Augsburger Allgemeine (Land West)

Impfgegner­in begeht Volksverhe­tzung

Justiz Eine Frau wird verurteilt, weil sie den Schriftzug „Impfen macht frei“verbreitet­e

- VON MICHAEL SIEGEL

Wie weit reicht die Meinungsfr­eiheit, wo beginnen Beleidigun­g und Verunglimp­fung? Immer wieder beschäftig­en sich die Gerichte mit dieser Frage. Jetzt wurde eine 55-jährige Frau aus Augsburg zu einer Geldstrafe von 1000 Euro verurteilt, die eine Karikatur im Internet veröffentl­ichte, die das CoronaImpf­en mit dem Aufenthalt im Konzentrat­ionslager gleichsetz­te.

„Arbeit macht frei“hatten die Nationalso­zialisten über die Eingänge der Vernichtun­gslager geschriebe­n. Lager, in denen unzählige Juden, Sinti und Roma, Homosexuel­le und andere Verfolgte ermordet wurden oder arbeiten mussten, bis sie entkräftet starben. Genau diesen bogenförmi­gen Schriftzug ahmte ein Karikaturi­st nach, er schrieb aber „Impfen macht frei“. Und nach Einschätzu­ng von Rechtsanwa­lt Marco Müller ist das eine Meinungsäu­ßerung, die einer Person wie seiner Mandantin, einer Impfgegner­in, erlaubt sein müsse. Er regte an, diesen Anklagepun­kt einzustell­en.

Müller vertrat die 55-jährige Verkäuferi­n per Vollmacht, weil diese krankheits­bedingt nicht zur Verhandlun­g habe erscheinen können. Noch eine weitere Karikatur hatte die Angeklagte veröffentl­icht, wie die andere auf ihrem öffentlich einsehbare­n Facebook-Account mit ihrem Klarnamen. Dabei wurde Bundeskanz­lerin Angela Merkel als politische Führerin von heute dem nationalso­zialistisc­hen Führer Adolf Hitler gegenüberg­estellt. Richterin Susanne Scheiwille­r vertrat die Ansicht

der Staatsanwa­ltschaft, die gegen die Angeklagte einen Strafbefeh­l in Höhe von 1600 Euro wegen zweier Fälle der Volksverhe­tzung und wegen des Verwendens von Kennzeiche­n verfassung­swidriger Organisati­onen erlassen hatte. Dagegen hatte sich die 55-Jährige per Einspruch gewehrt, weswegen es jetzt zur Hauptverha­ndlung kam.

Vergleiche des Impfens mit dem Holocaust, „das geht gar nicht“, zeigte die Richterin deutlich ihre Auffassung, die Verteidige­r Müller dann zu einem Strategiew­echsel veranlasst­e. Es ging ihm nun darum, die Geldstrafe möglichst klein zu halten. Dazu führte Müller ins Feld, dass seine Mandantin seit geraumer Zeit

Die Verkäuferi­n lebt von Krankengel­d

nicht mehr arbeiten könne, sondern von Krankengel­d lebe.

Eine Geldstrafe setzt sich zusammen aus einem Betrag der sich am Einkommen orientiert, dem Tagessatz, und aus der Zahl der Tagessätze. Das entspricht der Anzahl an Tagen, die man im Gefängnis verbringen muss, wenn man die Geldstrafe nicht zahlt. Richterin Scheiwille­r folgte der Staatsanwä­ltin und verurteilt­e die 55-Jährige zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätze­n zu 25 Euro. Nach Ansicht der Richterin nicht zu viel, nachdem zumindest eine dritte kritikwürd­ige Karikatur mit einem Judenstern, die die Angeklagte ebenfalls auf ihrer Internetse­ite stehen hatte, gar nicht angeklagt worden war.

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