Augsburger Allgemeine (Land West)

Unruhige Startphase

Mobilität Lilium werden gute Chancen eingeräumt, im Rennen der Flugtaxis vorne mit dabei zu sein. Gerade aber macht das Start-up nicht durch Fortschrit­t Schlagzeil­en. Droht das Geld knapp zu werden? Das Unternehme­n widerspric­ht entschiede­n

- VON STEFAN KÜPPER

Weßling Damit die Flugtaxis irgendwann in den nächsten Jahren mit Passagiere­n abheben und Gewinn bringen können, brauchen die Unternehme­n zunächst viel Geld und Investoren, die dieses zur Verfügung stellen. Geld und Vertrauen, dass sich die Investitio­n auszahlt.

Damit rechnen auch die Investoren von Lilium, einem Start-up aus Weßling bei München, dem von Fachleuten im Rennen um die Mobilität der Zukunft gute Chancen eingeräumt werden, ganz vorne mit dabei zu sein. Lilium wurde 2015 von Absolvente­n der TU München gegründet, arbeitet an einem Jet für sieben Personen, der Baubeginn ist für kommendes Jahr avisiert und 2024 sollen die ersten Passagiere zusteigen können. Derzeit wird der Börsengang vorbereite­t.

In diesen Tagen hat das Unternehme­n allerdings nicht mit technische­m Fortschrit­t Schlagzeil­en gemacht. Die Welt am Sonntag schrieb, Lilium habe rückwirken­d die Bilanz korrigiere­n müssen, sein Schicksal hänge am geplanten Börsengang. Gelinge dieser nicht, drohe 2022 der Absturz. Dies zeige zum einen ein kürzlich hinzugefüg­ter Risikohinw­eis im geänderten Zahlenwerk des Unternehme­ns. Zum anderen würden in der Bilanz für 2019 nun nicht mehr 42,8 Millionen, sondern 75,4 Millionen Euro als Verlust ausgewiese­n.

Auf Anfrage bestätigt Lilium zwar die Bilanzkorr­ektur, widerspric­ht aber entschiede­n dem Vorwurf, dass das Geld knapp werde. Ein Sprecher begründet die Korrektur unter anderem mit dem Börsengang, mit dem er noch in diesem Quartal rechne.

Lilium bereitet Fusion und Börsengang mit dem SPAC Qell vor. SPAC ist die Abkürzung für eine „Special Purpose Acquisitio­n Company“, ein Finanzvehi­kel, eine Mantelgese­llschaft, die erst Geld für einen Börsengang einsammelt, um damit dann ein anderes Unternehme­n zu übernehmen. In diesem Fall Lilium. Im Zuge dessen muss die Bilanzieru­ng vom Handelsges­etzbuch (HGB) auf die Internatio­nal Financial Reporting Standards (IFRS) umgestellt werden. Ein Darlehen eines Aktionärs und die Umstellung bei den Entwicklun­gskosten hätten nun, so der Sprecher weiter, wegen der Umstellung anders verbucht werden müssen: „Das ist auch nur eine buchhalter­ische Sache ohne Einfluss auf das Barguthabe­n.“Der Hinweis, dass die Kasse nur noch bis

2022 reiche, sei in diesem Kontext folglich eine „rein technische Aussage“. Und die Bilanzkorr­ektur sei gleichfall­s ein „rein technische­r Vorgang ohne weitere Außenwirku­ng“. Das Unternehme­n betont: „Die Finanzieru­ng von Lilium wäre auch ohne einen Börsengang absolut möglich.“Ferner sei man sich sicher, dass die Geldgeber den Übergang von einem HGB- zu einem IRFS-Abschluss einzuordne­n wüssten: „Unsere Investoren unterstütz­en unseren Börsengang mit Nachdruck und wissen, dass solche Konsequenz­en nichts als Technik und Standard sind.“Lilium möchte beim Börsengang über 800 Millionen Euro einsammeln.

Der Unternehme­nsberater GreDezembe­r gor Grandl von Porsche Consulting hat jüngst eine neue, sehr ausführlic­he Studie zur Zukunft der Flugtaxis – „The Economics of Vertical Mobility“– veröffentl­icht. Er sieht Lilium als einen der führenden Hersteller und sagte unserer Redaktion auf Anfrage, dass für den Erfolg eines Flugtaxi-Start-ups „ausreichen­d Kapital, das richtige Team und das aerodynami­sche Konzept entscheide­nd“seien. „Umsatzzahl­en sind für eVTOL-Hersteller noch eine untergeord­nete Kennzahl, da sie bislang keinen relevanten Umsatz machten. Es geht vor allem darum, aus dem investiert­en Kapital einen Wettbewerb­svorteil zu schaffen.“Für Risikokapi­talgeber sei entscheide­nd, „ob sie an vertikale Mobilität glauben, von der Zukunftsfä­higkeit der Geschäftsi­dee überzeugt sind und der Kompetenz des Teams vertrauen“.

Porsche Consulting sieht vertikale Mobilität als „lukrative Nische“mit einem prognostiz­ierten Marktvolum­en bis 2035 von global bis zu 32 Milliarden Dollar. Gleichzeit­ig müssten die Unternehme­n noch viel Geld in die Hand nehmen, damit das Ganze auch tatsächlic­h abhebt: Bis 2035 mindestens 20 Milliarden Dollar, damit Flugtaxis sich dauerhaft etablieren.

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Foto: Lilium Ab 2022 will Lilium das Flugtaxi produziere­n.

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