Augsburger Allgemeine (Land West)
Weg frei für die LechstahlErweiterung
Umwelt Stundenlang wird bei einer Sondersitzung in Meitingen über das umstrittene Mega-Projekt diskutiert. Am Ende steht ein Bebauungsplan, mit dem die Rodung des Lohwalds einen großen Schritt näher kommt. Nur wenige Demonstranten und Zuschauer sind vor O
Meitingen Etwa ein Dutzend Sicherheitskräfte bewachen die Ballspielhalle in Meitingen. Auf dem großen Parkplatz vor der Halle stehen zwei Streifenwagen der Polizei. Man ist auf einen Ansturm von Demonstranten vorbereitet. Doch kurz vor Beginn der Sondersitzung zur Erweiterung der Lechstahl-Werke (LSW) ist von denen nichts zu sehen. Dabei ist es der Tag der Entscheidung, auf den man in dem 11.100-Einwohner-Markt seit Jahren hinarbeitet. Mit einem richtungsweisenden Beschluss macht das Gremium den Weg zur umstrittenen Rodung des Lohwalds frei.
Drinnen sammeln sich am Samstagvormittag die Mitglieder des Marktgemeinderats. In der großen Sporthalle ist für etwa 200 Zuschauer bestuhlt, doch die allermeisten Plätze bleiben leer. Nur etwa 20 Gäste verfolgen den Beginn der wegweisenden Sitzung. Liegt es am Termin am frühen Samstagvormittag, oder ist die Entscheidung für die Meitinger ohnehin längst gefallen? Meitingens Bürgermeister Michael Higl (CSU) jedenfalls hatte schon am Tag vor der Sondersitzung erklärt, dass er die Pläne zur LSW
Erweiterung vorantreiben möchte. Auch die Fraktionen im Marktrat sind sich weitestgehend einig. Lediglich die Grünen kündigen zu Beginn der Sitzung an, später gegen den Bebauungsplan zu stimmen.
Während in der Halle damit begonnen wird, die Stellungnahmen verschiedener Behörden und Initiativen vorzustellen, sammeln sich davor dann doch die ersten Demonstranten. Ein Teil davon hatte sich zuvor am Augsburger Hauptbahnhof getroffen und ist gemeinsam mit dem Zug zur genehmigten Demo vor der Halle angereist. Unter ihnen sind einige Klimaaktivisten des Bündnisses „Wald statt Stahl“, die in der Vergangenheit mit teils spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam machten. Der größte Teil der am Ende etwa 45 Demonstranten sind aber ältere Naturschützer aus der näheren Umgebung. Sie halten Protestbanner in die Luft, während zwei Kinder mit Trillerpfeife und Mundharmonika Lärm machen. Die Polizei beobachtet das Geschehen. Es bleibt eine überschaubare, friedliche Protestveranstaltung.
Bis zum Schluss der Sondersitzung halten die Demonstranten nicht aus. Nach knapp acht Stunden beschließt der Marktrat schließlich, die Pläne zur Erweiterung der LSW weiter zu verfolgen (drei Gegenstimmen). Zuvor wurden seitenweise Stellungnahmen verlesen. Einwände gibt es unter anderem von den Nachbargemeinden Langweid und Biberbach, von der Bürgerinitiative Schmuttertal oder dem Bund Naturschutz. Sie fürchten, dass die geplante Ersatzpflanzung ihre Funktion kurzfristig nicht erfüllen wird. Die Nachbargemeinden stellen auch infrage, ob tatsächlich alle Alternativen ausreichend geprüft wurden. Die meisten Behörden hingegen hatten nichts gegen die bei der
Sondersitzung vorgestellten Pläne einzuwenden.
Dabei geht es zwar nicht um die Frage, ob sofort mit der Rodung begonnen werden kann. Doch der Marktrat gibt nun die Richtung vor. Meitingen will mit den LSW in Verhandlungen treten, an deren Ende aller Voraussicht nach die Rodung des Lohwalds stehen wird. Es geht um eine Fläche von etwa 17 Hektar Wald, die weg soll. Nach und nach wollen sich die LSW dort vergrößern. Aus Sicht des Unternehmens geht es um die langfristige Sicherung des Standorts in Meitingen. Man will bestehende Arbeitsplätze sichern und neue schaffen. „Wir begrüßen die Entscheidung des Marktrats“, heißt es in eine Mitteilung der LSW-Geschäftsführung. Damit sei der Weg für nachhaltigen Klima- und Naturschutz durch Recycling und praktizierte Kreislaufwirtschaft eröffnet.
Mehr als 15 Jahre lang gibt es diese Pläne schon. In der Vergangenheit hatte sich Meitingen immer wieder dagegen ausgesprochen. Die LSW sollten in andere Himmelsrichtungen wachsen, der Lohwald war tabu. „Inzwischen sind aber alle Alternativen ausgeschöpft“, sagt Meitingens Rathauschef Michael Higl. Seit etwa zwei Jahren liegen die konkreten Erweiterungspläne der LSW auf seinem Tisch. Seither wird im Ort über das Für und Wider diskutiert. Umweltschützer sorgen sich um den Wald. Als Bannwald sei er besonders schützenswert, wichtig für Artenvielfalt und Erholung. Wald oder Stahl? Für die etwa 4500 Menschen, die gegen die geplante Rodung des Lohwalds unterschrieben haben, gibt es da keinen Kompromiss. Für einen Großteil des Meitinger Marktrats schon.
Entscheidend dafür ist vor allem eins: Aufforstung. Denn die Stahlwerke sollen den bestehenden Wald zwar abholzen dürfen, müssen dafür aber eine Menge neuer Bäume pflanzen. Etwa ein Drittel mehr als gesetzlich ohnehin gefordert. Dafür müssten landwirtschaftliche Flächen weichen, die den Stahlwerken gehören. Aufgeforstet werden sollen ökologisch wertvolle Bäume, also eine Vielzahl an Pflanzenarten, die der Natur Platz zur Entfaltung lassen. Geplant sind neue Bäume im Westen in Richtung Zollsiedlung und in Sichtweite der B2. All das soll passieren, bevor der erste Baum im bestehenden Lohwald fällt.
Bis das soweit ist, werden vermutlich noch Jahre vergehen. Zwar ist der entsprechende Bebauungsplan nun verabschiedet. Über eine konkrete Baugenehmigung ist bislang aber noch nicht entschieden worden. Läuft alles nach Plan, könnten die LSW frühestens 2022 mit der Rodung beginnen. Gerodet würde in Bauabschnitten. Bis die gesamte Fläche abgeholzt ist, sollen laut LSW etwa 15 bis 20 Jahre vergehen. Doch es könnte noch länger dauern. Umweltschützer haben bereits angekündigt, gerichtlich gegen eine Rodung vorzugehen. Auch die angekündigte Besetzung des Waldes durch Klimaaktivisten könnte das Vorhaben verzögern.