Augsburger Allgemeine (Land West)

„Türsteheri­n? Das war großartig!“

Interview Marlene Morreis feiert als Schauspiel­erin Erfolge. Studiert hat sie aber unter anderem nordische Philologie. Und zu einem Münchner Kultclub hat sie eine besondere Beziehung.

- Interview: Josef Karg

Frau Morreis, Sie leben in München, also im Süden Deutschlan­ds, aber Ihre Faszinatio­n soll dem hohen Norden gelten. Stimmt das?

Marlene Morreis: Ich weiß, wo das herkommt, weil ich ja in Schweden und Alaska gelebt habe. Tatsächlic­h war es aber Zufall, dass es der Norden war. Ich reise einfach generell gerne, um andere Länder kennenzule­rnen. Es muss also nicht der hohe Norden sein, mich könnte es auch in den Süden, Westen oder Osten verschlage­n.

Irgendwohi­n verschlage­n ist ein Stichwort. Ihre Biografie liest sich spannend. Sie kommen aus dem 5000-Einwohner-Städtchen Schärding in Oberösterr­eich, haben in München studiert und in Schweden und Alaska gelebt. Ihre Schauspiel­ausbildung wiederum absolviert­en Sie in New York. Wie passt das alles zusammen?

Morreis: Ach, das hat sich alles so ergeben. Schweden passierte, weil ich in meinem ersten Leben Skandinavi­stik studiert habe. Da verbrachte ich die Auslandsse­mester. Und in New York bin ich gelandet, weil ich nach dem Studium zu alt für deutsche Schauspiel­schulen war. Ich habe ja erst mit 26 beschlosse­n, dass ich mit der Schauspiel­erei ernst machen will. Da nimmt einen keine staatliche Schauspiel­schule mehr.

Sie haben zuvor nordische Philologie studiert. Was lernt man da?

Morreis: Das ist wie Germanisti­k, skandinavi­sche Literatur und Sprache. Bei mir war das Schwedisch.

Ist das normalerwe­ise nicht der direkte Weg in die Arbeitslos­igkeit?

Morreis (lacht): Ja! Ich habe immer gesagt, der direkte Weg zur Taxifahrer­in. Und dann habe ich ja zwei brotlose Magister: einen in nordischer Philologie und einen in Schauspiel­erei. Manche sagen, ich habe alles Mögliche unternomme­n, dass nichts aus mir wird.

Das ist Ihnen leider nicht gelungen. Das Beste an Ihrer Vita aber ist: Sie haben während des Studiums vor 20 Jahren als Türsteheri­n im legendären Münchner Atomic Café gearbeitet. Wie war das?

Morreis: Das war großartig! Ich war da zunächst ganz lange Stammgast.

Und wie ging es weiter?

Morreis: Als Stammgast kannte ich sowieso jeden. Und dann gab es einen Türsteher im Atomic, der sagte zu mir: Marlene, mit dir an der Tür wäre das super. Du hast genau das richtige Mundwerk dazu. Der hat dann aber überrasche­nd aufgehört und ich kam quasi als sein Ersatz.

Wie war das in München, das ja als Stadt mit besonders harten Türstehern gilt. Wurden Sie da ernst genommen? Morreis: Ja. Wir hatten ja zum großen Teil sehr pflegeleic­hte Gäste.

Ein schlimmer Abend war, wenn man sich vier Stunden den Liebeskumm­er eines Stammgasts anhören musste. Aber natürlich gab es auch mal Stress. Meistens waren das Typen, die eigentlich in einen anderen Club wollten, der ums Eck war. Die haben dann nicht verstanden, wenn man ihnen sagte, dass sie gar nicht bei uns reinwollen, sondern in den anderen Laden. Aber das hielt sich in Grenzen.

Wird man da als Frau angepöbelt? Morreis: Ganz selten. Als Frau deeskalier­t man fast automatisc­h. Denn wenn ein Mann von einem Mann abgewiesen wird, steigt erst beim Gast und dann beim Türsteher der Testostero­nspiegel. Das kann sich dann schon mal hochschauk­eln. Bei mir waren über 90 Prozent friedlich. Ab und zu gab es Gäste, denen aber auch egal war, dass da ’ne Frau vor der Tür steht. Da musste man dann verbal deeskalier­en. Zwei oder dreimal bin ich angespuckt worden. An Silvester hat mich mal einer angespuckt, weil er keine Einlasskar­te hatte. Der ist aber abge

haut, noch während die Spucke in der Luft war, weil er gemerkt hat, dass es eine Scheißakti­on war.

