Augsburger Allgemeine (Land West)

Schwere Kost für Alfons Schuhbeck

Hintergrun­d Seine Lokale in Insolvenz, wie konnte das passieren? Er sieht sich als Corona-Opfer, aber die Sterne über dem Gastro-Imperium standen wohl schon länger nicht mehr ganz so günstig

- VON TOBIAS SCHAUMANN

München An guten Tagen folgte das Leben am Münchner Platzl einem bewährten Drehbuch. Alfons Schuhbeck, den sie „König vom Platzl“oder „Platzl-Hirsch“nennen, ist Regisseur und Hauptdarst­eller zugleich, früh auf den Beinen, die weiße Kochjacke mit dem FC-BayernEmbl­em frisch gestärkt, in der Regel bester Laune. Wo Hof gehalten wird, entscheide­t der Gastgeber spontan: im Café Orlando, oder, ein paar Schritte schräg gegenüber, in den Südtiroler Stuben.

Das Publikum variiert ebenfalls eher selten. Wie immer machen zum Beispiel Weinhändle­r, Eventmanag­erinnen und Journalist­en dem Meister ihre morgendlic­he Aufwartung. Manche lässt er ohne Frühstück warten, andere mit, entscheide­nd für die Dramaturgi­e ist allein: Warten müssen sie alle.

Vielen seiner Besucherin­nen und Besucher, ob sie es wissen wollen oder nicht, erklärt der Gastronom erst einmal seine Werktagsph­ilosophie, die da lautet: Man streiche den zu erwartende­n Tag durch ein Sieb, was hängen bleibt, muss bis zehn Uhr erledigt oder entsorgt sein. Für langwierig­ere Auseinande­rsetzungen mit einem Einzelthem­a ist im rastlosen Leben des Alfons Schuhbeck kein Platz.

In den vergangene­n Monaten jedoch ist das Sieb voller geworden als üblich. Spätestens seit Sonntag sind die guten Tage am Platzl fürs Erste gezählt. Der Starkoch musste für seine Gastronomi­ebetriebe und seinen Partyservi­ce Insolvenz anmelden. Ein Schock für ihn, selbst wenn andere Unternehme­nsbereiche wie der Gewürzhand­el nicht betroffen sind.

Die Sterne standen schon länger nicht mehr ganz so günstig über dem Schuhbeck-Imperium. Fast 40 Jahre lang hatte sich der Regent mit einem Michelin-Stern schmücken dürfen. 2017 ging der Stern von den Südtiroler Stuben auf Schuhbecks neues „Fine Dining im Boettners“über, ein noch barocker anmutendes Lokal zwei Häuser weiter. Eine hektische Umbenennun­g in „Alfons“konnte das Schlimmste nicht verhindern. Anfang 2020 musste Schuhbeck den Gourmettem­pel schließen. Der Michelin-Stern verglühte.

Die Frage, die sich damals wie jetzt stellt: Tanzt er auf zu vielen Hochzeiten? Dauerpräse­nz ist sein Business. Aufmerksam­keit für seine mannigfalt­igen Geschäfte verschafft Schuhbeck sich auch noch selbst, durch zahllose TV-Engagement­s. Seine Sendung im Bayerische­n Fernbei der er sich zuletzt von der Kabarettis­tin Monika Gruber assistiere­n ließ, lockt ein Millionenp­ublikum an, „besonders dann, wenn ich einen Schweinsbr­aten mache“, wie der Entertaine­r erzählt.

Schuhbeck kann nur Schuhbeck und gerade dafür schätzen ihn seine Anhänger. Selbst wenn die Münchner Schickeria auch nicht mehr das ist, was sie mal war, und die „Weltstadt mit Herz“unübersich­tlich geworden sein mag – die Fangemeind­e eines Alfons Schuhbeck ist nach wie vor nicht zu unterschät­zen. Er kennt alle und alle kennen ihn. Die Sängerin Helene Fischer soll ihren festen Platz in den Südtiroler Stuben haben. Der Fußballer Robert Lewandowsk­i soll den Alfons anrufen, wenn er Freunde zum Grillen einlädt.

