Augsburger Allgemeine (Land West)

Leise war er nie

Basketball Mit dem Ulmer Per Günther verliert die Bundesliga einen herausrage­nden Spieler sowie ihr rhetorisch­es und intellektu­elles Aushängesc­hild. Warum die Karriere nicht ausgerechn­et mit Spiel Nummer 500 enden soll.

- VON PIT MEIER

Die Zahl ist eigentlich zu rund für einen Zufall und doch war das ganz bestimmt nicht so geplant: Per Günther bestreitet am Donnerstag (19 Uhr) gegen Ludwigsbur­g exakt Spiel Nummer 500 in der Basketball-Bundesliga und wenn seine Mannschaft zu Hause nicht gewinnt, dann ist es gleichzeit­ig sein letztes. Ratiopharm Ulm liegt in der Viertelfin­alserie der Play-offs mit 0:2 hinten und wer dreimal verloren hat, der ist raus aus dem Meistersch­aftsrennen.

Es passiert ja in diesen Wochen und Monaten ganz viel zum letzten Mal im Leben von Per Günther. Nach dieser Saison beendet er seine Karriere, das hat er schon vor Beginn dieser Spielzeit angekündig­t. Andere Dauerbrenn­er hören ebenfalls auf: Rickey Paulding in Oldenburg zum Beispiel, oder Alex King, der zuletzt das Trikot von Würzburg getragen hat und mit 638 Spielen sogar der Rekordhalt­er in der Bundesliga ist. Mit Paulding und King verliert der deutsche Basketball zweifelsoh­ne gute Spieler und sympathisc­he Menschen. Mit Per Günther verliert die Bundesliga aber zusätzlich ihr Gesicht, ihre Stimme, ihr rhetorisch­es und intellektu­elles Aushängesc­hild.

Es ließen sich Bücher füllen mit den Sprüchen, die der Ulmer Kapitän in seinen 13 Ulmer Jahren rausgehaue­n hat. Unmittelba­r nach einer Niederlage, noch verschwitz­t im Trikot und mit einem Puls von etwa 200, forderte er etwa von seinen jungen Teamkolleg­en zumindest maximalen Einsatz ein und zitierte Madonna: „Junge Liebhaber wissen zwar nicht, was sie tun. Aber sie tun es die ganze Nacht.“Oder seine Antwort auf die Frage, warum er Ratiopharm Ulm immer die Treue gehalten hat und nie zum Beispiel zu Bayern München gewechselt ist: „Ich habe keine Lust, ein Jahr lang deprimiert durch München zu laufen, nur um vielleicht deutscher Meister zu werden.“Der Journalist hätte damals nie zu hoffen gewagt,

dieser Satz die bei Interviews im Profisport übliche Autorisier­ung durch den Verein überstehen würde. Aber die Aussage blieb drin. Bei Ratiopharm Ulm und beinahe überall sonst war damals schon bekannt, dass ein Per Günther immer weiß, was er sagt und dass er sich nie den Mund verbieten lässt. Die Basketball-Bundesliga hat das inzwischen auch gelernt.

Es war im Frühsommer 2020. Corona war das eine große Thema, Rassismus das andere. Viele Sportler vor allem in den USA gingen aus Protest dagegen in die Knie oder positionie­rten sich anderweiti­g. Die Basketball-Bundesliga ermittelte damals ihren Meister unter Ausschluss der Öffentlich­keit im Münchner Audi-Dome und sie kam

irgendeine­m Grund auf die Idee, den Spielern politische Statements zu untersagen. Sie hatte die Rechnung ohne Per Günther gemacht. Der ermunterte die Profikolle­gen auf Twitter ausdrückli­ch dazu, trotz des Verbots Stellung zu beziehen und er versprach ihnen, die ersten 10.000 Euro an Strafen zu bezahlen. Die Aufforderu­ng ist bis heute auf seinem Account nachzulese­n. Dieser Per Günther kann also locker und lustig sein, aber bei Bedarf auch ernst. Jedenfalls hat der zweifache Vater zu Themen rund um den Basketball und weit darüber hinaus sehr oft eine Meinung. Er hat sich noch nie um eine Antwort gedrückt oder sich in Floskeln geflüchtet.

Damit soll natürlich nicht der Eindruck entstehen, dass mit Ridass

ckey Paulding ein herausrage­nder Spieler und mit Per Günther der Lautsprech­er der Liga aufhört. Hätte der jetzt 34 Jahre alte und großzügig gerechnet 1,84 Meter große Ulmer Kapitän nicht auch Leistung satt abgeliefer­t, seine Aussagen wären vermutlich überhört worden. Gegen die Artland Dragons hat er mal 35 Punkte erzielt und gegen Oldenburg sechs Dreier getroffen. Das ist alles schon ein paar Jährchen her, im Spätherbst der Karriere fügt sich Günther bei Ratiopharm Ulm klaglos in die Rolle des Ergänzungs­spielers. Dennoch ist er die prägende Figur seiner Generation schlechthi­n, dazu gemacht hat ihn die Kombo aus basketball­erischer und persönlich­er Klasse.

Und was kommt nach der Karrieaus

re, die natürlich idealerwei­se nicht genau mit Spiel Nummer 500 enden soll? Per Günther hat dazu ausnahmswe­ise nur das gesagt, was Sportler in solchen Situatione­n meistens sagen. Dass er viel Zeit mit den beiden Söhnen verbringen will und jetzt die Ehefrau Leonie mal dran ist mit der Karriere. Konkrete Pläne scheint er abgesehen von einem Umzug nach Hamburg noch nicht zu schmieden. Was sich langjährig­e Beobachter gut vorstellen könnten, das wäre eine Aufgabe als Kommentato­r im Fernsehen. Wer Mehmet Scholl und seine gelegentli­ch fiesen, aber immer unterhalts­amen Sprüche beim Fußball mochte, der hätte an einem Per Günther bei Basketball-Übertragun­gen erst recht seine helle Freude.

 ?? Foto: Hafner, Nordphoto ?? Per Günther hatte und hat fast immer etwas zu sagen: Ob wie hier als Einpeitsch­er im Fanblock, ob bei Fachfragen zum Basketball oder zu schwierige­n Themen wie Rassen‰ diskrimini­erung und den Protesten dagegen. Nach dieser Saison hört er auf.
Foto: Hafner, Nordphoto Per Günther hatte und hat fast immer etwas zu sagen: Ob wie hier als Einpeitsch­er im Fanblock, ob bei Fachfragen zum Basketball oder zu schwierige­n Themen wie Rassen‰ diskrimini­erung und den Protesten dagegen. Nach dieser Saison hört er auf.

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