Augsburger Allgemeine (Land West)
Unruhige Startphase
Mobilität Lilium werden gute Chancen eingeräumt, im Rennen der Flugtaxis vorne mit dabei zu sein. Gerade aber macht das Start-up nicht durch Fortschritt Schlagzeilen. Droht das Geld knapp zu werden? Das Unternehmen widerspricht entschieden
Weßling Damit die Flugtaxis irgendwann in den nächsten Jahren mit Passagieren abheben und Gewinn bringen können, brauchen die Unternehmen zunächst viel Geld und Investoren, die dieses zur Verfügung stellen. Geld und Vertrauen, dass sich die Investition auszahlt.
Damit rechnen auch die Investoren von Lilium, einem Start-up aus Weßling bei München, dem von Fachleuten im Rennen um die Mobilität der Zukunft gute Chancen eingeräumt werden, ganz vorne mit dabei zu sein. Lilium wurde 2015 von Absolventen der TU München gegründet, arbeitet an einem Jet für sieben Personen, der Baubeginn ist für kommendes Jahr avisiert und 2024 sollen die ersten Passagiere zusteigen können. Derzeit wird der Börsengang vorbereitet.
In diesen Tagen hat das Unternehmen allerdings nicht mit technischem Fortschritt Schlagzeilen gemacht. Die Welt am Sonntag schrieb, Lilium habe rückwirkend die Bilanz korrigieren müssen, sein Schicksal hänge am geplanten Börsengang. Gelinge dieser nicht, drohe 2022 der Absturz. Dies zeige zum einen ein kürzlich hinzugefügter Risikohinweis im geänderten Zahlenwerk des Unternehmens. Zum anderen würden in der Bilanz für 2019 nun nicht mehr 42,8 Millionen, sondern 75,4 Millionen Euro als Verlust ausgewiesen.
Auf Anfrage bestätigt Lilium zwar die Bilanzkorrektur, widerspricht aber entschieden dem Vorwurf, dass das Geld knapp werde. Ein Sprecher begründet die Korrektur unter anderem mit dem Börsengang, mit dem er noch in diesem Quartal rechne.
Lilium bereitet Fusion und Börsengang mit dem SPAC Qell vor. SPAC ist die Abkürzung für eine „Special Purpose Acquisition Company“, ein Finanzvehikel, eine Mantelgesellschaft, die erst Geld für einen Börsengang einsammelt, um damit dann ein anderes Unternehmen zu übernehmen. In diesem Fall Lilium. Im Zuge dessen muss die Bilanzierung vom Handelsgesetzbuch (HGB) auf die International Financial Reporting Standards (IFRS) umgestellt werden. Ein Darlehen eines Aktionärs und die Umstellung bei den Entwicklungskosten hätten nun, so der Sprecher weiter, wegen der Umstellung anders verbucht werden müssen: „Das ist auch nur eine buchhalterische Sache ohne Einfluss auf das Barguthaben.“Der Hinweis, dass die Kasse nur noch bis
2022 reiche, sei in diesem Kontext folglich eine „rein technische Aussage“. Und die Bilanzkorrektur sei gleichfalls ein „rein technischer Vorgang ohne weitere Außenwirkung“. Das Unternehmen betont: „Die Finanzierung von Lilium wäre auch ohne einen Börsengang absolut möglich.“Ferner sei man sich sicher, dass die Geldgeber den Übergang von einem HGB- zu einem IRFS-Abschluss einzuordnen wüssten: „Unsere Investoren unterstützen unseren Börsengang mit Nachdruck und wissen, dass solche Konsequenzen nichts als Technik und Standard sind.“Lilium möchte beim Börsengang über 800 Millionen Euro einsammeln.
Der Unternehmensberater GreDezember gor Grandl von Porsche Consulting hat jüngst eine neue, sehr ausführliche Studie zur Zukunft der Flugtaxis – „The Economics of Vertical Mobility“– veröffentlicht. Er sieht Lilium als einen der führenden Hersteller und sagte unserer Redaktion auf Anfrage, dass für den Erfolg eines Flugtaxi-Start-ups „ausreichend Kapital, das richtige Team und das aerodynamische Konzept entscheidend“seien. „Umsatzzahlen sind für eVTOL-Hersteller noch eine untergeordnete Kennzahl, da sie bislang keinen relevanten Umsatz machten. Es geht vor allem darum, aus dem investierten Kapital einen Wettbewerbsvorteil zu schaffen.“Für Risikokapitalgeber sei entscheidend, „ob sie an vertikale Mobilität glauben, von der Zukunftsfähigkeit der Geschäftsidee überzeugt sind und der Kompetenz des Teams vertrauen“.
Porsche Consulting sieht vertikale Mobilität als „lukrative Nische“mit einem prognostizierten Marktvolumen bis 2035 von global bis zu 32 Milliarden Dollar. Gleichzeitig müssten die Unternehmen noch viel Geld in die Hand nehmen, damit das Ganze auch tatsächlich abhebt: Bis 2035 mindestens 20 Milliarden Dollar, damit Flugtaxis sich dauerhaft etablieren.