Augsburger Allgemeine (Land West)
Luftfilter ja, aber nicht für alle Klassenzimmer
Pandemie Die Stadt will die Räume der 1. bis 6. Klassen mit mobilen Geräten ausstatten. Bis zum neuen Schuljahrs wird die Zeit aber wohl zu knapp. Vom Nutzen gegen Corona-Infektionen ist die Stadtspitze ohnehin nicht überzeugt
Drei Wochen nach der Forderung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dass zu Schuljahresbeginn in jedem bayerischen Klassenzimmer ein Luftfilter stehen soll, ist nun klar, wie die Stadt weiter vorgehen möchte: Wie Bildungsbürgermeisterin Martina Wild (Grüne) am Mittwoch sagte, sollen für zunächst alle Klassenzimmer der Jahrgangsstufe 1 bis 6 mobile Luftfilter angeschafft werden. Man gehe von etwa 750 Geräten aus. Die Chancen, dass sie bis zum Schuljahresbeginn verfügbar sind, stehen dabei aber nicht besonders gut. Und die Stadtregierung ist nicht gut auf den Freistaat zu sprechen.
Die Stadt wird die Anschaffung wegen der rechtlichen Vorgaben europaweit ausschreiben müssen, was dauert. „Die größere Frage ist aber, ob die Hersteller das schnell genug hinbekommen“, so Wild. Aktuell werde man zwar vor Angeboten überflutet, allerdings heiße das nicht, dass es sich um die geeigneten Geräte handle. Wie berichtet, hatte Söder vor einigen Wochen, ohne vorher groß Rücksprache mit Kommunen gehalten zu haben, gesagt, dass bis zum Schuljahresbeginn in jedem Klassenzimmer ein Luftfilter stehen solle. Freistaat und Bund haben entsprechende Förderprogramme aufgelegt, die eine Erstattung der Anschaffungskosten von bis zu 50 Prozent vorsehen. Aus Reihen von Eltern gibt es schon seit Monaten die dringende Forderung nach Filtern, um das Infektionsrisiko zu senken.
Dass die Luftfilter in Augsburg nur in den Klassenzimmer von der 1. bis zur 6. Klasse zum Einsatz kommen sollen, liegt daran, dass es für Kinder unter zwölf Jahren kein Impfangebot gibt. In den oberen Jahrgangsstufen, die geimpft werden könnten, und auch in Kitas wird die Stadt zunächst auf Luftfilter verzichten. Weil in Kindergärten die Abstandsregeln ohnehin nicht einhaltbar seien, liefen auch die Luftreiniger ins Leere, so Wild. Andere Kommunen handhabten dies ähnlich, genauso wie die Einschränkung auf die Klassen 1 bis 6. Ohnehin machen weder Wild noch Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) einen
Hehl daraus, dass sie von den Luftfiltern nicht übermäßig viel halten. In der Tat gibt es unterschiedliche Studienergebnisse zur Wirksamkeit unter verschiedenen Rahmenbedingungen. Das Umweltbundesamt hält nach wie vor das Lüften für die beste Methode, heißt es in einer aktuellen Empfehlung. Wie viele Viren ein Filter aus der Luft holen könne, hänge von vielen Faktoren wie Aufstellungsbedingungen oder Gerätetyp ab. Dazu gebe es noch keine einheitlichen Standards. Die brauche es aber, fordert Wild.
Eva Weber sagte, im Städtetag sei man der Meinung, dass es besser gewesen wäre, wenn der Freistaat vorher das Gespräch gesucht hätte. Mit seiner Aussage, dass er den Kommunen ein „Angebot“mache, habe Söder Erwartungshaltungen bei Eltern geweckt, so Wild. Letztlich hätten Kommunen gar keine andere Wahl, als in die Beschaffung zu gehen, zumal auch das Risiko bestehe, dass der Freistaat im Winter bei hohen Inzidenzen verfüge, dass nur noch Klassen mit Filter im Zimmer in die Schule gehen dürfen. Ob dies tatsächlich das Corona-Risiko senke, sei offen. Man könne Eltern aber verstehen, die nun die Anschaffung fordern. „Wir sind uns bewusst, dass das ein sensibles und emotionales Thema ist, weil es um die Gesundheit der uns anvertrauten Kinder und Lehrkräfte geht“, so Wild. Dennoch habe das Vorpreschen des Landes vor allem für eines gesorgt: Verunsicherung. Eva Weber sprach von einem vom Freistaat gelegten „Ei, das wir nun ausbrüten müssen“.
