Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Freiheit der Frauen
Sarah Hall beglückt in düsterer Zukunft
Ein äußerer Widerspruch klebt an diesem Buch. Da ist auf das Cover das Maximallob der renommierten Times gedruckt, es sei „eines der 100 besten des Jahrzehnts“– und dann hat es 14 Jahre gedauert, bis nun eine deutsche Übersetzung vorliegt? Die dafür leider mit der Frage „Können Frauen eine bessere Welt erschaffen?“aufgeladen wird! Aber bitte: Das Innere von „Die Töchter des Nordens“überzeugt ja. Mit szenischer Kraft, sprachlicher Klarheit und einer starken Geschichte.
Die in England bereits reich ausgezeichnete Sarah Hall, Jahrgang 1974, entwirft dabei eine düstere Zukunft, in der ihre Heimat durch Klimaveränderungen, Ressourcenmangel und PolitChaos zum gescheiterten Staat geworden ist – am Tropf der USA hängend, an deren Seite in ferne Kriege verwickelt, regiert wie von Warlords. Den Menschen bleibt eine bis in Essensrationen und Fortpflanzung hinein kontrollierte Kasernenexistenz. Aus der sich die Erzählerin jedoch, von ihrem nur noch funktionierenden Mann entfremdet, hinfort träumt. Ob es die vor Jahrzehnten gegründete Siedlung in den Bergen noch gibt, die wilde Frauengemeinschaft? Sie macht sich auf, wird finden, was sie sucht, und doch ganz anderes… Das könnte der Beginn eines dieser Fantasyspektakel sein. Bleibt hier aber bei auf den Kern reduzierte, Klischees vermeidende Literatur. Eindrucksvoll. Und dazu ein Spiegel für die Gegenwart. Bloß bislang anderswo.
Übs. Sophia Lindsey, Penguin. 256 S., 20 ¤