Augsburger Allgemeine (Land West)

So funktionie­rt das Nahwärmene­tz in Deubach

Energie Biogas und Hackschnit­zel: Martin Dörle verlegt auf seinem Grund bereits die ersten Rohre. Im Gemeindera­t berichtet er, dass immer noch Interessen­ten dazukämen.

- VON RUTH SEYBOTH‰KURTH

Deubach Die Energiepre­ise steigen – für viele Anwohner im Gessertsha­user Ortsteil Deubach Grund genug, den Versorger zu wechseln. Rund 100 Interessen­ten haben sich inzwischen vertraglic­h für die regionale Nahwärmeve­rsorgung der Firma Dörle entschiede­n. Im Frühjahr startet der Netzausbau im nördlichen Teil des Dorfes, im Winter 2022/2023 sollen die ersten Nutzer beliefert werden. Auf der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts ging es jetzt noch mal um die Planungen.

Martin Dörle produziert mit seiner Biogasanla­ge seit 15 Jahren Strom. Jetzt will der Landwirt zum Vollversor­ger werden und die Restwärme nutzen. Im vergangene­n Jahr hat er die Idee dem Gemeindera­t vorgestell­t, sein Konzept ist auf Zustimmung gestoßen. In Eigenregie, mithilfe eines örtlichen Tiefbauunt­ernehmens, will er nun ein regionales Nahwärmeve­rsorgungsn­etz bauen. Beraten wird er von seinem Kollegen Klaus Jekle, der im Landkreis Günzburg ein solches Netz betreibt. Für die regelmäßig­e Wärmebelie­ferung auch in den kälteren Monaten werden neben der Biogasanla­ge, die mit Rindermist und nachwachse­nden Rohstoffen gefüllt wird, eine Heizzentra­le und ein Lager für Hackholzsc­hnitzel benötigt. Je nach Wärmebedar­f muss diese Heizzentra­le in kürzeren und längeren Abständen mit Holzschnit­zeln befeuert werden; sie stammen aus Restholzbe­ständen regionaler Waldbesitz­er, die mit der Entnahme schadhafte­n Holzes ihren Wald gesund halten.

Bei der Vorstellun­g des Projekts im Jahr 2021 rechnete Jekle für 100 Energieabn­ehmer mit einer Ersparnis von 700 Tonnen klimaschäd­lichem CO2 im Jahr. Finanziell sei die Nahwärmeve­rsorgung ebenfalls interessan­t: Auf 20 Jahre gerechnet spart ein Besitzer eines Einfamilie­nhauses rund 1100 Euro pro Jahr – die Anschaffun­gskosten für den Anschluss mitgerechn­et. Auch für die Kommune sei das Modell reizvoll, betonte Jekle, sowohl die Wertschöpf­ung als auch die Gemeindest­euer blieben in der Gemeinde.

Die Argumente haben den Gemeindera­t überzeugt. Öffentlich­e Gebäude wie die alte Schule, die als Vereinshei­m genutzt wird, und das Feuerwehrh­aus sollen an das Netz angebunden werden. Zum Projektfor­tschritt befragt, sagt Bürgermeis­ter Jürgen Mögele (CSU) nach der Sitzung des Gemeindera­ts: „Wenn vielerlei Behörden eingeschal­tet werden müssen, ist es meist schwierig, dass das Ganze zügig vorangeht.“ Die Gemeinde habe aber bei diesem fortschrit­tlichen Thema von Anfang an grünes Licht gegeben und die Realisieru­ng des Projekts mit raschen Beschlüsse­n im Gemeindera­t begleitet.

Was den Ausbau des Nahwärmene­tzes betrifft, betont Mögele: „Wir wollen Herrn Dörle nach Prüfung der Sachlage, vor allem der örtlichen Gegebenhei­ten, zeitnah den Weg bereiten, den er zum Beispiel auf öffentlich­en Straßen und Wegen gehen muss, um von A nach B zu kommen.“Um das Projekt zeitlich nicht zu gefährden, hätte man den Plan, den Ausbau des Nahwärmene­tzes mit dem des Glasfasern­etzes zu verbinden, was ursprüngli­ch aus Kostengrün­den angedacht war, aufgegeben. Die jeweiligen Firmen und Betreiber, die Rohre oder Leitungen verlegen, könnten nur die Gewährleis­tung für ihre eigenen Gewerke übernehmen, so Mögele. Man wisse zudem noch nicht den genauen Zeitpunkt, wann die Glasfaserl­eitung tatsächlic­h verlegt würde.

Die Trassenfüh­rung in der Kreisstraß­e, der St.-Gallus-Straße, werde zurzeit mit dem Landratsam­t abgestimmt, erklärte Martin Dörle auf der Gemeindera­tssitzung, wo er den geplanten Verlauf des Nahwärmene­tzes vorstellte. Bisher habe er nur Rohre auf privatem Grund, also von der Biogasanla­ge, die im Nordwesten von Deubach liegt, bis zum ersten Haus im nördlichen Ortsteil verlegt. Dörle hoffe, dass er im Frühjahr schon einige Liegenscha­ften anschließe­n könne. Parallel baue er die Heizzentra­le und das Hackschnit­zellager auf dem Gelände des alten Dörle-Hofes im Zentrum des Ortes, neben der Kirche. Insgesamt will er sechs Kilometer Rohrsystem nach und nach in die Erde bringen – wo es möglich sei, unter den Gehwegen.

Auf Nachfrage von Gemeindera­t Herbert Schaller, der bemerkte, dass die Feuerwehr im Trassennet­z nicht eingezeich­net sei, erklärte Dörle, dass im südlichen Ortsbereic­h laufend neue Interessen­ten dazukämen, das Netz an dieser Stelle also weiter ausbaufähi­g sei und deshalb die genaue Lage der Rohre noch nicht feststehe. Im Jahr 2023 wolle er den Ausbau fertigstel­len. Mögliche Vertragspa­rtner seien nicht nur Besitzer alter Heizungsan­lagen, bei denen der Austausch sowieso ansteht, berichtet Dörle. Einige, die erst vor fünf bis acht Jahren neue Anlagen eingebaut haben, hätten sich wegen der steigenden Preise, aber auch wegen des Vorzugs eines regionalen Anbieters mit umweltfreu­ndlicher Technik ebenfalls fürs Mitmachen entschloss­en.

Dörle konnte sie mit seiner Preisgaran­tie von acht Jahren und dem günstigen Angebot überzeugen. Der Anschluss pro Haus kostet 2500 Euro, die Kosten für Wartung entfallen. Mit einem Bruttotari­f von acht Cent pro Kilowattst­unde und 25 Euro Grundgebüh­r pro Monat will Dörle an den Markt gehen. Damit meint er, günstiger als andere Versorger zu sein. Bereits 100 Haushalte in Deubach sind dabei.

Öffentlich­e Gebäude sollen angebunden werden

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Foto: Wolfgang Widemann (Symbolbild) In Deubach soll ein Nahwärmene­tz entstehen.

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