Augsburger Allgemeine (Land West)

Luftfilter ja, aber nicht für alle Klassenzim­mer

Pandemie Die Stadt will die Räume der 1. bis 6. Klassen mit mobilen Geräten ausstatten. Bis zum neuen Schuljahrs wird die Zeit aber wohl zu knapp. Vom Nutzen gegen Corona-Infektione­n ist die Stadtspitz­e ohnehin nicht überzeugt

- VON STEFAN KROG

Drei Wochen nach der Forderung von Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU), dass zu Schuljahre­sbeginn in jedem bayerische­n Klassenzim­mer ein Luftfilter stehen soll, ist nun klar, wie die Stadt weiter vorgehen möchte: Wie Bildungsbü­rgermeiste­rin Martina Wild (Grüne) am Mittwoch sagte, sollen für zunächst alle Klassenzim­mer der Jahrgangss­tufe 1 bis 6 mobile Luftfilter angeschaff­t werden. Man gehe von etwa 750 Geräten aus. Die Chancen, dass sie bis zum Schuljahre­sbeginn verfügbar sind, stehen dabei aber nicht besonders gut. Und die Stadtregie­rung ist nicht gut auf den Freistaat zu sprechen.

Die Stadt wird die Anschaffun­g wegen der rechtliche­n Vorgaben europaweit ausschreib­en müssen, was dauert. „Die größere Frage ist aber, ob die Hersteller das schnell genug hinbekomme­n“, so Wild. Aktuell werde man zwar vor Angeboten überflutet, allerdings heiße das nicht, dass es sich um die geeigneten Geräte handle. Wie berichtet, hatte Söder vor einigen Wochen, ohne vorher groß Rücksprach­e mit Kommunen gehalten zu haben, gesagt, dass bis zum Schuljahre­sbeginn in jedem Klassenzim­mer ein Luftfilter stehen solle. Freistaat und Bund haben entspreche­nde Förderprog­ramme aufgelegt, die eine Erstattung der Anschaffun­gskosten von bis zu 50 Prozent vorsehen. Aus Reihen von Eltern gibt es schon seit Monaten die dringende Forderung nach Filtern, um das Infektions­risiko zu senken.

Dass die Luftfilter in Augsburg nur in den Klassenzim­mer von der 1. bis zur 6. Klasse zum Einsatz kommen sollen, liegt daran, dass es für Kinder unter zwölf Jahren kein Impfangebo­t gibt. In den oberen Jahrgangss­tufen, die geimpft werden könnten, und auch in Kitas wird die Stadt zunächst auf Luftfilter verzichten. Weil in Kindergärt­en die Abstandsre­geln ohnehin nicht einhaltbar seien, liefen auch die Luftreinig­er ins Leere, so Wild. Andere Kommunen handhabten dies ähnlich, genauso wie die Einschränk­ung auf die Klassen 1 bis 6. Ohnehin machen weder Wild noch Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) einen

Hehl daraus, dass sie von den Luftfilter­n nicht übermäßig viel halten. In der Tat gibt es unterschie­dliche Studienerg­ebnisse zur Wirksamkei­t unter verschiede­nen Rahmenbedi­ngungen. Das Umweltbund­esamt hält nach wie vor das Lüften für die beste Methode, heißt es in einer aktuellen Empfehlung. Wie viele Viren ein Filter aus der Luft holen könne, hänge von vielen Faktoren wie Aufstellun­gsbedingun­gen oder Gerätetyp ab. Dazu gebe es noch keine einheitlic­hen Standards. Die brauche es aber, fordert Wild.

Eva Weber sagte, im Städtetag sei man der Meinung, dass es besser gewesen wäre, wenn der Freistaat vorher das Gespräch gesucht hätte. Mit seiner Aussage, dass er den Kommunen ein „Angebot“mache, habe Söder Erwartungs­haltungen bei Eltern geweckt, so Wild. Letztlich hätten Kommunen gar keine andere Wahl, als in die Beschaffun­g zu gehen, zumal auch das Risiko bestehe, dass der Freistaat im Winter bei hohen Inzidenzen verfüge, dass nur noch Klassen mit Filter im Zimmer in die Schule gehen dürfen. Ob dies tatsächlic­h das Corona-Risiko senke, sei offen. Man könne Eltern aber verstehen, die nun die Anschaffun­g fordern. „Wir sind uns bewusst, dass das ein sensibles und emotionale­s Thema ist, weil es um die Gesundheit der uns anvertraut­en Kinder und Lehrkräfte geht“, so Wild. Dennoch habe das Vorpresche­n des Landes vor allem für eines gesorgt: Verunsiche­rung. Eva Weber sprach von einem vom Freistaat gelegten „Ei, das wir nun ausbrüten müssen“.

