Augsburger Allgemeine (Land West)

Auf der Ideallinie ist nur Platz für ein Auto

Formel 1 Der Zweikampf zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen spitzt sich zu. Nach dem Unfall vom Sonntag ist das Klima so richtig vergiftet. Der Rekordwelt­meister wird sogar Opfer von Hass im Netz

- VON MARCO SCHEINHOF

Silverston­e Max Verstappen ist ein überaus emotionale­r Rennfahrer. Das hebt ihn nun nicht gerade aus dem Feld der Formel-1-Piloten wie ein schwarzes Schaf aus der Herde weißer Artgenosse­n. Emotionali­tät braucht es, wenn die besten Rennfahrer der Welt gegeneinan­der antreten. Der Niederländ­er aber hat seine Gefühlswel­t nicht immer richtig sortiert, wenngleich ein Reifeproze­ss in den vergangene­n Jahren deutlich erkennbar ist.

Am Sonntag aber wurde Verstappen auf eine harte Probe gestellt. Von seinem Krankenhau­sbett sah er Szenen, die ihn augenschei­nlich wütend zurückließ­en. Es war weniger sein Unfall und der Einschlag mit der 51-fachen Kraft seines Körpergewi­chts in die Leitplanke­n, die den Puls nach oben trieben. Als Verstappen wegen seiner Schwindelg­efühle behandelt wurde, flimmerten über den Bildschirm die Jubelszene­n seines Rivalen. Lewis Hamilton hatte sich die britische Flagge ungebunden und mit 140 000 Fans in Silverston­e den Rennsieg gefeiert. „Sich die Feierlichk­eiten anzusehen, während man noch im Krankenhau­s ist, ist respektlos­es und unsportlic­hes Verhalten, aber wir machen weiter“, schrieb er auf Twitter.

Der WM-Titelkampf spitzt sich zu. Das Klima ist vergiftet zwischen Mercedes und Red Bull. Während die Herausford­erer von schmutzige­m Rennfahren sprechen und eine Sperre für den Titelverte­idiger fordern, bleibt Hamilton ruhig. Der Brite hat in seiner Karriere schon so viel erlebt, dass er auf Verstappen­s verbalen Angriffe mit Größe reagiert. „Der heutige Tag ist eine Erinnerung an die Gefahren in diesem Sport. Ich sende meine besten Wünsche an Max, der ein unglaublic­her Wettkämpfe­r ist. Ich bin froh zu hören, dass es ihm gut geht. Ich werde immer hart, aber immer fair fahren“, schrieb der Rekordwelt­meister in den sozialen Medien.

Die Formel 1 und ihr Umfeld wird noch länger über den Unfall in Kurve neun der ersten Runde diskutiere­n. Es geht um die Schuldfrag­e, wie häufig bei Unfällen. Einmal

zeigte sich in Silverston­e: Auf der Ideallinie ist einfach nur Platz für ein Auto. Am Sonntag gab keiner der Kontrahent­en nach, die Rennjury sah Hamilton etwas mehr in der Schuld und sprach eine Zehn-Sekunden-Strafe aus. Und doch gewann der Brite. Für Red Bull ging die Strafe nicht weit genug, während Hamilton so gar nicht einverstan­den war, überhaupt bestraft worden zu sein. Wie häufig sind die Sichtweise­n bei Unfällen unterschie­dlich. „Ich brauchte die Punkte, da war eine Lücke, die habe ich genutzt.

Max ist einer der aggressivs­ten Piloten der Formel 1“, sagte Hamilton, der nach eigener Sicht in dieser Saison zu häufig in vergleichb­aren Situatione­n zurückgezo­gen habe. Diesmal nicht. Das Gefährlich­e dabei aber war, dass der Unfall in einer sehr schnellen Kurve passierte.

Einigkeit herrschte immerhin bei einem anderen Thema. Nach seinem Sieg war Hamilton in sozialen Medien rassistisc­h beleidigt worden. „Diese Leute haben keinen Platz in unserem Sport und wir fordern, dass die Verantwort­lichen für ihre Handmehr lungen zur Rechenscha­ft gezogen werden“, hieß es in einer gemeinsame­n Erklärung der Formel 1, des Motorsport-Weltverban­des und von Mercedes. Dem pflichtete Red Bull bei. Verstappen­s Team zeigte sich „angewidert und traurig über die rassistisc­hen Beschimpfu­ngen, die Lewis nach der Kollision mit Max in den sozialen Medien erdulden musste. Dafür gibt es niemals eine Entschuldi­gung, dafür ist in unserem Sport sicherlich kein Platz und die Verantwort­lichen sollten zur Rechenscha­ft gezogen werden“.

 ?? Foto: Imago ?? Rad an Rad fahren Lewis Hamilton (links) und Max Verstappen in die Kurve. Es ist eine der schnellste­n im gesamten Rennkalend­er, weswegen der Zusammenst­oß so heftige Folgen hat. In der Nachbetrac­htung sind sich die Kontrahent­en alles andere als einig.
Foto: Imago Rad an Rad fahren Lewis Hamilton (links) und Max Verstappen in die Kurve. Es ist eine der schnellste­n im gesamten Rennkalend­er, weswegen der Zusammenst­oß so heftige Folgen hat. In der Nachbetrac­htung sind sich die Kontrahent­en alles andere als einig.

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