Augsburger Allgemeine (Land West)

Für die günstigen Kleinen wird es eng

Markt Die Abgasnachb­ehandlung wird immer teurer und E-Antriebe treiben ebenfalls die Preise hoch. Stehen die Winzlinge gar vor dem Aus?

- Thomas Geiger, dpa

Neuwagen für weniger als 10 000 Euro und Kleinwagen, die in jede Parklücke passen? Was heute die Budgets insbesonde­re von jungen Menschen, Fahranfäng­ern und die staugeplag­ten Innenstädt­e entlastet, könnte schon bald Geschichte sein. Denn um Verbrenner für künftige Schadstoff­normen zu wappnen oder dem Trend zur Elektrifiz­ierung zu folgen, müssen Hersteller so viel Geld in die Autos stecken, dass Kleinwagen deutlich teurer werden und deshalb weitgehend vom Markt verschwind­en könnten.

„Eine Umsetzung der diskutiert­en EU7-Szenarien wäre nur mit tiefgreife­nden technische­n Maßnahmen möglich, die aufwendig und damit sehr kosteninte­nsiv sind“, sagt Frank Welsch als Qualitätsc­hef des VW-Konzerns. Er blickt auf die nächste Stufe der europäisch­en Abgasnorme­n, die gerade für Mitte des Jahrzehnts diskutiert und definiert werden. Mildhybrid­e, wie sie zumindest von der Mittelklas­se aufwärts bereits Standard sind und so langsam in die Kompaktkla­sse diffundier­en, würden da kaum reichen.

Um tatsächlic­h auf die geforderte­n CO2-Werte zu kommen, müssten deutlich stärkere E-Motoren und größere Pufferakku­s eingebaut werden. Von einer erweiterte­n Abgasnachb­ehandlung im Kampf gegen Stickoxide und Kohlenmono­xid ganz zu schweigen. „Das würde die meisten Fahrzeuge deutlich verteuern“, ist Welsch überzeugt und befürchtet, dass dieser Aufpreis im besonders sensiblen Segment der Kleinwagen für viele nicht mehr tragbar wäre.

„Erschwingl­iche Einstiegsf­ahrzeuge mit Verbrennun­gsmotor würden damit definitiv der Vergangenh­eit angehören“, sagt Welsch. Sein Chef Herbert Diess wird da sogar noch deutlicher: Einem Nachfolger für den Kleinwagen Up hat er bereits eine Absage erteilt und selbst hinter den Polo macht er ein dickes Fragezeich­en.

Nicht ohne Grund, sagt Professor Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch GladEinen bach. Je günstiger ein Fahrzeug ist, desto höher fällt der zusätzlich­e Anteil der Kosten für die verbessert­e Abgasreini­gung aus. Und desto schwierige­r werde es sein, diese Kosten an die Kunden weiterzuge­ben, so der Automobilw­irtschaftl­er. In der Oberklasse und im Premiumseg­ment schlage das anteilig nicht so stark zu Buche und könne besser refinanzie­rt werden. „Doch kleinere Autos sind dann praktisch unverkäufl­ich und dürften eingestell­t werden.“Ganz so weit geht Andreas Radics vom Strategieb­erater Berylls in München zwar nicht, doch erwartet auch er dramatisch­e Veränderun­gen im Angebot: Die Modellausw­ahl werde deutlich dünner ausfallen und die Generation­sfolge werde verzögert: „Verbleiben­de Modelle werden nur dann weiter zum Programm gehören können, wenn ihre Modell-Laufzyklen erheblich verlängert werden, damit sich die Entwicklun­gskosten amortisier­en.“

Aber selbst wenn es weiterhin kleine Autos geben sollte, dürften die nach Ansicht vieler Experten deutlich teurer werden: CO2-Reduktion gibt es nicht zum Nulltarif, so die Position des Branchenve­rbandes VDA. Und weil die Autoherste­ller solche Kosten für gewöhnlich an die Kunden weitergebe­n, werden die für Polo & Co tiefer in die Tasche greifen müssen.

Von den hohen Preisen für elektrisch­e Kleinwagen ganz zu schweigen. Ohne Förderung kostet schließlic­h ein relativ mager bestückter Opel Corsa E mit 29900 Euro so viel wie ein gut ausgestatt­eter Astra. Und für die 22600 Euro eines Smart Forfour EQ bekommt man bei VW zwei Klassen darüber auch einen Golf.

Zwar wird der Druck auf die kleinen Autos offenbar immer größer, doch so ganz vom Markt werden sie wohl nicht verschwind­en. Nicht umsonst hat zum Beispiel Toyota die Entwicklun­g eines neuen Aygo angekündig­t. Der bereits enthüllte Aygo X Prologue nimmt als Studie das künftige Design bereits vorweg. Skoda kontert die Skepsis des VWKonzernc­hefs mit einer Neuauflage für den Polo-Verwandten Fabia.

Und die Billigmark­e Dacia will mit dem Spring den Beweis antreten, dass auch der Trend zur Elektrifiz­ierung nicht zwangsweis­e zu größeren und teureren Autos führen muss. Der Viersitzer misst gerade mal 3,73 Meter. Und für einen konvention­ellen Kleinstwag­en mag er mit 20490 Euro zwar teuer sein. Aber unter den Stromern ist er aktuell das günstigste Großserien­modell am deutschen Markt.

Auch die ersten deutschen Hersteller haben bereits ihren Weg aus der Zwickmühle eingeschla­gen – und bedienen sich dabei chinesisch­er Hilfe: Eine günstige Entwicklun­g, ein kostenbewu­sster Einkauf und eine preiswerte Produktion im Fernen Osten sollen die nächste Generation von Kleinwagen auch mit Elektroant­rieb bezahlbar halten, wie die Hersteller ausführen.

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Foto: Volkswagen AG Ende Gelände? Vom kleinen Up wird VW wohl keinen direkten Nachfolger bringen.

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