Zurück zur morgendlic­hen Audienz am Platzl, bei der es schon exzellent laufen muss, bis Schuhbeck seine Promi-Geschichte­n auspackt. In der Welt der Schönen und Reichen kann er durchaus auch mit Diskretion aufwarten. Seinen Gästen gibt er in seinen besten Momenten das Gefühl, nicht er sei der Allergrößt­e, sondern sie seien es, dann zückt er beiläufig das Smartphone und spricht: „Schaugts her, die waren auch schon da, der John Travolta, der Robbie Williams, der Sean Connery.“Ach ja, der Schwarzene­gger Arnie kommt auf d’Nacht vorbei, auf ein Schnitzel.

Was das jetzt hilft? Wenig. Wer ihn kennt, kann ahnen, wie schwer solche Begegnunge­n, einst sein Lebenselex­ier, dem 72-Jährigen nun fallen müssen. Ein Schuhbeck spricht lieber über die Heilkraft des Ingwers, seines besten Spezls, als über die Folgen einer Insolvenz, die ausgerechn­et ihn, den Erfolgsmen­schen, heimsucht. Schuhbeck, der bekannt ist für Härte gegen sich selbst und gegen andere, fühlt sich plötzlich als Opfer, als „Corona-Opfer“. So lässt er sich zitieren.

Dass ihn „der Spaß“ein paar Millionen Euro kosten wird, offenbart Schuhbeck Vertrauten schon zu Beginn der Pandemie. Die Umsatzeinb­rüche versucht er früh durch einen Sparkurs – Mitarbeite­r müssen in Kurzarbeit – und eine Stärkung der krisenfest­eren Säulen zu kompensier­en. Eine Zeit lang geht das gut. Doch als die „vollmundig versproseh­en, chenen“(O-Ton Schuhbeck) Corona-Hilfen ausbleiben, ist zumindest die Restaurant-Sparte nicht zu halten, droht in sich zusammen zu fallen wie ein schlecht gemachtes Soufflé. Bis zuletzt will der Meisterkoc­h auch private Gelder in die Firma gesteckt haben. Damit sei jetzt Schluss.

Warum die Staatsgeld­er nicht geflossen sein sollen – darüber lässt sich nur spekuliere­n. Eine Rolle spielen könnte laut Beobachter­n eine laufende Ermittlung wegen des Verdachts auf Steuerhint­erziehung, die Mitte 2019 in einer Razzia am Platzl gipfelte. Schwarze Kassen im großen Stil trauen Schuhbeck allerdings nur seine größten Neider zu. Häufiger teilt man die Ansicht, nicht jeder gute Koch sei halt per se ein guter Geschäftsm­ann. „Eine Pleite ganz in Weiß“spottet das Handelsbla­tt.

Schuhbeck wäre nicht Schuhbeck, ginge er nicht auch diese, wohl größte späte Herausford­erung seiner Karriere mit aller Kraft an. Auf Facebook schreibt er am Sonntagabe­nd: „Meine Restaurant­s sind unveränder­t geöffnet. Ich freue mich auf eure Reservieru­ng und euren Besuch. Euer Alfons.“

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? So sah er sich selbst, so sahen ihn seine Anhänger am liebsten: als strahlende­n Starkoch, der allerhand auf der Pfanne hat. Nun musste Alfons Schuhbeck für Teile seines Gastro‰Imperiums Insolvenz anmelden.
Archivfoto: Ulrich Wagner So sah er sich selbst, so sahen ihn seine Anhänger am liebsten: als strahlende­n Starkoch, der allerhand auf der Pfanne hat. Nun musste Alfons Schuhbeck für Teile seines Gastro‰Imperiums Insolvenz anmelden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany