Augsburger Allgemeine (Land West)
Da bleibt einem ja die Spucke weg
Nach Japan zu gelangen ist schwierig. Kontrollen und bürokratische Hürden lauern überall. Dabei scheint das den Japanern selbst am unangenehmsten zu sein. Freundlichkeit gegenüber Gästen gehört zu deren Kultur, was verglichen mit der unsrigen etwas sehr Wohltuendes ist. Man trifft rund um die Olympischen Spiele nur höfliche Menschen. Bei aller Freundlichkeit sind die Japanerinnen und Japaner aber auch sehr gut organisiert, mancher mag es überorganisiert nennen. Keine Ecke, an der nicht ein freundlicher Helfer steht und einen irgendwohin schickt. Überall hängen Schilder voller Erklärungen und Pfeilen. Inmitten einer Pandemie ist das hilfreich. Auch da der hier verwendete PCR-Test, im Gegensatz zum kleinhirnmalträtierenden Nasenabstrich oder brechreizauslösenden Gaumenabstrich, auf einer Speichelprobe basiert.
Diese abzugeben ist aber nur auf den ersten Blick einfach. Wer genauer hinschaut, entdeckt einen komplexen Vorgang, der erklärt werden will. Am Flughafen müssen Reisende diesen Test überstehen, wollen sie das Land betreten.
An dieser Stelle wäre es gut, wenn Sie ihr Frühstück schon beendet hätten. Falls nicht, sollten sie später weiterlesen, es wird unappetitlich. Deshalb machen wir hier einen Absatz, auf dass Sie nachher schnell wieder zurückfinden.
Nun also der Speicheltest. Dafür soll ein Plastikröhrchen befüllt werden. Aber nicht irgendwie. Nein. Die Menge des Speichels muss die Linie erreichen, was gar nicht wenig ist. Auf kleinen Bildchen ist zu sehen, wie der Speichel nicht aussehen sollte. Blutig ist ganz schlecht. Zu blasig auch. Zu dünnflüssig ebenfalls, deshalb: vorher nichts trinken. Bröckchen stören nur, deshalb: vorher nichts essen. Wem angesichts dieser strengen Vorgaben die Spucke wegbleibt, für den hängen an den Wänden der kleinen Spuckkabinen Bilder von, kein Witz, Zitronen. Testen sie selbst: Das regt den Speichelfluss an. Ein prüfender Blick des geschulten Personals auf die so gesammelte Probe und das Röhrchen wandert, versehen mit einem Barcode, ins Labor. Wer nichts mehr hört, dessen Ergebnis war negativ.
Anfangs wird täglich getestet. Später dann alle vier Tage. Und wer mit seinem Arbeitsumfeld unzufrieden sein sollte, der denke kurz an die freundlichen Männer und Frauen, die in Tokio sitzen und Speichelproben auf die richtige Konsistenz prüfen.