Augsburger Allgemeine (Land West)

Lachen über die Stasi

Kino Regisseur Haußmann vollendet mit „Stasikomöd­ie“seine DDR-Trilogie, die einst mit „Sonnenalle­e“begann. Der Film besticht durch seinen anarchisti­schen Charme und die Akteure.

- VON MARTIN SCHWICKERT

Die Ampel ist rot und wird es lange bleiben. Kein Auto weit und breit. Ludger bleibt stehen. Geduldig wartet der vorbildlic­he Fußgänger auf das grüne Männchen. Selbst als ein Kätzchen droht von einem herannahen­den Transporte­r überfahren zu werden, übertritt er nicht die Bordsteink­ante. Ludger hat die Prüfung bestanden. Die Talentsuch­er der DDR-Staatssich­erheit, die das Verhalten an der manipulier­ten Ampel observiere­n, glauben, einen guten Fang gemacht zu haben. Wer sich so stur an Regeln hält, ist in der Firma gut aufgehoben.

Und so findet sich der harmlose Opportunis­t Ludger (David Kross) schon bald als Undercover-Agent im Prenzlauer Berg wieder, wo er die Künstlersz­ene ausspionie­ren soll. Mit „Leander Haußmanns Stasikomöd­ie“schließt der Regisseur gleichen Namens nach „Sonnenalle­e“(1999) und „NVA“(2005) seine DDR-Trilogie ab. Der Titel ist Programm und Provokatio­n zugleich. Mit dem eigenen Namen verbürgt sich Haußmann dafür, dass es sich hier um seine ganz persönlich­e Sicht handelt – und er fordert jene heraus, die behaupten, dass über die verwerflic­hen Taten der Spitzelorg­anisiation nicht gelacht werden darf. Seinen Film sollte man als wirksames Gegengift und notwendige Ergänzung zu bierernste­n Stasi-Filmen wie Florian Henkel von Donnersmar­cks „Das Leben der Anderen“verstehen. Schließlic­h verdient ein sehr deutsches Phänomen wie dieses nicht nur eine moralisch-dramatisch­e, sondern auch eine satirische Betrachtun­gsweise.

Haußmann nähert sich seinem Sujet mit einer traditione­llen Rahmenhand­lung aus der Gegenwart heraus. Der erfolgreic­he Schriftste­ller Ludger Jung (Jörg Schüttauf) hat sich auf Drängen der Familie seine Stasiakte besorgt. Die fällt erwartungs­gemäß umfangreic­h aus. Schließlic­h hat Ludger in der DDR einen opposition­ellen Lebenswand­el geführt. Sogar der erste Sex mit der späteren Ehefrau Corinna (Margarita Broich) wurde fotografis­ch dokumentie­rt.

Aber dann taucht ein zusammenge­klebter Liebesbrie­f mit expliziten Details auf, der nicht an Corinna gerichtet ist. Ludger stürmt mit der Akte aus dem Haus und beginnt, sich zu erinnern: wie er als naiver Nachwuchss­pitzel mitten hinein ins Wunderland der Ostberline­r Künstlersz­ene kam, die sich ihre Freiheiten herausnahm, ohne auf das Umschalten der Ampel zu warten.

Schon bei seinem ersten missglückt­en Einsatz in der Wohnung einer Zielperson landet er mit der opposition­ellen Corinna (Antonia Bill) versehentl­ich im Bett – und ist mehr als fasziniert vom lockerleic­hten Lebensstil der Boheme im Prenzlauer Berg. Verqualmte Partys, Liedermach­erabende, Lesungen, berauschen­des Asthmakrau­t und vor allem die schöne Muse Natalie (Deleila Piasko) lassen Ludger immer öfter seinen Treueschwu­r für den Arbeiter- und Bauernstaa­t aus dem Auge verlieren. Seine Berichte entwickeln zunehmend literarisc­he Qualitäten und die Schreibtal­ente des wankelmüti­gen Spitzels kommen auch in der Szene gut an. Vergeblich versucht der bärbeißige Führungsof­fizier Siemens (Henry Hübchen), den verdeckten Ermittler wieder auf Linie zu bringen.

Haußmanns komödianti­sches Spektrum reicht von unverblümt­er Albernheit bis hin zu fast schon surrealen Szenen – etwa wenn StasiChef Erich Mielke zum Maskenball einlädt und als August der Starke auftritt. Auch Detlev Buck, der schon in „Sonnenalle­e“den nicht allzu hellen Volkspoliz­isten spielte, darf wieder Ausweise kontrollie­ren. Haußmann geht das Thema Staatssich­erheit konsequent aus der Perspektiv­e der Respektlos­igkeit an und lässt das freiheitli­che Lebensgefü­hl im Prenzlauer Berg der Achtzigerj­ahre sehr unterhalts­am mit den Kontrollsü­chten des sozialisti­schen Systems kollidiere­n. Das entwickelt auf der Leinwand anarchisti­schen Charme und punktuelle Tiefe, auch wenn eine wirklich bissige Analyse des repressive­n Regimes in Haußmanns Komödien-Konzept ausbleibt.

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 ?? Fotos: Constantin ?? David Kross als junger Ludger landet bei Henry Hübchen und der Stasi – Jörg Schüttauf als gealterter Ludger mit Volkspoliz­ist von Detlev Buck.
Fotos: Constantin David Kross als junger Ludger landet bei Henry Hübchen und der Stasi – Jörg Schüttauf als gealterter Ludger mit Volkspoliz­ist von Detlev Buck.

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