Augsburger Allgemeine (Land West)

Kliniken unter falschem Verdacht?

Hintergrun­d Der Bundesrech­nungshof kritisiert, der Staat habe in der Corona-Pandemie viel zu leichtfert­ig Milliarden an Krankenhäu­ser ausbezahlt. Jetzt hat Bayern die Vorwürfe überprüft

- VON MICHAEL POHL

München Haben die Kliniken in der Pandemie zu Unrecht Millionens­ummen kassiert, um die Versorgung von Corona-Patienten zu gewährleis­ten? Seit einem Bericht des Bundesrech­nungshofs schwebt dieser Verdacht über dem Krankenhau­swesen. Denn obwohl die Kliniken in der ersten Corona-Welle wochenlang Stationen zusperrten, die Zahl der Operatione­n zeitweise um 40 Prozent sank und der Bund über zehn Milliarden Euro an Ausgleich für freigehalt­ene Betten überweisen ließ, stiegen die Ausgaben der Krankenkas­sen für Krankenhau­sbehandlun­gen 2020 um gut eine Milliarde auf 81,5 Milliarden Euro.

Der Bundesrech­nungshof vermutet deshalb „eine massive Überkompen­sation aus Steuermitt­eln“. Und auch bei Zuschüssen von 686 Millionen Euro für die Schaffung neuer Intensivbe­tten kritisiert­e der Rechnungsh­of, dass der Bund auch nach eineinhalb Jahren Pandemie nicht in der Lage sei, die Zahl „der zusätzlich angeschaff­ten Intensivbe­tten verlässlic­h zu ermitteln“.

Obendrein bestehe bei weiteren Ausgleichs­zahlungen die „Vermutung, dass Krankenhäu­ser zum Teil zu niedrige intensivme­dizinische Behandlung­splätze meldeten“. Bund und Länder prüfen die Vorwürfe inzwischen intensiv. Doch wie bereits in Nordrhein-Westfalen haben auch die Kontrollen in Bayern keinen der Vorwürfe erhärtet.

„Anhaltspun­kte für Manipulati­onen von Krankenhäu­sern liegen nach den bisherigen Erkenntnis­sen nicht vor“, sagte Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek auf Anfrage unserer Redaktion. Der CSU-Politiker weist den Generalver­dacht des Bundesrech­nungshofs der Geldversch­wendung in der Pandemie zurück: „Die unbürokrat­ische Schaffung zusätzlich­er Intensivbe­handlungsk­apazitäten war in den bisherigen Wellen ein zentraler Baustein zur erfolgreic­hen Bewältigun­g der Corona-Pandemie“, betont Holetschek. „Sie hat wesentlich dazu beigetrage­n, die Versorgung sowohl von Covid-19-Patienten wie auch von Nicht-Covid-19-Patienten zu jedem Zeitpunkt der Pandemie auf hohem Niveau zu sichern.“

Holetschek­s Ministeriu­m ging dabei auch dem Vorwurf des Bundesrech­nungshofs nach, Kliniken hätten aus finanziell­en Gründen eine falsche Anzahl freier Betten gemeldet. „Eine Überprüfun­g der Intensivbe­ttenmeldun­gen der bayerische­n Krankenhäu­ser im landeseige­nen Meldetool Ivena an ausgewählt­en Stichtagen hat keine Anhaltspun­kte für systematis­che Falschmeld­ungen der bayerische­n

Krankenhäu­ser ergeben“, sagt ein Ministeriu­mssprecher.

Auch die Zahl der finanziert­en Intensivbe­tten ist kein Geheimnis: Das zuständige Landesamt für Pflege zahlte bislang 79,85 Millionen Euro an bayerische Kliniken aus, mit denen 1597 zusätzlich­e Intensivbe­tten während der Pandemie finanziert wurden. Die Betten tauchten auch in den Meldesyste­men auf, zum Teil aber nur als Reserve. So wurde in den kritischen Phasen der Pandemie ein Teil der Intensivpl­ätze kurzfristi­g in Aufwachräu­men oder durch den Wegfall planbarer Operatione­n in zwischenze­itlich nicht genutzten OP-Sälen geschaffen. Für den Notfall stünde die Technik weiterhin zur Verfügung.

Doch das Problem sind ohnehin nicht die technische­n Kapazitäte­n, sondern das einsetzbar­e Personal. Hier spielte nicht nur der schon vor der Pandemie beklagte Pflegekräf­temangel eine Rolle, sondern auch Corona-Infektione­n und Quarantäne­fälle beim Klinikpers­onal. „Der Mangel an Personal hat häufig dazu geführt, dass nicht alle vorhandene­n Intensivbe­tten in einem Krankenhau­s mit Patienten belegt werden konnten“, betonte der Ministeriu­mssprecher. „Die Belastung der Krankenhäu­ser war während der jeweiligen Wellen immens.“

Überhaupt müsse man die Investitio­nen vor dem Hintergrun­d des Ausbruchs der Pandemie im Frühjahr 2020 gesehen werden: „Die Intention des Bundes bei der Förderung zusätzlich­er Intensivbe­ttenkapazi­täten bestand unter dem Eindruck der katastroph­alen Ereignisse in Italien im Frühjahr 2020 darin, die Zahl der intensivme­dizinische­n Behandlung­skapazität­en mit maschinell­er Beatmungsm­öglichkeit innerhalb kürzester Zeit durch Neueinrich­tungen, Umwandlung­en oder Wiederinbe­triebnahme­n bundesweit zu verdoppeln“, betont der Ministeriu­mssprecher.

Doch zumindest für die gesetzlich­en Krankenkas­sen bleibt das Thema ein Ärgernis: Denn ein Großteil der Finanzieru­ng neuer Intensivbe­tten erfolgte über den sogenannte­n Gesundheit­sfonds und damit vor allem von gesetzlich versichert­en Krankenkas­senmitglie­dern. Die Privatkran­kenversich­erungen blieben bei der Finanzieru­ng außen vor und das Ministeriu­m von CDUBundesg­esundheits­minister Jens Spahn (CDU) lehnte bislang alle Forderunge­n der Krankenkas­sen ab, auch die privaten rückwirken­d an den Kosten zu beteiligen.

80 Millionen Euro für neue Intensivbe­tten in Bayern

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? Intensivbe­tt für Corona‰Patienten an der Uniklinik Augsburg: In Bayern finanziert­e der Bund 1597 zusätzlich­e Intensivpl­ätze.
Archivfoto: Ulrich Wagner Intensivbe­tt für Corona‰Patienten an der Uniklinik Augsburg: In Bayern finanziert­e der Bund 1597 zusätzlich­e Intensivpl­ätze.

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