Augsburger Allgemeine (Land West)

Weltweit landen 40 Prozent aller Lebensmitt­el im Müll

Umwelt Insgesamt 2,5 Milliarden Tonnen an Nahrungsmi­tteln werden jährlich verschwend­et – deutlich mehr als bisher bekannt. Das zeigt nun eine WWF-Studie. Welchen Einfluss die Landwirtsc­haft hat und wie die EU-Länder reagieren

- VON SUSANNE KLÖPFER

Brüssel/Berlin Das Ausmaß der Lebensmitt­elverschwe­ndung ist umfangreic­her als vermutet: Im Müll anstatt auf dem Teller landen nicht wie bisher geschätzt 33 Prozent, sondern 40 Prozent der produziert­en Lebensmitt­el. Um diese zu produziere­n, wird eine Fläche von rund viereinhal­b Millionen Quadratkil­ometern, was der gesamten Europäisch­en Union entspricht, genutzt – der Ertrag wird jedoch einfach weggeworfe­n. Zu diesen Ergebnisse­n kommt die Umweltschu­tzorganisa­tion World Wide Fund for Nature (WWF) in ihrer neuen Studie „Drive to Waste“in Zusammenar­beit mit dem britischen Lebensmitt­elhändler Tesco.

Dieser Anstieg gründet auf neuen Zahlen aus der Landwirtsc­haft. Vor, während und nach der Ernte gehen demnach jährlich geschätzte 1,2 Milliarden Tonnen an Nahrung verloren. Dazu kommen 931 Millionen Tonnen, die im Einzelhand­el, in der Gastronomi­e und in Privathaus­halten der Welternähr­ungsorgani­sation (FAO) zufolge verschwend­et werden, sowie geschätzte 400 Millionen Tonnen, die während der Lieferkett­e verloren gehen. Insgesamt sind das 2,5 Milliarden Tonnen an Lebensmitt­eln, die eigentlich zum Verzehr gedacht waren. Bislang schätzte die FAO die Lebensmitt­elverschwe­ndung auf 1,2 Milliarden Tonnen.

Um Lebensmitt­el herzustell­en, wird viel Land genutzt und werden große Mengen an Wasser und Energie verbraucht. Die Studie zeigt, dass Lebensmitt­el nicht anstatt der geschätzt acht, sondern zehn Prozent aller Treibhausg­ase verursache­n. Das sind doppelt so viele Emissionen, wie alle Autos in Europa und den USA jährlich erzeugen.

Am häufigsten auf dem Müll landen Obst und Gemüse, Rüben, Knollengew­ächse sowie Getreide und Hülsenfrüc­hte. Verschwend­ete Fleisch- und Tierproduk­te sind der Umweltschu­tzorganisa­tion zufolge für 40 Prozent der Klimagase verantwort­lich. Den größten Anteil haben Milch und Rinderflei­sch. Im Vergleich machen Obst und Gemüse, das am meisten weggeworfe­n wird, acht Prozent der Treibhausg­ase aus.

Entlang der Lebensmitt­elversorgu­ngskette landen auch in Deutschlan­d

viele Nahrungsmi­ttel im Abfall: Es sind etwa zwölf Millionen Tonnen jährlich, wie das Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft berichtet. Doch es gibt nur lückenhaft Daten, welche die Verluste im Bereich der Herstellun­g von Lebens- und Futtermitt­eln erklären. Unklar bleibt, wie hoch der Anteil ist, der auf dem Feld liegen bleibt, als Tierfutter eingesetzt oder als Energielie­ferant in der Biogasanla­ge genutzt wird.

Die WWF-Ernährungs­expertin Tanja Dräger de Teran fordert deshalb von der Politik: „Unser gemeinsame­r Anspruch im Kampf gegen die Klimakrise und für den besseren Schutz von Boden und Gewässern muss sein, jede Ernte optimal zu nutzen.“Dazu brauche es nach der Bundestags­wahl dringend bundesweit eine systematis­che, regelmäßig­e und vergleichb­are Erfassung der Lebensmitt­elabfälle entlang der gesamten Nahrungsmi­ttelversor­gungskette.

Einen Schritt in Richtung grüner Agrarwirts­chaft in der Zukunft hat jüngst die EU gemacht: Die Agrarminis­ter der Länder haben sich darauf geeinigt, dass bis 2030 ein Viertel der Agrarfläch­en in der EU für Bio-Landwirtsc­haft genutzt werden soll. Damit bestätigte sich ein Plan, den die EU-Kommission bereits im März vorgeschla­gen hatte.

Von diesem 25-Prozent-Ziel ist Deutschlan­d aktuell weit entfernt. Bisher ist der Plan der Bundesregi­erung, dass bis 2030 nur 20 Prozent der landwirtsc­haftlichen Flächen nach Biostandar­ds bewirtscha­ftet werden. Die Bundesrepu­blik müsste also ihre nationalen Ziele nachbesser­n. Staatssekr­etärin Beate Kasch, die Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) bei dem Ministertr­effen vertrat, erklärte, dass es „zusätzlich­e Impulse“für den nationalen Aktionspla­n bedürfe. Großes Potenzial für den Ausbau sieht sie in Bereichen wie Kitas, Schulen Krankenhäu­ser. Dort könnten mehr Bio-Produkte verwendet werden.

In Deutschlan­d wirtschaft­en dem Bund Ökologisch­e Lebensmitt­elwirtscha­ft (BÖLW) zufolge 13,4 Prozent aller landwirtsc­haftlichen Betriebe ökologisch, was 35 400 Höfen entspricht und mehr als 8000 als fünf Jahre zuvor sind. Jeder achte Hof setzt mittlerwei­le auf Bioqualitä­t. Damit liegt Deutschlan­d aktuell mit einem Bio-Anteil der landwirtsc­haftlichen Betriebe von 7,7 Prozent in der EU im unteren Mittelfeld. Schlusslic­hter sind der Statistikb­ehörde Eurostat zufolge Malta (0,5 Prozent), gefolgt von Irland (1,6 Prozent) und Bulgarien (2,3 Prozent). Österreich erfüllt mit 26 Prozent Bio-Anteil bereits das vorgegeben­e EU-Ziel.

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Ab in den Müll: Auf der ganzen Welt werden Milliarden Tonnen an Lebensmitt­eln ver‰ schwendet, die eigentlich zum Essen gedacht waren. Symbolfoto: Patrick Pleul, dpa

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