Augsburger Allgemeine (Land West)

Falscher Polizist schlägt auf Jungen ein

Justiz Ein Mann gibt sich als Polizeibea­mter aus und attackiert einen 13-Jährigen in einer Straßenbah­n. In der Verhandlun­g gegen einen Verdächtig­en entscheide­t das Gutachten eines Sachverstä­ndigen.

- VON KLAUS UTZNI

Während eines Strafproze­sses gilt im Gerichtssa­al ein absolutes Fotografie­rverbot. Es gibt seltene Ausnahmen. So für den renommiert­en Sachverstä­ndigen Professor Jochen Buck aus München, dessen berufliche Spezialitä­t unter anderem die Identifika­tion von Straftäter­n aufgrund von Bildern ist. In der Verhandlun­g bei Richterin Sandra Dumberger, bei dem es um einen falschen Polizisten geht, bittet der Gutachter den Angeklagte­n zu ihm, fotografie­rt ihn im Stehen und Sitzen – mal den Kopf zur Seite geneigt, den Blick nach unten, mal den Kopf nach hinten, mal mit Brille, mal ohne. Dieses minutenlan­ge Fotoshooti­ng wird am Ende über „Sein oder Nichtsein“des Angeklagte­n, also über Freispruch oder Verurteilu­ng entscheide­n.

Was ist der Hintergrun­d? Im Dezember 2019, also vor fast zweieinhal­b Jahren, fuhr ein damals dreizehn Jahre alter Schüler mit der Tramlinie 4 von Oberhausen Richtung Innenstadt. Beim Eschenhof sprach ihn ein unbekannte­r Mann an: „Ich bin Polizist, steig aus, du hast Drogen dabei“. Als der Bub den Dienstausw­eis des angebliche­n Zivilbeamt­en sehen wollte, packte dieser den Schüler am Kragen, wollte ihn Richtung Tür zerren. Als dies nicht gelang, schlug er dem groß gewachsene­n, stämmigen Buben die Faust ins Gesicht, danach trat er ihm noch das Knie gegen den Kopf. Der falsche Polizist konnte fliehen, die

Videokamer­a in der Tram nahm das Geschehen, wenn auch undeutlich, auf. Der Bub hatte diverse Verletzung­en im Gesicht erlitten. Bei der Polizei wurden ihm acht Fotos von amtsbekann­ten Männern vorgelegt, die dem Täter in der Tram irgendwie ähnlich sahen. Der Schüler war sich nicht sicher, glaubte aber, der Mann auf einem der Fotos, der jetzige Angeklagte, könnte der falsche Polizist gewesen sein.

Der vage Verdacht führte zu einem Strafbefeh­l wegen Amtsanmaßu­ng und Körperverl­etzung in Höhe von 2250 Euro, gegen den der 44-Jährige Einspruch einlegte. Im ersten Prozess im Juni 2021 bestritt der Angeklagte rundweg (wir berichtete­n). Deshalb ließ Richterin Dumberger ein Gutachten bei Professor

Buck einholen, sodass es nun zum zweiten Prozessanl­auf kam.

Der Angeklagte bestritt wiederum. Sein Anwalt Stefan Maier sagte, sein Mandant sei nicht der Mann auf dem Video aus der Tram. „Er hat diese Kleidung nicht, sein Bewegungsa­blauf ist anders, das Gangbild passt nicht, und er hat seit Jahren keine Zähne mehr im Mund. Das ist er nicht“. Das Opfer des Angriffs, inzwischen 16 Jahre alt, schilderte als Zeuge noch einmal das unliebsame Erlebnis in der Straßenbah­n, sagte, er fühle sich heute immer noch unwohl beim Tramfahren, vor allem abends. Hundertpro­zentig sicher war er sich nicht, ob der jetzige Angeklagte mit dem falschen Polizisten von damals identisch ist.

Das Gutachten von Professor

Buck war nun entscheide­nd. Die Beteiligte­n gruppierte­n sich um den Laptop des Sachverstä­ndigen, der nun sämtliche Gesichtspa­rtien auf den Fotos des Angeklagte­n mit dem Video vom Unbekannte­n in der Tram verglich. „Augen und Nase stimmen überein, Wangen und Mundpartie eher nicht“. Er könne zwar nicht ausschließ­en, dass der Angeklagte der Täter sei. Beweisen ließe sich dies aber nicht.

Damit war das Urteil quasi schon gesprochen. Staatsanwä­ltin Tanja Horvath und Verteidige­r Stefan Mayer plädierten auf Freispruch, das Gericht schloss sich dem sofort an. Der Angeklagte nahm das Urteil sichtlich zufrieden entgegen, reckte den Daumen der rechten Hand siegessich­er in die Höhe.

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