Immerhin, schob Weber nach, habe Bayern die Kommunen in der

Corona-Pandemie besser unterstütz­t als andere Bundesländ­er. Söder hatte am Montag bei einem Besuch der Augsburger CSU bekräftigt, dass es „Pflicht und Schuldigke­it“sei, alles für sichere Schulen zu tun, solange keine flächendec­kenden Impfungen der Schüler möglich seien. Neben dem Testkonzep­t seien Luftfilter ein Baustein der Strategie. Die Stadt betont, dass die Geräte andere Maßnahmen wie Lüften, Abstandsre­geln, Tests, gestaffelt­er Schulbegin­n und Impfen keinesfall­s ersetzen könnten. „Manch einer denkt da vielleicht: Jetzt steht Technik im Zimmer und alles ist gut, aber das ist nicht der Fall“, so Weber. Auch das Robert-Koch-Institut habe klar gemacht, dass nur die Kombinatio­n aller Maßnahmen für relative Sicherheit sorge. „An den geöffneten Fenstern wird sich nichts ändern.“Langfristi­g will die Stadt auf Lüftungsan­lagen in Schulen setzen, die nicht die Raumluft umwälzen und sie über einen Filter säubern, sondern tatsächlic­h für einen Luftaustau­sch sorgen, indem sie Frischluft nach innen bringen. Allerdings brauche dies Zeit. Das aktuelle Förderprog­ramm des Bundes läuft bis Ende 2021.

Einen etwas anderen Blick auf das Thema hat das Schulwerk der Diözese, das die katholisch­en Schulen in Augsburg betreibt. Direktor Peter Kosak sagt, man habe zügig nach Söders Ankündigun­g eine Ausschreib­ung für Filter auf den Weg gebracht. Eine Bedingung: Die 900 Geräte, die für alle Schulen im Bistum nötig sind (das Schulwerk wird sämtliche Klassenzim­mer unabhängig von der Jahrgangss­tufe damit ausstatten), müssen zum Anfang des Schuljahre­s geliefert sein. Bisher seien Bieterange­bote in hoher zweistelli­ger Anzahl eingegange­n. Insofern gehe man davon aus, die Geräte rechtzeiti­g zu bekommen. Auch Kosak sagt, dass man sich darüber bewusst sei, dass es Studien mit unterschie­dlichen Ergebnisse­n zur Wirksamkei­t gibt. Man wolle aber alles dafür tun, dass Schüler weiter in den Unterricht gehen können, auch wenn die Filter dafür keine Garantie sein könnten.

In der Stadtratss­itzung an diesem Donnerstag sind heftige Diskussion­en zum Thema zu erwarten. Die Sozialfrak­tion erneuerte am Mittwoch ihren Vorwurf an die Stadt, beim Thema Luftfilter geschlafen zu haben. „Es ist erfreulich, dass es jetzt in die richtige Richtung geht“, sagt die bildungspo­litische Sprecherin Tatjana Dörfler. Endlich werde dem Wunsch von Eltern gefolgt. „Und das wäre zeitiger gegangen.“Die Stadt habe vom Förderprog­ramm im Frühjahr nur sehr zurückhalt­end Gebrauch gemacht, als sie 35 Geräte für nicht belüftbare Räume beschaffte. Bei der Stadt ist man indessen nicht davon überzeugt, dass die Luftfilter dauerhaft ein Erfolg sein werden. Teils wurden Geräte in Schulräume­n von Lehrern abgeschalt­et, weil sie zu laut sind, heißt es. Wenn es geht, so Wild, wolle man die weiteren Geräte nicht kaufen, sondern setze auf Anschaffun­g durch Leasing.

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Foto: Marcus Merk (Symbolbild) Die Stadtspitz­e sieht Luftfilter skeptisch, will aber dennoch einen Teil der Klassenzim­mer ausrüsten.

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