Augsburger Allgemeine (Land West)
Studie: Bayern hat nicht viel vom NeunEuroTicket
Verkehr In etlichen Landkreisen ist das Angebot an Verbindungen zu dünn.
Umsteigen schwer gemacht: Wer in Bayern sein Auto stehen lassen und im Sommer für drei Monate mit dem Neun-Euro-Ticket günstig mit Bus und Bahn fahren will, der hat es in einigen Landstrichen schwer. Unter den zehn Landkreisen mit dem deutschlandweit dünnsten Angebot finden sich sieben bayerische, darunter aber kein einziger in Bayerisch-Schwaben.
Das geht aus einer Auswertung der Allianz pro Schiene hervor, einem Zusammenschluss von Bahnunternehmen, Gewerkschaften und Umweltverbänden. Die Analyse liegt unserer Redaktion exklusiv vor. „Gerade die unterversorgten Landkreise in Bayern zeigen die Notwendigkeit, das Angebot von Bus und Bahn massiv auszubauen und nicht bloß auf zeitlich befristete Preisanreize zu setzen“, sagte der Chef der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, unserer Redaktion.
Das Schlusslicht der Tabelle bildet der Landkreis Dingolfing-Landau, wo nur 29 Prozent der Bevölkerung Zugang zu einem Basisangebot an Bus und Bahn haben. Zweitletzter in der Skala der Allianz pro Schiene ist der Kreis Straubing-Bogen, in dem nur 39 Prozent der Menschen eine Grundversorgung mit öffentlichem Nahverkehr haben. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt aller Landkreise und kreisfreien Städte verfügen 91,4 Prozent der Menschen über ein öffentliches Grundangebot.
„Bus und Bahn müssen in Bayern wieder zurück in die Fläche kommen. Bei der Reaktivierung von Schienenstrecken steht Bayern allerdings auf der Bremse“, beklagte Flege. Der Grund: Im Freistaat gelte das 1000-Fahrgäste-Kriterium. Das heißt, im Mittel müssen auf jedem Abschnitt 1000 Fahrgäste unterwegs sein, bevor eine Strecke wieder in Betrieb genommen wird. In ländlichen Gebieten ist das ein schwer zu erreichender Wert, wenn die Region nicht an eine große Stadt grenzt. Generell gilt, dass in Großstädten die Anbindung mit Bus und Bahn ordentlich bis gut ist. Von den Augsburgern etwa haben 99,9 Prozent die Möglichkeit, Bus oder Tram zu nehmen. Im Landkreis Augsburg trifft das auf 90 Prozent zu, was deutschlandweit für einen schwächeren Mittelfeldplatz reicht.
So gut sich das Neun-Euro-Ticket im ersten Moment anhört, so groß sind mittlerweile die Zweifel an dem Projekt. Die Eisenbahnergewerkschaft EVG zum Beispiel warnt, dass an Wochenenden oder Feiertagen Regionalzüge und Bahnhöfe aus allen Nähten platzen könnten. „Das Pfingstwochenende wird sicher eine große Herausforderung“, sagte EVG-Vize Martin Burkert. Das gelte im Freistaat vorwiegend für die Strecken Augsburg– Ulm, München–Traunstein und von Nürnberg aus in alle Richtungen. „Es bräuchte jedoch mehr Angebot und mehr Personal, um dem erwarteten Ansturm Herr zu werden“, verlangte der Gewerkschafter.
Gleichzeitig fürchten die Kommunen um die versprochenen, höheren Zuschüsse des Bundes. „Das Neun-Euro-Ticket muss der Startschuss sein, um massiv in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren. Ein Ausbau- und Modernisierungspakt wäre ein sichtbares Signal“, forderte der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy. Bislang vorgesehen hat die Koalition 3,7 Milliarden, wovon 2,5 Milliarden auf das Neun-Euro-Ticket entfallen. Nach Dedys Berechnungen müssten aber 1,7 Milliarden Euro hinzukommen, damit im Herbst das Angebot nicht zusammengestrichen wird, weil Strom und Diesel viel teurer geworden sind und wegen Corona wieder Passagiere fehlen. Die Länder drohen sogar damit, das Billigticket im Bundesrat zu stoppen. Auch sie glauben, dass die geplante Finanzierung nicht ausreicht.