt einen ausgeprägten Wertekanon. Er ist ein Landesvater, bleibt auch in schwierigen Situationen cool und macht nicht jeden Trend mit, der eben über die Flure seiner Partei schwirrt. Dafür liebt ihn das Volk. Doch auf Bundesebene sieht es bei den Grünen anders aus.
Hat uns denn die Krisen-Politik von Kanzlerin Angela Merkel zum Erfolg geführt? Im Mai 2020 haben Sie ja noch gesagt: „Ich fühle mich gut und vernünftig regiert.“
Dulger: Die Bundesregierung hat in der ersten Welle einen guten Job gemacht. Es gab klare Ansagen, jeder wusste, woran er sich zu halten hat. Doch jetzt ist klar: Die reine Ausrichtung der Corona-Politik an Inzidenzzahlen hat sich längst überholt. Es fehlt ein integrierendes Gesamtkonzept. Die Verantwortlichen sollten auch andere Kriterien in ihre Entscheidungen mit einbeziehen, wie etwa den R-Wert oder die Belegung der Intensivbetten. Und wir brauchen in der Corona-Bekämpfung einen massiven Einsatz elektronischer Hilfsmittel. Doch in Deutschland stehen wir uns mit unserem Datenschutz selbst im Weg. Bei uns steht leider Datenschutz immer noch vor Gesundheitsschutz.
Werden wir nicht mehr gut regiert?
Dulger: Wir werden ja seit dem Corona-Ausbruch von einer Bundeskanzlerin, 16 Ministerpräsidenten und ein paar Virologen regiert. Diese Runde hat es geschafft, mit dem Infektionsschutzgesetz fast ein Jahr lang das Parlament bei diesem Thema außer Kraft zu setzen. Wir brauchen nun eine transparente Strategie, bei der jeder weiß, warum welche Maßnahmen beschlossen wurden. Um die Pandemie erfolgreich zu bekämpfen, braucht es Klarheit und eine Strategie, die auf Fakten basiert. Die jetzt geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes lässt diese Punkte aber leider vermissen.
Doch nicht nur die Wirtschaft ist unzufrieden mit der Corona-Politik der Kanzlerin. Auch die Kanzlerin ist unzufrieden mit dem Ausmaß der Corona-Tests in den Betrieben.
Dulger: Teile der Bundesregierung haben die gesamtstaatliche Verantwortung der Unternehmen infrage gestellt. Das hat mich und viele andere Unternehmer, die sich sehr beim Thema Testen engagieren, irritiert und verärgert. Die Unternehmen haben innerhalb weniger Wochen ihre Angebote stark ausgebaut, und das, obwohl die Beschaffung von Tests keineswegs leicht war.
Wäre es nicht sinnvoll, wenn bei den Corona-Regierungsrunden neben Vi
Dulger: Bei der Testpflicht hat die Politik von ihren wenig realistischen Maximalforderungen Abstand genommen und ist auf die Argumente der Wirtschaft eingegangen – das ist gut so. Die Wirtschaft wünscht sich natürlich auch für die Zukunft, dass ihre Argumente gehört werden.
Dulger: Wirtschaftsminister Peter Altmaier bemüht sich redlich darum, die stockenden Auszahlungen an die Unternehmen voranzutreiben, und hat sich stark für die Wirtschaft ins Zeug gelegt.
Dulger: Mein Eindruck ist, dass der Bundestagswahlkampf bereits wichtige Entscheidungsprozesse lähmt, aber Finanzminister Olaf Scholz wirft ihm immer wieder Knüppel zwischen die Beine. Das verschärft die Not in den betroffenen Unternehmen. Es ist zumindest schon einmal gut, dass unnötige Dokumentationspflichten nicht beschlossen worden sind. Das hat Herr Altmaier durchgesetzt.
Während Altmaier Ihr Wohlwollen genießt, kritisieren Sie Bundesfinanzminister Olaf Scholz und werfen ihm eine auch zulasten des Bundeswirtschaftsministers wahlkampfgesteuerte „destruktive Art der Profilierung“vor. Was bringt Sie so auf die Palme? Dulger: Olaf Scholz hat schon vor Monaten in den Wahlkampfmodus umgeschaltet. Mir macht es große Sorgen, dass es dem Bundesfinanzminister offensichtlich immer häufiger gelingt, einen Keil zwischen Wirtschaft und Union zu treiben. Scholz hat vieles verkompliziert, was Altmaier an guten Ideen auf den Tisch gelegt hat. Das trifft etwa auf die November-, Dezember-, aber auch Soforthilfen für die Unternehmen zu. Warum ist es für Betriebe so aufwendig, diese Unterstützungsleistungen zu bekommen und das nur mit der Begründung, mögliche Betrugsfälle zu vermeiden? Wenn es zu Betrugsfällen kommt, muss man diese Fälle eben der Staatsanwaltschaft übergeben.
Interview: Stefan Stahl
Rainer Dulger, 57, ist Unternehmer. Er war von 2012 bis 2020 Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall und ist seit November 2020 Präsi dent der Bundesvereinigung der Deut schen Arbeitgeberverbände (BDA).