Immerhin, schob Weber nach, habe Bayern die Kommunen in der
Corona-Pandemie besser unterstützt als andere Bundesländer. Söder hatte am Montag bei einem Besuch der Augsburger CSU bekräftigt, dass es „Pflicht und Schuldigkeit“sei, alles für sichere Schulen zu tun, solange keine flächendeckenden Impfungen der Schüler möglich seien. Neben dem Testkonzept seien Luftfilter ein Baustein der Strategie. Die Stadt betont, dass die Geräte andere Maßnahmen wie Lüften, Abstandsregeln, Tests, gestaffelter Schulbeginn und Impfen keinesfalls ersetzen könnten. „Manch einer denkt da vielleicht: Jetzt steht Technik im Zimmer und alles ist gut, aber das ist nicht der Fall“, so Weber. Auch das Robert-Koch-Institut habe klar gemacht, dass nur die Kombination aller Maßnahmen für relative Sicherheit sorge. „An den geöffneten Fenstern wird sich nichts ändern.“Langfristig will die Stadt auf Lüftungsanlagen in Schulen setzen, die nicht die Raumluft umwälzen und sie über einen Filter säubern, sondern tatsächlich für einen Luftaustausch sorgen, indem sie Frischluft nach innen bringen. Allerdings brauche dies Zeit. Das aktuelle Förderprogramm des Bundes läuft bis Ende 2021.
Einen etwas anderen Blick auf das Thema hat das Schulwerk der Diözese, das die katholischen Schulen in Augsburg betreibt. Direktor Peter Kosak sagt, man habe zügig nach Söders Ankündigung eine Ausschreibung für Filter auf den Weg gebracht. Eine Bedingung: Die 900 Geräte, die für alle Schulen im Bistum nötig sind (das Schulwerk wird sämtliche Klassenzimmer unabhängig von der Jahrgangsstufe damit ausstatten), müssen zum Anfang des Schuljahres geliefert sein. Bisher seien Bieterangebote in hoher zweistelliger Anzahl eingegangen. Insofern gehe man davon aus, die Geräte rechtzeitig zu bekommen. Auch Kosak sagt, dass man sich darüber bewusst sei, dass es Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen zur Wirksamkeit gibt. Man wolle aber alles dafür tun, dass Schüler weiter in den Unterricht gehen können, auch wenn die Filter dafür keine Garantie sein könnten.
In der Stadtratssitzung an diesem Donnerstag sind heftige Diskussionen zum Thema zu erwarten. Die Sozialfraktion erneuerte am Mittwoch ihren Vorwurf an die Stadt, beim Thema Luftfilter geschlafen zu haben. „Es ist erfreulich, dass es jetzt in die richtige Richtung geht“, sagt die bildungspolitische Sprecherin Tatjana Dörfler. Endlich werde dem Wunsch von Eltern gefolgt. „Und das wäre zeitiger gegangen.“Die Stadt habe vom Förderprogramm im Frühjahr nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht, als sie 35 Geräte für nicht belüftbare Räume beschaffte. Bei der Stadt ist man indessen nicht davon überzeugt, dass die Luftfilter dauerhaft ein Erfolg sein werden. Teils wurden Geräte in Schulräumen von Lehrern abgeschaltet, weil sie zu laut sind, heißt es. Wenn es geht, so Wild, wolle man die weiteren Geräte nicht kaufen, sondern setze auf Anschaffung durch Leasing.