Augsburger Allgemeine (Land West)
70 Prozent der Firmenchefs sind gerne auf dem Land
Standort Die Wirtschaft wird durch Corona und die Digitalisierung herausgefordert: So schätzen ihre Vertreter beim Unternehmerabend des Landkreises die Lage ein
Landkreis Augsburg Das Ergebnis überraschte selbst Landrat Martin Sailer. Rund 70 Prozent der Firmenchefs ziehen den ländlichen Raum einem zentralen Standort mit besserer Verkehrsanbindung vor. Dieses Resultat basierte auf eine Umfrage unter den 120 Teilnehmern des Unternehmerabends des Landkreises Augsburg. Diese vom Team der Wirtschaftsförderung organisierte Veranstaltung fand wegen der Corona-Pandemie diesmal digital statt. Als Studio diente der Showroom des neuen Wagner Design Lab in Langenneufnach.
Dabei war der ländliche Raum bei dem von Kerstin Zoch moderierten Unternehmerabend unter dem Motto „Click & Connect“nur eines von drei Hauptthemen. Breiten Raum in der interaktiven Gesprächsrunde fanden auch die Bereiche Homeoffice und Digitalisierung. Dazu stellten sich Landrat Martin Sailer und die Brüder Rainer Maria und Peter Wagner den Fragen. Letztere sind Inhaber der Langenneufnacher Sitzmöbelmanufaktur mit der Marke Topstar und dem Premiumlabel Wagner Living.
Gleich eingangs des Unternehmerabends stellte Moderatorin Zoch fest, dass das Homeoffice im Corona-Jahr eine so große Rolle wie nie zuvor spiele. Doch das Büro in den eigenen Räumen wird scheinbar nicht bei allen bevorzugt. Ralph
Hufschmied, Geschäftsführer der Zerspanungssysteme GmbH in Bobingen, verdeutlichte, dass in seinem Betrieb überdurchschnittlich viele Beschäftigte den Arbeitsplatz in der Firma bevorzugen. Dies stelle auch kein Problem dar, da genügend Platz vorhanden sei, um alle Hygienevorschriften zu beachten.
Ähnlich sah es Rainer Maria Wagner. 60 bis 70 Prozent der Beschäftigten seien wieder ins Büro zurückgekehrt, machte er aufmerksam. Auch er sprach davon, dass die Firmen im ländlichen Raum mit ihren Büros weitläufiger und mit mehr Ausweichmöglichkeiten aufgestellt seien. Gleichzeitig räumte er ein, dass die Beschäftigen beim Homeoffice mehr Freizeit haben, da die Anund Rückfahrten zum Betrieb wegfallen. Sein Bruder Peter antwortete auf eine Frage aus dem Teilnehmerkreis, dass sein Unternehmen durch Corona anfangs auf dem Sektor der Premiumgastronomie Einbußen erfahren habe. „Doch dazu haben wir erfolgreich Strategien entwickelt“, betonte er. Auf der anderen Seite habe Corona uns wegen Homeoffice eine große Nachfrage nach ergonomischen Bürostühlen beschert, ergänzte Rainer Maria Wagner.
Landrat Martin Sailer bezeichnete Homeoffice als große Herausforderung
für seine Verwaltung. Derzeit seien circa 60 Prozent der Angestellten beim Landratsamt im Homeoffice. „Beim Bezirk Schwaben sind es sogar 500 von 560 Mitarbeitern.“Zugleich stellte er fest, dass die Tätigkeiten zu Hause genauso effizient ausfallen wie im Büro vor Ort.
Eine noch größere Veränderung und Umwandlung der Arbeitsprozesse sah der Landrat in der Digitalisierung. Hier werde der Trend eindeutig weitergehen, sagte er. Bereits jetzt werde im Landratsamt die elektronische Akte in vielen Bereichen eingesetzt und bis 2024 abgeschlossen sein. Bauanträge können bereits digital eingereicht werden.
„Beständige Strukturen werden sich auflösen und neue entwickeln“, resümierte er.
Unterstützung erhielt Sailer dabei von Ramona Meinzer, Mitgeschäftsführerin der Aumüller Aumatic GmbH in Thierhaupten. Ohne die Digitalisierung hätten meine Mitarbeiter nicht die notwendige Zeit, sich neuen Ideen und dem Service zu widmen, führte sie aus.
Einen großen Beschleunigungsprozess hat die Digitalisierung ebenso bei Topstar/Wagner bewirkt. „Hier steckt unheimlich viel Effizienz darin“, erläuterte Peter Wagner und nannte als Beispiel den 3D-Druck. Er könne überall auf der Welt durchgeführt werden und sei dadurch ein nachhaltiger umwelttechnischer Beitrag. „Viel Digitalisierung betreiben wir vor allem im Fertigungsbereich“, so Rainer Maria Wagner weiter. „Seit drei Jahren setzen wir erfolgreich Roboterfahrzeuge ein.“Sein Fazit: Logistische Prozesse bauen zunehmend auf Robotik, dennoch sei der Mensch immer noch sehr wichtig.
Und wie sieht die Digitalisierung bei den Teilnehmern des Unternehmerabends aus? 59 Prozent werteten den Digitalisierungsgrad in ihrem Betrieb als mittelmäßig, 20 Prozent als hoch.
Zurück zum ländlichen Raum. Er spiele mittlerweile bei vielen Unternehmen eine immer wichtigere Rolle, so das Fazit aller Beteiligten. Der Landrat wies aber auch darauf hin, dass es gelte, hier zahlreiche Herausforderungen anzunehmen, so die E-Mobilität, die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und die Verbindung von diversen Schnittstellen. Topstar/Wagner sei in diesem Zusammenhang ein Leuchtturmprojekt und beispielhaft in Sachen Innovationskraft, urteilte Sailer. Für einen süßen Abschluss des Unternehmerabends sorgte Peter Müller von der Chocolaterie Café Müller in Königsbrunn. In einem Filmbeitrag weihte er die Teilnehmer in die kleinen Geheimnisse der Schokolade ein. Sein Tipp: Je dünner Schokolade gegossen sei, desto besser entfalten sich die Aromen im Mund, informierte er.
70 Prozent der Beschäftigten wieder im Büro zurück