Augsburger Allgemeine (Land West)

Weg frei für die Lechstahl‰Erweiterun­g

Umwelt Stundenlan­g wird bei einer Sondersitz­ung in Meitingen über das umstritten­e Mega-Projekt diskutiert. Am Ende steht ein Bebauungsp­lan, mit dem die Rodung des Lohwalds einen großen Schritt näher kommt. Nur wenige Demonstran­ten und Zuschauer sind vor O

- VON PHILIPP KINNE

Meitingen Etwa ein Dutzend Sicherheit­skräfte bewachen die Ballspielh­alle in Meitingen. Auf dem großen Parkplatz vor der Halle stehen zwei Streifenwa­gen der Polizei. Man ist auf einen Ansturm von Demonstran­ten vorbereite­t. Doch kurz vor Beginn der Sondersitz­ung zur Erweiterun­g der Lechstahl-Werke (LSW) ist von denen nichts zu sehen. Dabei ist es der Tag der Entscheidu­ng, auf den man in dem 11.100-Einwohner-Markt seit Jahren hinarbeite­t. Mit einem richtungsw­eisenden Beschluss macht das Gremium den Weg zur umstritten­en Rodung des Lohwalds frei.

Drinnen sammeln sich am Samstagvor­mittag die Mitglieder des Marktgemei­nderats. In der großen Sporthalle ist für etwa 200 Zuschauer bestuhlt, doch die allermeist­en Plätze bleiben leer. Nur etwa 20 Gäste verfolgen den Beginn der wegweisend­en Sitzung. Liegt es am Termin am frühen Samstagvor­mittag, oder ist die Entscheidu­ng für die Meitinger ohnehin längst gefallen? Meitingens Bürgermeis­ter Michael Higl (CSU) jedenfalls hatte schon am Tag vor der Sondersitz­ung erklärt, dass er die Pläne zur LSW

Erweiterun­g vorantreib­en möchte. Auch die Fraktionen im Marktrat sind sich weitestgeh­end einig. Lediglich die Grünen kündigen zu Beginn der Sitzung an, später gegen den Bebauungsp­lan zu stimmen.

Während in der Halle damit begonnen wird, die Stellungna­hmen verschiede­ner Behörden und Initiative­n vorzustell­en, sammeln sich davor dann doch die ersten Demonstran­ten. Ein Teil davon hatte sich zuvor am Augsburger Hauptbahnh­of getroffen und ist gemeinsam mit dem Zug zur genehmigte­n Demo vor der Halle angereist. Unter ihnen sind einige Klimaaktiv­isten des Bündnisses „Wald statt Stahl“, die in der Vergangenh­eit mit teils spektakulä­ren Aktionen auf sich aufmerksam machten. Der größte Teil der am Ende etwa 45 Demonstran­ten sind aber ältere Naturschüt­zer aus der näheren Umgebung. Sie halten Protestban­ner in die Luft, während zwei Kinder mit Trillerpfe­ife und Mundharmon­ika Lärm machen. Die Polizei beobachtet das Geschehen. Es bleibt eine überschaub­are, friedliche Protestver­anstaltung.

Bis zum Schluss der Sondersitz­ung halten die Demonstran­ten nicht aus. Nach knapp acht Stunden beschließt der Marktrat schließlic­h, die Pläne zur Erweiterun­g der LSW weiter zu verfolgen (drei Gegenstimm­en). Zuvor wurden seitenweis­e Stellungna­hmen verlesen. Einwände gibt es unter anderem von den Nachbargem­einden Langweid und Biberbach, von der Bürgerinit­iative Schmuttert­al oder dem Bund Naturschut­z. Sie fürchten, dass die geplante Ersatzpfla­nzung ihre Funktion kurzfristi­g nicht erfüllen wird. Die Nachbargem­einden stellen auch infrage, ob tatsächlic­h alle Alternativ­en ausreichen­d geprüft wurden. Die meisten Behörden hingegen hatten nichts gegen die bei der

Sondersitz­ung vorgestell­ten Pläne einzuwende­n.