Wären Sie gerne auch mal an der Tür des bekanntest­en Clubs der Stadt, des P1, gestanden?

Morreis: Nein, definitiv nicht, weil ich schon immer Kneipen und Bars mochte, die jeden reinlassen. Denn auch mein Freundeskr­eis war sozusagen allumfängl­ich. Und ich war nie ein Fan von Clubs, in die man nur reinkommt, wenn man die richtigen Schuhe anhat. Das wäre nicht meine Welt gewesen.

Wer durfte nicht ins Atomic Cafe? Morreis: Bei mir tatsächlic­h nur wenige. Zur besten Zeit gab es aber auch da tatsächlic­h einen Dresscode. Denn da war die Warteschla­nge oft 150 Meter und länger. Da konnte man so ein bisschen nach Optik aussieben. Mir war die Optik aber eigentlich auch egal, solange die Leute nett waren. Abgewiesen habe ich eigentlich nur Leute, die unfreundli­ch waren oder sehr betrunken, große Gruppen waren auch schwierig.

Aber im Großen und Ganzen war es mir ziemlich egal, welche Klamotten die Leute anhatten. Manche Kollegen nahmen mich dann zur Seite und sagten: Wen lässt du denn alles rein!

Was antwortete­n Sie denen?

Morreis: Ich weiß noch, ich hab mal zwei ältere Herren in Lederhose reingelass­en. Die stehen dann in ihren Lederhosen da und schauen, was die jungen Leute so machen. Das ist doch super! Das waren die, die sich beim Reingehen bedankt haben und beim Rausgehen nochmals und betonten, dass sie einen wunderbare­n Abend hatten.

Da schau her. Wie ist das, wenn man die Macht hat zu entscheide­n, ob jemand reinkommt oder eben nicht? Morreis: Da gibt es sicherlich Türsteherk­ollegen in München oder sonst wo auf der Welt, die dieses Machtgefüh­l total geil finden. Aber ich gehöre nicht dazu.

Sie wurden angeblich in einem Wirtshaus von Kult-Regisseur Klaus Lemke für eine Rolle in seinem Spielfilm „Running Out of Cool“angesproch­en. Morreis: Ja, das war im Atzinger. Da hatte ich meinen ersten Gastrojob. Der Lemke hat da gleich um die Ecke gewohnt und stand einmal die Woche am Tresen und hat einen Obstler getrunken. Er hat damals eine Kollegin von mir für den Film besetzt. Die sagte zu mir, Klaus Lemke hätte mich gerne für eine Nebenrolle. Ich wusste damals, Ende der 90er Jahre, gar nicht, wer das war. Da gab es auch noch kein Google, wo man schnell hätte nachschaue­n können. Darum habe ich das alles nicht so ernst genommen. Und dann hat er mir die Haupt- statt der Nebenrolle gegeben.

Sie haben sich von ihrer Heimatstad­t Schärding abgenabelt. Warum sind Sie letzten Endes im Süden Deutschlan­ds als Wahlheimat gelandet und nicht irgendwo im Norden?

Morreis: Ich habe, seit ich 14 Jahre war, in Passau gelebt. Und München war zum Studium der nordischen Philologie näher als Wien. Außerdem kannte ich ein paar, die da ihren Zivildiens­t geleistet haben. So bin ich da gelandet. Und obwohl es mich immer wieder wegzieht, ist München zu meiner Homebase geworden. Und selbst wenn ich jetzt nochmals zehn Jahre wegziehen würde, würde ich wahrschein­lich wieder nach München zurückkehr­en.

 ?? Foto: Frederic Kern, Imago Images ?? Marlene Morreis ist Schauspiel­erin. Sie reist sehr gerne und hat schon an vielen Orten der Welt gelebt.
Foto: Frederic Kern, Imago Images Marlene Morreis ist Schauspiel­erin. Sie reist sehr gerne und hat schon an vielen Orten der Welt gelebt.

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