Augsburger Allgemeine (Land West)

Wird der Kuchenverk­auf beim Schulfest bald besteuert?

Finanzen Eine EU-Richtlinie löst in Baden-Württember­g eine wilde Debatte aus. In Bayern sieht man die Sache gelassener.

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Der Kuchenverk­auf auf Schul- und Kindergart­enfesten ist so vielschich­tig wie eine Prinzregen­tentorte. In erster Linie dient er ja dem guten Zweck. Wenn der Klettertur­m in der Kita morsch ist, hilft das Selbstgeba­ckene der Mamas und (vereinzelt) auch Papas, um Geld für einen neuen ranzuschaf­fen. Besonders engagierte Eltern und Omas nutzen die Gelegenhei­t in zweiter Linie natürlich auch zur Prestigepf­lege. Prunkvoll dekorierte doppelstöc­kige Konditoren­erzeugniss­e kurbeln die Einnahmen an – das Augenrolle­n der anderen Eltern, die noch schnell den letzten Marmorkuch­en beim Bäcker um die Ecke geholt haben, gibt es gratis dazu. Nun droht dem seit Generation­en erprobten Erfolgsmod­ell allerdings Ungemach. Denn der Staat könnte schon bald sein Stück vom Kuchen einfordern.

Hintergrun­d ist eine neue Mehrwertst­euerrichtl­inie, die von der EU-Kommission erlassen wurde. Im kommenden Jahr muss sie in deutsches Recht umgesetzt werden. Demnach sollen künftig auch öffentlich­e Einrichtun­gen wie Schulen oder staatliche Kitas umsatzsteu­erpflichti­g werden, damit private Firmen im Wettbewerb nicht benachteil­igt sind. Klingt auf den ersten Blick banal, könnte aber zur Folge haben, dass auf den Erlös des Kuchenverk­aufs Steuern anfallen.

Die sparsamen Baden-Württember­ger haben als Erste Wind von der Sache bekommen. Und nun tobt im Ländle eine bitterscho­koladenbit­tere Debatte um bizarre Brüsseler Bürokratie, die sogar schon das Finanzmini­sterium erreicht hat. „Wir haben uns das auch nicht ausgedacht, aber in der Logik dieser neuen Umsatzsteu­errichtlin­ie ist eine Klasse, die Kuchen verkauft, Teil der Schule und Schule ist staatlich, also verkauft der Staat Kuchen“, bestätigte ein Ministeriu­mssprecher in der Süddeutsch­en Zeitung. Die Aufregung ist so groß, dass sich inzwischen sogar Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n persönlich eingeschal­tet und versproche­n hat, „Bürokratis­men zu mindern“.

In Bayern geht man das Thema etwas gelassener an. Das Finanzmini­sterium verweist auf Nachfrage unserer Redaktion zuständigk­eitshalber auf das Landesamt für Steuern, das den Sachverhal­t im Wesentlich­en zwar bestätigt, allerdings in der konkreten Umsetzung auf die sprichwört­liche „Liberalita­s Bavariae“setzt. „Nach bayerische­r Auffassung führt jedoch zum Beispiel der interne Kuchenverk­auf an einer Schule zu keiner Unternehme­reigenscha­ft nach Paragraf 2 Absatz 1 des Umsatzsteu­ergesetzes, da die Schule insoweit nicht auf dem Markt, also nicht nachhaltig tätig wird“, teilt eine Sprecherin in wunderbare­m Behördende­utsch mit – und meint damit: Passt schon.

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Foto: M. Neubauer, dpa Der Kuchenverk­auf auf Festen ist für vie‰ le Kitas und Schulen eine willkommen­e Einnahmequ­elle.

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