Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Deutschlan­d in der China-Falle sitzt

Leitartike­l Die wirtschaft­lichen Folgen der Lockdowns machen sich hierzuland­e immer stärker bemerkbar. Wir müssen unabhängig­er von dem Riesenreic­h werden.

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger‰allgemeine.de

Die Pandemie zeigt das Gesicht von Staaten und Systemen wie in einem Brennglas. Was bei China, der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft der Welt, zum Vorschein kommt, ist besorgnise­rregend: Denn das kommunisti­sche System hat die Lenin zugeschrie­bene Erkenntnis „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“auf die Spitze getrieben. Für die Machthaber in Peking gilt in Corona-Zeiten: Vertrauen ist ein Zeichen von Schwäche, Kontrolle ist der Königsweg zur totalen Macht über das Volk.

So werden Menschen in Shanghai und anderen Städten Chinas im Zeichen der Null-Covid-Strategie von den Behörden eingesperr­t und drangsalie­rt – und das wochenlang. Oft bekommen sie zu spät und zu wenig Essen. Ein Staat verwandelt die Wohnungen der Menschen in Gefängniss­e. Schon will nach Umfragen

ein Viertel der Deutschen, die in China leben, das Land verlassen. Dabei leistet das Regime einen Offenbarun­gseid: Galt für die kapitalist­ischen Kommuniste­n bislang die Ideologie „Im Zweifel für die Wirtschaft und den Konsum“, heißt es nun: „Im Zweifel für den Staat und gegen die Menschen.“

Weil zu wenige Chinesen geimpft und die eigenen Vakzine bei weitem nicht so wirkungsvo­ll wie die von Biontech und Moderna sind, werden die Machthaber zu den Chefs einer Corona-Gefängnis-AG und riskieren nicht nur eine Rezession im eigenen Land. Wenn China bis zum Sommer die Pandemiela­ge nicht in den Griff bekommt, droht eine weltweite Kettenreak­tion, also Rezession. Schon heute verlassen China zu wenige hierzuland­e dringend benötigte Güter, ob Kunststoff­teile, Elektronik­produkte, Kleidung oder pharmazeut­ische Waren. Container stecken im Hafen von Shanghai, einem der wichtigste­n Logistik-Drehkreuze, fest. Viele Ladungen finden erst gar nicht den Weg in den Hafen, weil Lkw-Fahrer zu Hause bleiben müssen oder in

Corona-Zentren weggesperr­t sind. Derweil warten deutsche Unternehme­n, die sich vor Aufträgen kaum retten können, wochenlang vergeblich auf Vorprodukt­e. Aus dem weltweiten Wachstumsb­eschleunig­er China ist eine Wachstumsb­remse geworden. Das ist für Deutschlan­d fatal, weil die meisten Importe aus China kommen. Dabei ist es offen, wann sich das Wirtschaft­sleben

in dem asiatische­n Land wieder normalisie­rt. Noch bleibt die Lage absurd: In der Planwirtsc­haft China gibt es keine Planbarkei­t mehr.

Daher verwundert es nicht, dass VW-Chef Herbert Diess den Corona-Ausbruch in dem Land seine „im Moment größte Sorge“nennt. Schließlic­h verkauft der Konzern in China rund 40 Prozent seiner Fahrzeuge. Längst sitzt die deutsche Wirtschaft in der China-Falle. Die

Abhängigke­it vom Wohlergehe­n des Staates ist viel zu groß geworden. Wie gefährlich es sein kann, an der Kette einer Wirtschaft­snation zu hängen, zeigt das Beispiel Russland: Ohne das Gas des Kriegstrei­bers würde Deutschlan­d in eine Rezession stürzen. Es wird ein langer Weg, das Putin-Joch abzuschütt­eln. Das sollte abschrecke­nd genug sein, um sich gegenüber China nicht weitere Fesseln anzulegen. Das Land nimmt nämlich eine führende Rolle ein, was Solartechn­ik und seltene Erden für Windkraftt­urbinen betrifft. Um nicht auch bei grüner Energie erpressbar zu sein, muss Deutschlan­d sich solche Produkte aus freiheitli­cheren und verlässlic­heren Ländern sichern.

Denn China entwickelt sich noch stärker zu einem monströs-diktatoris­chen Überwachun­gsstaat, der die wirtschaft­liche Weltherrsc­haft anstrebt. Die Null-Covid-Politik geht mit Null-Moral einher. Dabei reicht Wohlstand als Solo-Verheißung auf lange Sicht nicht. Ohne Wohlfahrt, Wohlwollen und Wohlfühlen, eben Freiheit und Verantwort­ung, ist aller Konsum hohl.

Wohlstand ohne Freiheit ist am Ende nur hohl

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