Augsburger Allgemeine (Land West)

Eine S‰Bahn‰Linie zu Ehren der Queen

Metropole

- VON SUSANNE EBNER

In wenigen Tagen wird ein Teil der neuen „Elizabeth-Line“in London in Betrieb genommen. Sie soll das Verkehrsne­tz entlasten und Randbezirk­e mit dem Zentrum verbinden. Nicht nur der Königin gefällt das sehr.

London Wenn man die rund 100 Jahre alte U-Bahn-Station im Londoner Viertel Farringdon verlässt, blickt man auf den im vergangene­n Jahr fertiggest­ellten Farringdon-Crossrail-Bahnhof. Ein modern anmutendes, kastenarti­ges Gebäude, geprägt von Glas und Beton. Überirdisc­h nur durch eine Straße getrennt, liegen technisch und historisch Welten zwischen den beiden Bauwerken im Osten der Londoner City und ihrem jeweils zugehörige­n Tunnelsyst­em. Hier viktoriani­sche, teils stickige Enge; dort großzügige, unterirdis­che Hallen. Hier Ziegel und honigfarbe­ne Backsteine; dort gut isolierte, geschwunge­ne Wände.

Erbaut wurde der neue Bahnhof in Farringdon als Teil der ebenfalls neuen „Elizabeth-Line“, benannt nach Queen Elizabeth II. Die ZugLinie kann man sich als teilweise unterirdis­ch verlaufend­e S-Bahn vorstellen. Sie wird sich über mehr als 100 Kilometer vom Flughafen Heathrow im Westen durch einen 22 Kilometer langen Tunnel im Zentrum Londons bis weit in den Südosten der Stadt erstrecken, mit 41 Haltestell­en, zehn davon neu. Am kommenden Dienstag wird der erste Streckenab­schnitt der Linie, die ans U-Bahn-System angeschlos­sen ist, für die Öffentlich­keit zugänglich gemacht.

Geplant war dieses Datum nicht, räumt Mark Wild, Leiter des Transportp­rojekts „Crossrail“, ein. Eigentlich sollte die Linie schon 2018 fertig sein. Dann jedoch kam es zu Verzögerun­gen: zum einen durch den Tunnelbau, vorbei an bereits vorhandene­n Linien im Untergrund, denen man „sich bis auf ei

nen Meter“genähert habe; zum anderen durch die Digitalisi­erung der Signaltech­nik. Auch die Kosten kletterten: Statt 14,8 Milliarden Pfund (etwa 17,5 Milliarden Euro) werden sie schätzungs­weise fast 19 Milliarden Pfund (22,5 Milliarden Euro) betragen.

Wenigstens scheint jetzt zumindest das Timing aus Sicht der Betreiber perfekt. Schließlic­h eröffne die Zugstrecke zu einem Zeitpunkt, an dem „man die Pandemie hinter sich lässt“und es das Jahr des 70.

der Queen ist. Eben jene ließ es sich in dieser Woche nicht nehmen, die neue S-BahnLinie zu besichtige­n und zu eröffnen. Die 96-Jährige begleitete ihren Sohn Prinz Edward zu dem Termin am Londoner Bahnhof Paddington, gekleidet in einem hellgelben Mantel und mit einem strahlende­n Lächeln auf dem Gesicht.

Einer, der bei dem Besuch der Monarchin dabei war, ist Mark Dewhirst. Der 36-jährige Ingenieur ist für die zentralen Bahnhöfe der

Linie verantwort­lich. Die Königin zu treffen, sei ein weiterer Höhepunkt in seiner Karriere gewesen, sagt er. Auch bei der Beschreibu­ng einer Fahrt mit der S-Bahn gerät er ins Schwärmen. Geschmeidi­g sei sie, leise und schnell. Was sie von den älteren U-Bahnen in London unterschei­de? „Wenn man die Circle Line nimmt, hat man häufig das Gefühl, dass man zwar fährt, aber eigentlich nicht vorankommt. Das ist hier anders“, erklärt er. Das Londoner U-Bahn-Netz, muss man dazu saThronjub­iläums gen, ist zwar das größte und älteste Europas, das beliebtest­e ist es sicher nicht. Gerade morgens und abends stehen Fahrgäste oft dicht gedrängt. Es ist heiß, die Luft schlecht.

Die neue S-Bahn, die auf Karten und Schildern durch ein kräftiges Violett erkennbar ist, soll nun jedes Jahr rund 200 Millionen Menschen transporti­eren. „Die Kapazität der Elizabeth-Line entspricht der des gesamten öffentlich­en Nahverkehr­s in Berlin“, erläutert Projektlei­ter Mark Wild. Der Vergleich mit Deutschlan­d kommt nicht von ungefähr. Denn tatsächlic­h spielte Technik und das Wissen aus Deutschlan­d eine wichtige Rolle für das Projekt, zum Beispiel bei der Umsetzung der Signaltech­nik.

Für die Tourismuse­xpertin Tracy Halliwell ist die S-Bahn, die mit 60 Stundenkil­ometern doppelt so schnell wie eine U-Bahn unter Hochhäuser­n, Museen und Theatern fährt, eine Attraktion an sich. Und das bereits jetzt. Der östliche Teil des Zentrums werde durch sie beliebter, betont auch Alexander Jan, Vorsitzend­er der Central District Alliance, einer Vereinigun­g von Unternehme­n, Behörden und Verbänden. Menschen, die im Nordosten der Stadt wohnen, kommen künftig schneller und günstiger ins Zentrum.

Bis Besucherin­nen und Besucher der Stadt für umgerechne­t etwa 14 Euro von Heathrow aus in das neue Verkehrsne­tz eintauchen können, wird es jedoch eine Weile dauern, vermutlich bis Herbst. Bislang führt die S-Bahn nur von Paddington in Richtung Südosten. Auch eine Haltestell­e im Zentrum ist noch nicht betriebsbe­reit – aufgrund von Problemen mit dem Tunnelbau.

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Foto: Susanne Ebner Die Elizabeth‰Line sollte eigentlich schon 2018 fertig sein. Dann jedoch kam es zu Verzögerun­gen.

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