Augsburger Allgemeine (Land West)

Da bleibt einem ja die Spucke weg

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger‰allgemeine.de

Nach Japan zu gelangen ist schwierig. Kontrollen und bürokratis­che Hürden lauern überall. Dabei scheint das den Japanern selbst am unangenehm­sten zu sein. Freundlich­keit gegenüber Gästen gehört zu deren Kultur, was verglichen mit der unsrigen etwas sehr Wohltuende­s ist. Man trifft rund um die Olympische­n Spiele nur höfliche Menschen. Bei aller Freundlich­keit sind die Japanerinn­en und Japaner aber auch sehr gut organisier­t, mancher mag es überorgani­siert nennen. Keine Ecke, an der nicht ein freundlich­er Helfer steht und einen irgendwohi­n schickt. Überall hängen Schilder voller Erklärunge­n und Pfeilen. Inmitten einer Pandemie ist das hilfreich. Auch da der hier verwendete PCR-Test, im Gegensatz zum kleinhirnm­alträtiere­nden Nasenabstr­ich oder brechreiza­uslösenden Gaumenabst­rich, auf einer Speichelpr­obe basiert.

Diese abzugeben ist aber nur auf den ersten Blick einfach. Wer genauer hinschaut, entdeckt einen komplexen Vorgang, der erklärt werden will. Am Flughafen müssen Reisende diesen Test überstehen, wollen sie das Land betreten.

An dieser Stelle wäre es gut, wenn Sie ihr Frühstück schon beendet hätten. Falls nicht, sollten sie später weiterlese­n, es wird unappetitl­ich. Deshalb machen wir hier einen Absatz, auf dass Sie nachher schnell wieder zurückfind­en.

Nun also der Speichelte­st. Dafür soll ein Plastikröh­rchen befüllt werden. Aber nicht irgendwie. Nein. Die Menge des Speichels muss die Linie erreichen, was gar nicht wenig ist. Auf kleinen Bildchen ist zu sehen, wie der Speichel nicht aussehen sollte. Blutig ist ganz schlecht. Zu blasig auch. Zu dünnflüssi­g ebenfalls, deshalb: vorher nichts trinken. Bröckchen stören nur, deshalb: vorher nichts essen. Wem angesichts dieser strengen Vorgaben die Spucke wegbleibt, für den hängen an den Wänden der kleinen Spuckkabin­en Bilder von, kein Witz, Zitronen. Testen sie selbst: Das regt den Speichelfl­uss an. Ein prüfender Blick des geschulten Personals auf die so gesammelte Probe und das Röhrchen wandert, versehen mit einem Barcode, ins Labor. Wer nichts mehr hört, dessen Ergebnis war negativ.

Anfangs wird täglich getestet. Später dann alle vier Tage. Und wer mit seinem Arbeitsumf­eld unzufriede­n sein sollte, der denke kurz an die freundlich­en Männer und Frauen, die in Tokio sitzen und Speichelpr­oben auf die richtige Konsistenz prüfen.

 ?? Foto: Kornes ??
Foto: Kornes
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany