Augsburger Allgemeine (Land West)
Feuer unterm Dach
Fußball Die aktive Fanszene des FC Augsburg kritisiert das Chaos in der Führungsebene scharf. Einmal mehr unternimmt sie den Versuch, sich mehr Mitspracherecht einzuräumen.
Was die aktive Fanszene während des letzten Spiels gegen Greuther Fürth (2:1) veranstaltete, das konnte den Verantwortlichen des FC Augsburg nicht gefallen. Anfang der zweiten Spielhälfte zündeten die sogenannten Ultras unzählige bengalische Feuer. Der Rauch sorgte dafür, dass Schiedsrichter Reichel die Partie sogar unterbrach. Was folgen wird, ist eine Geldstrafe für den FCA. Die Täter ausfindig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen, gestaltet sich erfahrungsgemäß für die Bundesligisten schwierig.
Wer wollte, konnte dieses farbenprächtige Szenario als Sinnbild sehen. Beim FCA war am Samstag Feuer unterm Dach. Die Verantwortlichen haben seitdem viel gelöscht, doch es lodert noch. Dass die aktive Fanszene auf die jüngsten Vorgänge reagieren würde, war erwartbar. Am Freitag gab der harte Kern der FCA-Fans, organisiert im „Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V.“(UBT), eine Erklärung ab, die scharfe Kritik beinhaltete.
Das „Kaschperle-Theater“sei schwer zu ertragen, heißt es dort, der Rücktritt von Klaus Hofmann werfe mehr Fragen auf, als dass es Antworten gebe. „Die aktuelle Farce stellt lediglich die Spitze eines Eisbergs dar, welcher seit langem in unruhigen Gewässern treibt. Dies bringt unweigerlich einen Vertrauensverlust in handelnde Personen mit sich.“Die UBT schreibt von Machtkämpfen, die ein „Ausmaß an moralischer Verrohung offenbaren“. „Es geht in erster Linie um den Erhalt von Macht und Privilegien statt vollumfänglich um das Wohl des FCA.“
Die UBT versteht sich nicht nur als Unterstützer im Stadion, der mit Choreografien, Fahnen und Lautstärke zur guten Stimmung beiträgt. Zugleich engagieren sich der eingetragene Verein sozial, kümmert sich um Benachteiligte und organisiert unbürokratische Hilfe. Unter anderem half die UBT Betroffenen nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. Inzwischen hat der FCA über 20.000 Mitglieder. Die aktive Fanszene ist eine verhältnismäßig kleine, aber laute Gruppierung. Wenn Ultras im Stadion Pyro zünden, kassieren sie teils Pfiffe von anderen FCA-Fans.
Im Konstrukt aus Verein (e. V.) und ausgegliederter Profiabteilung (KGaA) forderte die UBT mehr Mitspracherecht. Dass Klaus Hofmann Vereinsboss war und zugleich als KGaA-Geschäftsführer agierte, hat die Fanszene wiederholt kritisiert. Auf der jüngsten Jahreshauptversammlung versuchten sie, mit Mario Raffaele und Alexander Süßmair einen ihrer Kandidaten in den Aufsichtsrat wählen zu lassen, scheiterten aber. Mitte April organisierte die UBT eine Diskussionsrunde mit führenden Köpfen des Vereins. Es war der letzte Auftritt von Klaus Hofmann vor seinem Rückzug als Präsident und Geschäftsführer. Bei dieser Gelegenheit hatte der 54-Jährige erklärt, dass er seine KGaAAnteile niemals veräußern werde und auch das Verfahren im Todesfall regeln wolle. Wie Hofmann jetzt
reagiert, nachdem er den Machtkampf mit Finanz-Geschäftsführer Michael Ströll und Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter verloren hat, vermag die UBT schwerlich einzuschätzen. Einerseits sieht sie die Gefahr einer weiteren Spaltung, zugleich aber auch die Chance der Erneuerung. „Weg von Alleinherrschertum, Abschottungstaktik und dem Bündeln möglichst vieler Kompetenzen auf einigen wenigen Schultern“, heißt es wörtlich.
Seit geraumer Zeit beschäftigt sich der FCA mit seinem künftigen Leitbild. Fanklubs, Gremienvertreter, Mitarbeiter, Sponsoren und Partner sollen ihre persönliche Sicht einbringen. Auch die aktive Fanszene fragt sich, wofür der FCA künftig stehen soll: für Ehrlichkeit und Transparenz der handelnden Personen zum Beispiel. „Die anstehenden
Entscheidungen dürfen nicht – wie sonst üblich – in Hinterzimmern vonstattengehen und zukünftiges Führungspersonal nachträglich der Öffentlichkeit präsentiert werden.“Marionetten, ehemalige Politiker oder Wichtigtuer ohne entsprechende Kompetenzen seien hierfür nicht geeignet, steht in der Erklärung.
Die Entwicklung in der Profiabteilung, die Bauten und die Professionalisierung – all das wird von den Ultras durchaus anerkannt. Doch der familiäre Charakter und die Werte, die den FCA ausgemacht hätten, seien verloren gegangen. „Dies kann der Schlüssel sein, dass unser FCA – trotz der aktuell denkbar schlechtesten Voraussetzungen – zukünftig nicht nur mehr sportlich und wirtschaftlich orientiert arbeitet, sondern auch endlich wieder den Begriff Familie lebt.“