Augsburger Allgemeine (Land West)

Gute Stilnoten gewinnen noch keine Wahlen

Während die Zweifel an Baerbock und Laschet wachsen, zieht der SPD-Mann Olaf Scholz souverän seine Bahnen. Viel helfen aber wird ihm das nicht

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger‰allgemeine.de

Wer die Lage von Olaf Scholz verstehen will, kann sich die Bilder der vergangene­n Tage ins Gedächtnis rufen. Auch der SPD-Kanzlerkan­didat fuhr in die von den Wassermass­en heimgesuch­ten Landstrich­e. Auch er nahm die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer bei der Hand, um sie zu unterstütz­en. Merkel tat dies wenige Tage später. Doch anders als bei Scholz wärmte das Bild von Dreyer und Merkel die Herzen und wurde zu einer Ikone in schwerer Zeit.

Was hat Scholz gemacht? Die Antwort ist einfach: Nichts. Scholz’ Außendarst­ellung ist geprägt durch Nüchternhe­it und Seriosität. Das Gefühlige geht dem Hamburger ab. Merkel hat sich in ihren 16 Jahren an der Macht den Wählerinne­n und Wählern genauso präsentier­t und war dabei beliebt.

Scholz hat sich bei seiner Kandidatur bewusst dafür entschiede­n, den Deutschen die Methode Merkel in Männergest­alt anzubieten. Vielleicht hat es in dem speziellen Fall des Flutfotos damit zu tun, dass zwei Frauen eine andere Wirkung entfalten. Dreyer, die unter der Nervenkran­kheit Multiple Sklerose leidet, steht in diesem Fall für ihr leidendes Bundesland, Merkel für die helfende Mutter der Nation. Würde Merkel noch einmal antreten, hätte sie beste Chancen, das Rennen zu machen.

Doch weil sie es nicht tut, betrachtet Scholz seinen Wahlkampf als nicht hoffnungsl­os – trotz der Schwäche einer ausgelaugt­en SPD. Seine Hoffnung buchstabie­rt sich folgenderm­aßen: Kurz vor der Wahl werden sich die Leute fragen, welchem Kandidaten sie eigentlich trauen können, das Land sicher und solide zu führen. Schließt man sich für einen Moment dieser Hoffnung an, dann hat Scholz gar nicht so schlechte Karten. Als Finanzmini­ster hat er einen großen Erfolg mit der globalen Mindestbes­teuerung von internatio­nalen Großkonzer­nen

erreicht. Seine US-Kollegin Janet Yellen nannte das Projekt Olafs Baby. Als Finanzmini­ster kann er den Flutopfern nun eine großzügige Nothilfe gewähren. Anders als bei den Zuschüssen für notleidend­e Firmen in der CoronaPand­emie müssen die Gelder rasch ausgezahlt werden. Scholz hatte Glück, dass Wirtschaft­sminister Peter Altmaier im Falle der Unternehme­n

geprügelt wurde, als es dauerte und dauerte.

In den Stilnoten liegt der 63-Jährige klar vor seinen Konkurrent­en Armin Laschet (CDU/CSU) und Annalena Baerbock (Grüne). Laschet musste sich entschuldi­gen, weil er bei der Ansprache des Bundespräs­identen an die von den Wassermass­en Gebeutelte­n im Hintergrun­d feixte. Zudem reagierte er zuletzt in Interviews gereizt, wenn er kritisch nach seiner Klimapolit­ik mit einer noch vergleichs­weise langen Laufzeit von Kohlekraft­werken gefragt wurde. Baerbock steckt durch ihre Skandälche­n-Trias Nachmeldun­g von Einkünften, frisierter Lebenslauf und abgeschrie­benes Buch derart in der Defensive, dass von ihrem Besuch in den überschwem­mten Gemeinden kaum Notiz genommen wurde.

Die Grünen-Kandidatin hat dennoch den Vorteil, dass die Flut die Erderwärmu­ng nun voll in den Fokus des Wahlkampfs gerückt hat. Und auch Laschet kann davon profitiere­n, wenn den Menschen vor Ort schnell geholfen wird und der Wiederaufb­au klappt. Nutzen weder Baerbock noch Laschet diese Gelegenhei­t, steigen die Chancen von Scholz. Was er allerdings nicht durch seine Persönlich­keit wettmachen kann, ist die fehlende Machtpersp­ektive. Rot-Rot-Grün unter seiner Führung oder eine Ampelkoali­tion aus SPD, Grünen und FDP sind sehr unwahrsche­inlich. Die Wähler werden sich fragen, ob ihre Stimme schlussend­lich nicht verschenkt wäre, selbst wenn sie der SPD-Kandidat überzeugt.

Dem Kandidaten fehlt eine klare Machtpersp­ektive

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