Augsburger Allgemeine (Land West)
Nach Biss: So überprüft die Polizei den Hund
Unfall In Itzlishofen beißt ein Schäferhund einem dreijährigen Buben mitten ins Gesicht. Nun nehmen die Experten der Diensthundestaffel aus Königsbrunn das Tier ganz genau in Augenschein
Ein Schäferhund beißt einen Dreijährigen. Jetzt überprüfen Experten der Diensthundestaffel das Tier.
FischachItzlishofen Mitten ins Gesicht hat ein Schäferhund einen dreijährigen Buben gebissen. Wie berichtet hatte sich der 57-jährige Großvater gerade mit dem Hundeführer unterhalten, als der Vorfall unbemerkt von den Erwachsenen passierte. Der Bub erlitt Fleischwunden, die in der Uniklinik genäht werden mussten. Nun muss sich der Hund einem Wesenstest unterziehen. Die Überprüfung des bislang unauffälligen Schäferhundes erfolgt durch die Königsbrunner Diensthundestaffel der Polizei. Deren Chef Michael Deißler erklärt auf Anfrage unserer Zeitung, wie solch eine Überprüfung abläuft, und nennt auch den Grund, warum Hunde so gerne Postboten attackieren.
„Klar ist, dass solch ein Vorfall nie wieder passieren darf“, sagt er. Zwei Experten der Staffel werden daher in den nächsten Tagen den Hund genau in Augenschein nehmen. Keine leichte Aufgabe, da niemand den Vorfall beobachtet hat. „Wir wissen also nicht, was ihn bewogen hat, plötzlich zuzubeißen.“Um sich Klarheit zu verschaffen, werden die Hundeführer versuchen, die Situation detailgetreu nachzustellen. Ein entscheidender Faktor könnte dabei die Größe eines Kindes sein.
„Ein Dreijähriger befindet sich im Stehen in etwa auf Augenhöhe eines Schäferhundes“, erklärt Deißler. Fixiert ein Mensch den Vierbeiner mit Blicken fixiert, könne es zu unterschiedlichen Reaktionen kommen. „Ein starker Hund wird sich möglicherweise bedroht fühlen und schnappt dann zu.“Ein eher sensibler oder schwächerer Hund bekomme durch intensiven Augenkontakt eher Angst und würde lieber sein Heil in der Flucht suchen. Diese unterschiedlichen Reaktionen gilt es bei dem Wesenstest zu überprüfen.
Der Hundehalter wird sich daher darauf einstellen müssen, dass die Beamten einige Gehorsamsübungen verlangen. Also unter anderem die klassischen Befehle Sitz, Platz, Komm oder Bleib. Anschließend gehen die Profis einen Schritt weiter. „Wir provozieren den Hund ein bisschen.“Dies passiere dadurch, dass der Vierbeiner etwas bedrängt wird, sich Personen über ihn beugen oder durch energisches Auftreten versuchen, ihn einzuschüchtern. Ein weiterer Test sei die Fluchtbewegung.
„Dabei ist dann entscheidend, ob der Hund der Person nachgeht oder sie ziehen lässt“. Auch das Verhalten der Hunde untereinander könne einen Hinweis auf den Charakter geben.
„Wir schauen ganz genau, wie die Hunde miteinander kommunizieren“, sagt Deißler. Daher wird auch mindestens ein Diensthund der Königsbrunner Staffel dabei sein. Denn grundsätzlich hätten Hunde eine gewisse Beißhemmung. Dies würden sie bereits beim Spielen im Welpenalter lernen. „Sobald der eine jault, hört der andere auf oder schnappt zurück“, weiß Deißler. So zeigen sie sich ihre Grenzen auf. Dieses soziale Verhalten sei entscheidend für die spätere Entwicklung des Tieres.
Hunde können jedoch aus ganz unterschiedlichen Gründen zubeißen. Möglich sei daher auch, dass sich der Schäferhund durch ein lautes Geräusch erschreckt habe. Daher wird bei dem Ortstermin auch dies überprüft. Zum Test wird völlig unvermittelt ein Gegenstand, etwa eine dicke Kladde, auf den Boden geworfen. Zuckt der Hund zurück? Schnappt er? Geht er auf den Gegenstand los? Dies werden entscheidende Fragen sein. Eines aber steht von vornherein fest. „Dass ein Hund aus Aggression oder Angst heraus beißt, geht überhaupt nicht“, betont Deißler und rät, Kinder nie unbeobachtet mit einem Hund allein zu lassen.
Für die Experten ist die Überprüfung eines Hundes keine Seltenheit. Auf die Frage, wie oft sie diese Tests durchführen, sagt Deißler lediglich: „Sehr, sehr oft!“Oft sind es Passanten, die sich von wütend kläffenden Hunden, die mit dem Kopf über den Gartenzaun hängen oder aus einem Grundstück entweichen, bedroht fühlen und sich an das Ordnungsamt oder direkt an die Polizei wenden. Eine Personengruppe steht dabei besonders oft im Fokus: Postboten. Die klassischen Feinde vieler Vierbeiner. Deißler kennt auch den Grund dafür. „Das hängt natürlich mit dem Revierverhalten zusammen.“
Wenn Briefträger oder Paketboten das Grundstück betreten, schlägt in der Regel der Hund an, da er sein Reich verteidigen will. Nun liegt es aber in der Natur des Berufs, dass ein Zusteller möglichst schnell wieder verschwindet, da die nächste Lieferung ansteht. „Der Hund wertet dies als Erfolgserlebnis, da er meint, einzig und allein durch seine Kläfferei den Menschen vertrieben zu haben.“Die Folge: Beim nächsten Besuch wiederholt er sein vermeintlich patentes Rezept. Doch sogar die Experten der Diensthundestaffel können immer wieder von dem Verhalten der Tiere überrascht werden.
„Dies liegt daran, dass ein Hund seine eigene Gewalt kaum einschätzen kann“, erklärt Deißler. Unangenehm werde dies beispielsweise, wenn ein Neufundländer an einem hochspringt. Doch es gebe auch das andere Extrem. „So kann sich ein kleiner Malteser auch völlig überschätzen“. Glücklicherweise bleibe es dann jedoch dank der Größe schlimmstenfalls bei einem Zwicken in die Wade.