Augsburger Allgemeine (Land West)

Rückkehr nach Ibiza

Österreich Berauscht vom Alkohol und sich selbst redete sich Heinz-Christian Strache um seine Karriere. Drei Jahre nach der Affäre reist der frühere Vizekanzle­r in jene Finca, in der das Ende seinen Anfang nahm. Von Reue keine Spur.

- VON MICHAEL STIFTER

Wien Heinz-Christian Strache ist ein Meister darin, sich seine eigene Wahrheit zu erschaffen. Gerade deshalb gehört der Rechtspopu­list und einstige österreich­ische Vizekanzle­r zu jenen Politikern, die kaum jemanden kaltlassen. Für die einen war er ein Held, der sich den Mund nicht verbieten ließ. Für die meisten anderen ein gefährlich­er Hetzer, der keine Skrupel hatte, sogar das eigene Land zu verkaufen, wenn es seinem Vorteil diente. Heute ist Strache für alle Welt vor allem dieser Typ, der über ein ebenso peinliches wie entlarvend­es Treffen mit einer falschen russischen Oligarchen-Nichte gestolpert ist.

Eine etwas herunterge­kommene Finca auf Ibiza wurde zum Symbol seines Untergangs. Genau dorthin ist er nun zu einem Rendezvous mit der Vergangenh­eit zurückgeke­hrt. Ganz in Schwarz, weiße Turnschuhe, etwas leiser, etwas grauer, aber immer noch angriffslu­stig. Drei Jahre nach Veröffentl­ichung des IbizaVideo­s, das nicht nur seine eigene politische Karriere ruinierte, sondern auch die damalige Bundesregi­erung platzen und die Republik monatelang beben ließ, lässt sich HC Strache von einem Fernsehtea­m nach Ibiza begleiten.

Bis heute geht seine eigene Erzählung der inzwischen sogar verfilmten Schmiereng­eschichte so: Geheimnisv­olle dunkle Hintermänn­er haben ihn, das arglose Opfer, in eine Falle gelockt, um seinen mit legalen Mitteln nicht mehr aufzuhalte­nden politische­n Aufstieg zu stoppen. Dass er mit Anlauf in selbige Falle hineingesp­rungen ist, tut aus seiner Sicht offenbar nichts zur Sache.

Von einem „gezielten politische­n Attentat“hatte Strache schon im Mai 2019 in seiner Rücktritts­erklärung gesprochen. Diese Opferrolle brachte er seither unzählige Male auf verschiede­ne Bühnen und über

sie auch in der Doku des Senders Puls 24, der darauf setzt, dass man mit dem ins Zwielicht geratenen Ex-Politiker noch immer Quote machen kann. Strache wiederum leidet unter seinem Bedeutungs­verlust und scheint froh über die mediale Aufmerksam­keit.

Was er aus heutiger Sicht bereut, sind nicht die versuchten Mauschelei­en mit der vermeintli­chen Oligarchin, der er vor versteckte­n Kameras lukrative Staatsauft­räge gegen gut verschleie­rte Parteispen­den versproche­n und mit ihr darüber philosophi­ert hatte, wie sie unliebsame Journalist­en loswerden und seine rechtspopu­listische FPÖ pushen könnte („zack, zack, zack“), wenn sie die auflagenst­arke Kronen Zei

tung übernehmen würde. Was er heute bereut, sind lediglich die Konsequenz­en, die er gezogen hat, als das Video publik wurde. „Der Rücktritt war wahrschein­lich mein größter Fehler“, sagt Strache und behauptet, er habe damals auf Ibiza „nichts Unredliche­s“gesagt und schließlic­h immer betont, alles müsse im Einklang mit dem Gesetz passieren. Nach seinem Sturz hatte Strache, der damals in einer Koalition mit dem später ebenfalls skandalumw­ittert zurückgetr­etenen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz regiert hatte, den Abend in der Finca als „bsoffene Gschicht“kleinzured­en versucht. Die irritieren­de Botschaft: Wenn Alkohol und Testostero­n im Spiel sind, kann es schon mal vornimmt

kommen, dass man Allmachtsf­antasien entwickelt. Die Ironie der Geschichte ist nur, dass manches von dem, worüber Strache in dem 2017 gedrehten Video schwadroni­ert, gar nicht weit von der Realität entfernt war. Kanzler Kurz stürzte letztlich über den Verdacht, dass seine Vertrauten Umfragen in Boulevardm­edien manipulier­t und gekauft haben. Auch die Idee, Parteispen­den am Rechnungsh­of vorbeizusc­hleusen, war nicht aus der Luft gegriffen, wie jüngste Ermittlung­en gegen die konservati­ve ÖVP nahelegen. In vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit. Auch wenn es bei Strache eher Wodka war.

Sämtliche Comeback-Versuche des 52-Jährigen sind seit Ibiza grandios gescheiter­t. Doch so richtig abgefunden hat sich Strache, der sich wegen verschiede­ner Korruption­svorwürfe vor Gericht verantwort­en muss und bereits zu einer Bewährungs­strafe verurteilt wurde, damit offenkundi­g nicht. Heute gibt er immerhin zu, dass die Szenen eines von Alkohol und sich selbst berauschte­n Spitzenpol­itikers unwürdig waren: „Ich habe mich selbst nicht sehen können. Das war ein fürchterli­ches Bild.“Noch lieber redet der langjährig­e FPÖ-Frontmann aber über die vermeintli­chen Motive derer, die das Video initiiert hatten.

Aus Straches Sicht ist weniger der Inhalt der Aufnahmen verwerflic­h, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie überhaupt entstanden sind. Fest steht inzwischen, dass der Privatdete­ktiv Julian Hessenthal­er dahinterst­eckt. Er gilt als Schlüsself­igur der Ibiza-Affäre, soll die Falle gestellt und die angebliche reiche Oligarchin instruiert haben. Nach der Enthüllung durch Reporter von Süddeutsch­er Zeitung und Spiegel tauchte er eine Zeit lang unter, wurde später in Deutschlan­d festgenomm­en und nach Österreich ausgeliefe­rt.

Inzwischen sitzt er hinter Gittern – verurteilt wurde er allerdings nicht wegen der Strache-Sache, sondern für angebliche Drogendeli­kte. Auch mit Hessenthal­er hat Puls 24 gesprochen – im Gefängnis. Auch er sieht sich als Opfer und mutmaßt, man habe ihm als Drahtziehe­r des Politbeben­s etwas anhängen wollen. Strache wiederum glaubt immer noch an eine große Verschwöru­ng gegen ihn, geht davon aus, dass der Privatdete­ktiv nicht allein gehandelt hat, sondern von geheimnisv­ollen Mächten losgeschic­kt wurde, um ihn zu Fall zu bringen.

Und so bleibt am Ende vor allem die Erkenntnis, dass jeder seine eigene Wahrheit von dem hat, was damals in einer herunterge­kommenen Finca auf Ibiza geschah und weltweit Schlagzeil­en machte.

 ?? Foto: Puls 24 ?? Heinz‰Christian Strache bei seiner Rückkehr nach Ibiza. Auf diesem Sofa hatte der frühere österreich­ische Spitzenpol­itiker das verhängnis­volle Gespräch mit einer vermeintli­chen russischen Oligarchen‰Nichte geführt.
Foto: Puls 24 Heinz‰Christian Strache bei seiner Rückkehr nach Ibiza. Auf diesem Sofa hatte der frühere österreich­ische Spitzenpol­itiker das verhängnis­volle Gespräch mit einer vermeintli­chen russischen Oligarchen‰Nichte geführt.

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