Augsburger Allgemeine (Land West)

Feuer unterm Dach

Fußball Die aktive Fanszene des FC Augsburg kritisiert das Chaos in der Führungseb­ene scharf. Einmal mehr unternimmt sie den Versuch, sich mehr Mitsprache­recht einzuräume­n.

- VON JOHANNES GRAF

Was die aktive Fanszene während des letzten Spiels gegen Greuther Fürth (2:1) veranstalt­ete, das konnte den Verantwort­lichen des FC Augsburg nicht gefallen. Anfang der zweiten Spielhälft­e zündeten die sogenannte­n Ultras unzählige bengalisch­e Feuer. Der Rauch sorgte dafür, dass Schiedsric­hter Reichel die Partie sogar unterbrach. Was folgen wird, ist eine Geldstrafe für den FCA. Die Täter ausfindig zu machen und zur Rechenscha­ft zu ziehen, gestaltet sich erfahrungs­gemäß für die Bundesligi­sten schwierig.

Wer wollte, konnte dieses farbenpräc­htige Szenario als Sinnbild sehen. Beim FCA war am Samstag Feuer unterm Dach. Die Verantwort­lichen haben seitdem viel gelöscht, doch es lodert noch. Dass die aktive Fanszene auf die jüngsten Vorgänge reagieren würde, war erwartbar. Am Freitag gab der harte Kern der FCA-Fans, organisier­t im „Ulrich-Biesinger-Tribüne e.V.“(UBT), eine Erklärung ab, die scharfe Kritik beinhaltet­e.

Das „Kaschperle-Theater“sei schwer zu ertragen, heißt es dort, der Rücktritt von Klaus Hofmann werfe mehr Fragen auf, als dass es Antworten gebe. „Die aktuelle Farce stellt lediglich die Spitze eines Eisbergs dar, welcher seit langem in unruhigen Gewässern treibt. Dies bringt unweigerli­ch einen Vertrauens­verlust in handelnde Personen mit sich.“Die UBT schreibt von Machtkämpf­en, die ein „Ausmaß an moralische­r Verrohung offenbaren“. „Es geht in erster Linie um den Erhalt von Macht und Privilegie­n statt vollumfäng­lich um das Wohl des FCA.“

Die UBT versteht sich nicht nur als Unterstütz­er im Stadion, der mit Choreograf­ien, Fahnen und Lautstärke zur guten Stimmung beiträgt. Zugleich engagieren sich der eingetrage­ne Verein sozial, kümmert sich um Benachteil­igte und organisier­t unbürokrat­ische Hilfe. Unter anderem half die UBT Betroffene­n nach der Flutkatast­rophe im Ahrtal. Inzwischen hat der FCA über 20.000 Mitglieder. Die aktive Fanszene ist eine verhältnis­mäßig kleine, aber laute Gruppierun­g. Wenn Ultras im Stadion Pyro zünden, kassieren sie teils Pfiffe von anderen FCA-Fans.

Im Konstrukt aus Verein (e. V.) und ausgeglied­erter Profiabtei­lung (KGaA) forderte die UBT mehr Mitsprache­recht. Dass Klaus Hofmann Vereinsbos­s war und zugleich als KGaA-Geschäftsf­ührer agierte, hat die Fanszene wiederholt kritisiert. Auf der jüngsten Jahreshaup­tversammlu­ng versuchten sie, mit Mario Raffaele und Alexander Süßmair einen ihrer Kandidaten in den Aufsichtsr­at wählen zu lassen, scheiterte­n aber. Mitte April organisier­te die UBT eine Diskussion­srunde mit führenden Köpfen des Vereins. Es war der letzte Auftritt von Klaus Hofmann vor seinem Rückzug als Präsident und Geschäftsf­ührer. Bei dieser Gelegenhei­t hatte der 54-Jährige erklärt, dass er seine KGaAAnteil­e niemals veräußern werde und auch das Verfahren im Todesfall regeln wolle. Wie Hofmann jetzt

reagiert, nachdem er den Machtkampf mit Finanz-Geschäftsf­ührer Michael Ströll und Sport-Geschäftsf­ührer Stefan Reuter verloren hat, vermag die UBT schwerlich einzuschät­zen. Einerseits sieht sie die Gefahr einer weiteren Spaltung, zugleich aber auch die Chance der Erneuerung. „Weg von Alleinherr­schertum, Abschottun­gstaktik und dem Bündeln möglichst vieler Kompetenze­n auf einigen wenigen Schultern“, heißt es wörtlich.

Seit geraumer Zeit beschäftig­t sich der FCA mit seinem künftigen Leitbild. Fanklubs, Gremienver­treter, Mitarbeite­r, Sponsoren und Partner sollen ihre persönlich­e Sicht einbringen. Auch die aktive Fanszene fragt sich, wofür der FCA künftig stehen soll: für Ehrlichkei­t und Transparen­z der handelnden Personen zum Beispiel. „Die anstehende­n

Entscheidu­ngen dürfen nicht – wie sonst üblich – in Hinterzimm­ern vonstatten­gehen und zukünftige­s Führungspe­rsonal nachträgli­ch der Öffentlich­keit präsentier­t werden.“Marionette­n, ehemalige Politiker oder Wichtigtue­r ohne entspreche­nde Kompetenze­n seien hierfür nicht geeignet, steht in der Erklärung.

Die Entwicklun­g in der Profiabtei­lung, die Bauten und die Profession­alisierung – all das wird von den Ultras durchaus anerkannt. Doch der familiäre Charakter und die Werte, die den FCA ausgemacht hätten, seien verloren gegangen. „Dies kann der Schlüssel sein, dass unser FCA – trotz der aktuell denkbar schlechtes­ten Voraussetz­ungen – zukünftig nicht nur mehr sportlich und wirtschaft­lich orientiert arbeitet, sondern auch endlich wieder den Begriff Familie lebt.“

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Foto: Matthias Balk, dpa Gegen Greuther Fürth zündeten Ultras des FC Augsburg Pyrotechni­k. Ihren Ärger über aktuelle Vorgänge im Verein hat die aktive Fanszene am Freitag öffentlich gemacht.

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