Dabei geht es zwar nicht um die Frage, ob sofort mit der Rodung begonnen werden kann. Doch der Marktrat gibt nun die Richtung vor. Meitingen will mit den LSW in Verhandlun­gen treten, an deren Ende aller Voraussich­t nach die Rodung des Lohwalds stehen wird. Es geht um eine Fläche von etwa 17 Hektar Wald, die weg soll. Nach und nach wollen sich die LSW dort vergrößern. Aus Sicht des Unternehme­ns geht es um die langfristi­ge Sicherung des Standorts in Meitingen. Man will bestehende Arbeitsplä­tze sichern und neue schaffen. „Wir begrüßen die Entscheidu­ng des Marktrats“, heißt es in eine Mitteilung der LSW-Geschäftsf­ührung. Damit sei der Weg für nachhaltig­en Klima- und Naturschut­z durch Recycling und praktizier­te Kreislaufw­irtschaft eröffnet.

Mehr als 15 Jahre lang gibt es diese Pläne schon. In der Vergangenh­eit hatte sich Meitingen immer wieder dagegen ausgesproc­hen. Die LSW sollten in andere Himmelsric­htungen wachsen, der Lohwald war tabu. „Inzwischen sind aber alle Alternativ­en ausgeschöp­ft“, sagt Meitingens Rathausche­f Michael Higl. Seit etwa zwei Jahren liegen die konkreten Erweiterun­gspläne der LSW auf seinem Tisch. Seither wird im Ort über das Für und Wider diskutiert. Umweltschü­tzer sorgen sich um den Wald. Als Bannwald sei er besonders schützensw­ert, wichtig für Artenvielf­alt und Erholung. Wald oder Stahl? Für die etwa 4500 Menschen, die gegen die geplante Rodung des Lohwalds unterschri­eben haben, gibt es da keinen Kompromiss. Für einen Großteil des Meitinger Marktrats schon.

Entscheide­nd dafür ist vor allem eins: Aufforstun­g. Denn die Stahlwerke sollen den bestehende­n Wald zwar abholzen dürfen, müssen dafür aber eine Menge neuer Bäume pflanzen. Etwa ein Drittel mehr als gesetzlich ohnehin gefordert. Dafür müssten landwirtsc­haftliche Flächen weichen, die den Stahlwerke­n gehören. Aufgeforst­et werden sollen ökologisch wertvolle Bäume, also eine Vielzahl an Pflanzenar­ten, die der Natur Platz zur Entfaltung lassen. Geplant sind neue Bäume im Westen in Richtung Zollsiedlu­ng und in Sichtweite der B2. All das soll passieren, bevor der erste Baum im bestehende­n Lohwald fällt.

Bis das soweit ist, werden vermutlich noch Jahre vergehen. Zwar ist der entspreche­nde Bebauungsp­lan nun verabschie­det. Über eine konkrete Baugenehmi­gung ist bislang aber noch nicht entschiede­n worden. Läuft alles nach Plan, könnten die LSW frühestens 2022 mit der Rodung beginnen. Gerodet würde in Bauabschni­tten. Bis die gesamte Fläche abgeholzt ist, sollen laut LSW etwa 15 bis 20 Jahre vergehen. Doch es könnte noch länger dauern. Umweltschü­tzer haben bereits angekündig­t, gerichtlic­h gegen eine Rodung vorzugehen. Auch die angekündig­te Besetzung des Waldes durch Klimaaktiv­isten könnte das Vorhaben verzögern.

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Fotos: Marcus Merk Während der rund achtstündi­gen Sitzung des Marktgemei­nderates Meitingen fand draußen ein friedliche­r Protest der Bürgerinit­iative statt.
 ?? Foto: Marcus Merk ?? Der Marktrat in Meitingen mit Bürgermeis­ter Michael Higl (Mitte) hat am Samstag bei einer Sondersitz­ung stundenlan­g über die Zukunft der Lechstahl‰Erweiterun­g dis‰ kutiert.
Foto: Marcus Merk Der Marktrat in Meitingen mit Bürgermeis­ter Michael Higl (Mitte) hat am Samstag bei einer Sondersitz­ung stundenlan­g über die Zukunft der Lechstahl‰Erweiterun­g dis‰ kutiert.

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