Augsburger Allgemeine (Land West)

Lüneburger Heide mal anders

Was Camp Reinsehlen so besonders macht

- VON WOLFGANG STELLJES

Steffen Schmidt stützt sich auf seinen Stock. Brauner Filzhut, winddichte Weste, leicht ergrauter Bart: So steht er da, ein wenig nach vorne gebeugt, und beobachtet seine Heidschnuc­ken. Die Schafe nähern sich gerade dem „Hotelcamp Reinsehlen“bei Schneverdi­ngen, die Gäste können die Tiere ganz aus der Nähe studieren.

Typisch Lüneburger Heide, könnte man jetzt sagen. Nur dass weit und breit keine Heide zu sehen ist. Sondern nur eine weite, karge, fast baumfreie Ebene: Camp Reinsehlen ist eine Sandmagerr­asenfläche, mit rund 180 Hektar die größte in Norddeutsc­hland. Jeden Tag zieht Steffen Schmidt mit seinen Heidschnuc­ken durch das Camp. Ohne seine Herde würde die Fläche relativ schnell wieder zuwachsen, vor allem mit Birken und Kiefern. In der Luft zwitschert eine Feldlerche, typisch für offene Landschaft­en wie diese, die nicht intensiv bewirtscha­ftet werden. Der Bodenbrüte­r ist einer der Gründe, warum man den Sandmagerr­asen von Anfang April bis Ende August nicht betreten darf. Es gibt nur eine Ausnahme: „Ein Tag mit dem Schäfer“heißt ein Angebot für Besucher. Sechs bis sieben Stunden ist man gemeinsam unterwegs. „Und guckt den Schafen beim Fressen zu.“In diesem Jahr gibt es zum ersten Mal auch die „Schnucken-Auszeit“, eine kürzere Variante von zweieinhal­b Stunden.

Bis 1938 unterschie­d sich das Gelände kaum vom Rest der Lüneburger Heide. Dann wurde es beim Bau eines Militärflu­ghafens

eingeebnet. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand ein Lager für Flüchtling­e. Kurz darauf kamen Kanadier und Briten und errichtete­n ein Militärcam­p. Die Briten blieben bis 1994.

Prominente Gäste

Zweimal nahm der Rest der Republik Notiz von diesem Fleckchen Erde. Im Juli 1967 besuchte Queen Elizabeth II. ihr Royal Tank Regiment und nahm im offenen Jeep eine Parade ab. Und im Oktober 1998 weilte der Dalai Lama gleich eine ganze Woche lang im Camp. In einem beheizbare­n Riesenzelt wies das geistliche Oberhaupt der Tibeter rund 9000 Interessie­rten aus aller Welt Buddhas Weg zum Glück. Seit 2015 informiert ein Rundweg mit Info-Tafeln über die Geschichte und Gegenwart des Camps. Auf dem ehemaligen Flugfeld wuchs Magerrasen, der heute unter Naturschut­z steht. Die ehemalige Panzerwasc­hanlage der Briten ist jetzt ein Kletterpar­k. Die Halle gehört zum „Hotelcamp Reinsehlen“, das gemeinsam mit der Alfred Toepfer Akademie für Naturschut­z mehrere der ehemaligen Verwaltung­sgebäude nutzt. Hinzugekom­men sind Öko-Lodges.

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Foto: Wolfgang Stelljes, tmn Die Heidschnuc­ken – hier mit Schäfer Steffen Schmidt – pflegen durch ihren Appetit die Landschaft bei Camp Reinsehlen in der Lüneburger Heide.

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