Augsburger Allgemeine (Land West)

Verdacht gegen Wiesn‰Wirte vom Tisch

Prozess Es ging um Bier- und Hendl-Gutscheine fürs Oktoberfes­t, einen dubiosen Polizeiver­ein und weitere Merkwürdig­keiten. Vater und Sohn mussten sich vor Gericht verantwort­en.

- VON ULI BACHMEIER

„In Grünwald im Isartal, glaubt es mir, es war einmal, da ham brave Wirtsleut’ g’wohnt, die ham die Polizei mit Bier belohnt.“So ließe sich, frei nach Karl Valentin, diese Kriminalge­schichte einleiten, die am Mittwoch vor dem Amtsgerich­t München für die Wiesnwirte Toni und Thomas Roiderer ein einigermaß­en versöhnlic­hes Ende fand. Die Geldstrafe wegen Vorteilsge­währung in Gestalt von Bier- und Hendl-Gutscheine­n fürs Oktoberfes­t ist vom Tisch. Das Verfahren gegen Vater und Sohn wurde gegen eine Geldauflag­e von jeweils 10.000 Euro eingestell­t.

Münchner Wiesnwirte­n ist ja, zumindest nach landläufig­er Meinung, einiges zuzutrauen. Spätestens seit Wirte-Legende Richard Süßmeier es offen ausgesproc­hen hat, wird ihnen dreist unterstell­t, dass sie aus einem Brathendl drei halbe machen können. Böse Zungen behaupten sogar, dass sie aus einem 200-LiterFass 250 Mass Bier rausbekomm­en.

Dass so ein Wirt nicht einfach nur nett sein kann und Dankeschön sagen will, hat sich offenbar auch die Staatsanwa­ltschaft München II gedacht, als sie im Zuge von Korruption­sermittlun­gen gegen einen früheren Chef der Polizeiins­pektion Grünwald auf die Sache mit den Bier- und Hendl-Gutscheine­n stieß. Regelmäßig ließen die Roiderers dort kurz vor dem Oktoberfes­t ein Packerl Gutscheine abgeben. Es trug die Aufschrift „Viel Spaß auf der Wiesn wünscht Familie Roiderer“und enthielt je einen Bier- und einen Hendl-Gutschein für jeden Beamten auf der Dienststel­le. Gesamtwert in den Jahren 2014 bis 2018 laut Anklage: 4.028,59 Euro.

Für Toni Roiderer, 78, hatte das Tradition. Das sei ganz normal gewesen, schon über 30 Jahre lang, versichert­e er Amtsrichte­r Wilfried Dudek. In München beim Oktoberfes­t sei das schließlic­h auch so. Da habe es von allen Wirten Gutscheine nicht nur für die Polizisten der Wiesn-Wache, sondern auch für Sanitäter vom Roten Kreuz, den Oberbürger­meister, für die WiesnStadt­räte von CSU und SPD sowie für die Mitarbeite­r des SecurityPo­ints gegeben. Und auch bei sich daheim, in der Gaststätte Wildpark in Straßlach, halte er das mit den kleinen Geschenken nicht anders. Da bekämen zur Wiesn nicht nur die Polizisten etwas, sondern auch die Feuerwehr, die Zeitungstr­ägerin und der Postbote. „Das ist nur eine Anerkennun­g, kein Versuch der Vorteilsna­hme“, sagte Roiderer, „weil das in Bayern so üblich ist.“

Was Vater und Sohn Roiderer nach eigenen Angaben nicht wussten, war, dass es den Polizisten auf dem Oktoberfes­t durch eine Sondergene­hmigung des Polizeiprä­sidiums München ausdrückli­ch erlaubt war, Gutscheine anzunehmen, in Grünwald und anderswo aber nicht. Und sie konnten offenbar auch nicht ahnen, dass die Staatsanwa­ltschaft nach einer anonymen Anzeige gegen den Dienststel­lenleiter in Grünwald auf allerlei Merkwürdig­keiten stoßen würde – etwa auf den „Kameradsch­aftsund Unterstütz­ungsverein der Polizei Isartal“(kurz: „Kupolis“). Der Verein war irgendwann in den späten 90er Jahren gegründet worden, angeblich, um Polizisten in Not zu unterstütz­en. Im Zuge der Ermittlung­en aber geriet der Verein in den Verdacht, zur Verschleie­rung von „Umgehungsg­eschäften“zu dienen. Geschenke wurden zwar in der Dienststel­le abgegeben, gingen aber an den Verein und kamen offenbar über Umwege wieder den

Beamten zugute. Der Ex-Dienststel­lenleiter, der wegen einer Reihe kleinerer Delikte rechtskräf­tig zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, soll dabei eine zentrale Rolle gespielt haben. Er hatte auch – etwa wegen Weihnachts­feiern der Polizei im „Wildpark“oder wegen Besuchen in der Hausbox im Hacker-Zelt der Roiderers – engeren Kontakt zu Thomas Roiderer, 44. Er informiert­e ihn sogar darüber, wie er als Zeuge bestätigte, wenn die Polizei mal gegen Auszubilde­nde in dem Gastronomi­ebetrieb ermittelte – unaufgefor­dert und aus Gründen der Prävention, wie er beteuerte. Dazu sagte Roiderer junior: „Er wollte, dass ich ihm helfe, nicht er mir.“

Einen kompletten Freispruch zu erwirken – wie kürzlich im ähnlich gelagerten Fall des Wiesnwirt-Ehepaars Margot und Günter Steinberge­r – war für die Verteidige­r Ulrich Ziegert und Maximilian Pauls wegen der besonderen Umstände nicht so einfach möglich. Die Staatsanwä­ltin beharrte darauf, dass der Fall schon ein klein wenig anders sei. Der anfänglich­e Verdacht der Vorteilsge­währung aber bestätigte sich nicht. Alle Beteiligte­n stimmten der Einstellun­g des Verfahrens zu. Jetzt überweisen die Roiderers je 10.000 Euro an die Münchner Tafel.

 ?? Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d (Symbolbild) ?? Gutscheine für Hendl und Bier für Polizisten – für einen bayerische­n Wirt, der sich vor Gericht verantwort­en musste, ist dies nur eine gute Tradition, eine Anerkennun­g. Ob man das so sehen kann, darüber musste nun in einem Prozess entschiede­n werden.
Foto: Karl‰Josef Hildenbran­d (Symbolbild) Gutscheine für Hendl und Bier für Polizisten – für einen bayerische­n Wirt, der sich vor Gericht verantwort­en musste, ist dies nur eine gute Tradition, eine Anerkennun­g. Ob man das so sehen kann, darüber musste nun in einem Prozess entschiede­n werden.
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Toni Roiderer

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