Augsburger Allgemeine (Land West)

Söder beim Klimaschut­z zwischen allen Stühlen

Regierungs­erklärung Der Ministerpr­äsident stellt im Landtag ein milliarden­schweres Programm vor und erntet Kritik von zwei ganz unterschie­dlichen Seiten. Aber auch CSU und Freie Wähler sind sich offenbar noch längst nicht einig

- VON ULI BACHMEIER UND MARLENE WEYERER

München Markus Söder legt sich mächtig ins Zeug, um die ganze Dramatik der Klimakrise zu beschreibe­n. Er sagt: „Wir stehen an der Schwelle epochaler Veränderun­gen.“Er geißelt die Kritiker: „Der Rat der Wissenscha­ft ist einhellig. Wer die Klimaverän­derungen leugnet, versündigt sich an der nächsten Generation.“Er fordert: „Wir müssen noch einen Zahn zulegen.“Andernfall­s sei irgendwann der Moment erreicht, an dem es kein Zurück mehr gebe. Und er verspricht, den Klimaschut­z sozial verträglic­h und wirtschaft­sfreundlic­h zu gestalten. Doch am Ende seiner Regierungs­erklärung, bei der er ein bayerische­s Milliarden­programm für den Klimaschut­z ankündigt, erntet er von CSU und Freien Wählern nicht viel mehr als pflichtgem­äßen Applaus. Und aus den Reihen der Opposition hagelt es Kritik.

Es ist unübersehb­ar an diesem

im Bayerische­n Landtag: Der Ministerpr­äsident und CSUChef sitzt im Streit um den Klimaschut­z zwischen allen Stühlen. Da ist ganz rechts die AfD, die von einer „Klima-Hysterie“spricht und das Ziel eines klimaneutr­alen Bayern für eine „Wahnidee“hält. Da ist die FDP, die zwar die Klimakrise nicht leugnet, deren Fraktionsc­hef Martin Hagen aber die bisherigen Anstrengun­gen im Klimaschut­z einen „Irrweg aus Planwirtsc­haft und Symbolpoli­tik“nennt.

Auf der anderen Seite im Plenarsaal des Landtags sitzen jene, die deutlich mehr Klimaschut­z wollen. SPD-Fraktionsc­hef Florian von Brunn urteilt über Söders Programm kurz und knapp: „Es reicht nicht aus.“Klimaschut­z sei auch eine soziale Aufgabe. „Politische Werbung alleine, selbst wenn sie oscarreif inszeniert ist, wird den Herausford­erungen nicht gerecht.“Die Grünen legen noch eine Schippe drauf. „Was Sie hier abgeliefer­t haben, Herr Ministerpr­äsident, das ist

Witz auf Kosten der nächsten Generation“, sagt der Umweltpoli­tiker Martin Stümpfig. GrünenFrak­tionschef Ludwig Hartmann attestiert Söder mangelnde Führungsst­ärke und schlägt ihm vor, bei dem baden-württember­gischen Ministerpr­äsidenten Winfried Kretschman­n (Grüne) ein Praktikum zu machen. Derlei Kritik und Polemik beeindruck­en Söder normalerwe­ise nicht. Sein eigentlich­es Problem sind nicht die Opposition­s-, sondern die Regierungs­parteien. Die Fraktionsc­hefs von CSU und Freien Wählern, Thomas Kreuzer und Florian Streibl, bemühen sich zwar nach Kräften, in der Debatte Geschlosse­nheit zu demonstrie­ren. Doch Söders Klimaschut­zprogramm sieht man an, dass in Kernfragen wie in der Energiepol­itik noch einiger Dissens besteht.

Beispiel Sonnenener­gie: Söder ist von seiner Forderung nach einer Solarpflic­ht bei Neubauten und Dachsanier­ungen abgerückt. Sein Stellvertr­eter, Wirtschaft­sminister HuVormitta­g bert Aiwanger (Freie Wähler), war strikt dagegen. Söder will nun zunächst auf Bundeseben­e versuchen, sein erklärtes Ziel durchzuset­zen.

Auch bei der Windkraft bewegt sich wenig. Hier kommt der größte Widerstand gegen einen weiteren Ausbau aus der CSU. Zwar soll die 10-H-Mindestabs­tandsregel für Windräder etwas gelockert werden. Söder rechnet sich das als Erfolg an. Mindestens 500 neue Windräder könnten durch eine Reform der Abstandsre­gel im Staatswald und auf Vorranggeb­ieten möglich gemacht werden, sagt er. Doch bisher sind noch nicht einmal nennenswer­te Schritte getan worden, um das bereits bestehende Ziel zu erreichen, im Staatswald 100 neue Windräder zu installier­en. Den größten Applaus aus der CSU gibt es in der Debatte für Fraktionsc­hef Kreuzer, als er betont, dass niemand den Bürgern gegen ihren Willen Windräder vor die Nase setzen dürfe.

Die Unstimmigk­eiten über die Energiepol­itik in der Regierungs­koein alition deutet Söder in seiner Rede zumindest an. „Ohne Stromleitu­ngen geht es nicht“, sagt er an die Adresse der Freien Wähler. „Ich möchte unter keinen Umständen einen Blackout für Bayern riskieren.“

Verständig­en konnte sich die Koalition allerdings in anderen Punkten. Die Zahl der Photovolta­ikanlagen auf staatliche­n Dächern soll von 340 auf 1300 steigen, die Förderung privater Anlagen verdoppelt werden. Die Regierung will 55000 Hektar Moorfläche­n sanieren beziehungs­weise wiedervern­ässen, den Waldumbau stärker fördern und ein Humus-Programm auflegen. Außerdem soll ein Holzbaupro­gramm gestartet werden und staatliche Neubauten sollen künftig grundsätzl­ich eine Klimafassa­de erhalten. Der Freistaat Bayern soll obendrein mehr Geld in E-Mobilität, Nahverkehr und Radwege stecken. Und es soll deutlich mehr Geld in die Klimaforsc­hung gesteckt werden – mit dem Schwerpunk­t Wasserstof­f.

 ?? Foto: M. Balk, dpa ?? Ministerpr­äsident Markus Söder legt sich bei seiner Regierungs­erklärung mächtig ins Zeug – doch am Ende erntet er von CSU und Freien Wählern nicht viel mehr als pflichtgem­äßen Applaus.
Foto: M. Balk, dpa Ministerpr­äsident Markus Söder legt sich bei seiner Regierungs­erklärung mächtig ins Zeug – doch am Ende erntet er von CSU und Freien Wählern nicht viel mehr als pflichtgem­äßen Applaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany