Augsburger Allgemeine (Land West)

Bus und Tram könnten deutlich teurer werden

Nahverkehr

- VON STEFAN KROG

Der AVV rechnet zum Jahresende mit Preiserhöh­ungen von etwa zehn Prozent.

Die Politik hält ein 365-Euro-Ticket für nicht finanzierb­ar, eine endgültige Absage gibt es aber noch nicht.

Nahverkehr­skunden in der Region werden sich zum Jahresende womöglich auf eine happige Preiserhöh­ung gefasst machen müssen: Man gehe nach derzeitige­m Stand von knapp zehn Prozent Preissteig­erung aus, wenn man die Tarife gemäß dem mit den Verkehrsun­ternehmen vereinbart­en Index (er berücksich­tigt unter anderem Treibstoff- und Personalko­sten) anpassen würde, so Linda Kisabaka, Geschäftsf­ührerin des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbu­ndes (AVV). „Für das jetzige Angebot werden in Zukunft mehr finanziell­e Mittel nötig werden.“Wie man mit der Situation umgehen wird, ist noch nicht klar. Die Grünen im Aichach-Friedberge­r Kreistag kündigten an, eine Aussetzung der Erhöhung zu beantragen.

Die kurze Diskussion über die höheren Tarife fand am Donnerstag am Rande einer Sitzung in Stadtberge­n statt, bei der Vertreter des Augsburger Stadtrats und der Kreistage von Augsburg, AichachFri­edberg und Dillingen über die Überlegung­en zu einem 365-EuroTicket berieten. Die Aussage von AVV und dessen vier Trägern lautet nach jahrelange­n Diskussion­en: nicht finanzierb­ar und im Hinblick auf Fahrgastst­eigerungen uninteress­ant. „Wir müssen die Ticketprei­se kommendes Jahr theoretisc­h um zehn Prozent erhöhen. Wollen wir ein 365-Euro-Abo, das wir eh nicht finanziere­n können, oder soll die indexbasie­rte Finanzieru­ng runter? Beides kriegen wir nicht hin“, so der Aichach-Friedberge­r Landrat Klaus Metzger (CSU). Wie mit den Ticketprei­sen letztlich umgegangen wird, ist noch unklar. Eine Erhöhung vorübergeh­end mit Steuergeld­ern abzufedern, ist aber nicht unproblema­tisch, weil die gestiegene­n Kosten früher oder später sowieso bei den Fahrgästen aufschlage­n, dann aber mit größerer Wucht. Das hatte man schon vor gut zwei Jahren

als Tariferhöh­ungen für ein halbes Jahr ausgesetzt wurden.

Trotz der trüben Aussichten gab es aber keine Komplett-Absage an ein 365-Euro-Ticket, auch wenn AVV-Chefin Kisabaka wenig Perspektiv­en sieht. Ein 365-Euro-Ticket für alle ohne Zeitbeschr­änkung werde AVV-weit in der Summe rund 23 Millionen Euro weniger an Einnahmen pro Jahr bringen. „Das Erste, was passiert: Wer mehr als 365 Euro im Jahr zahlt, wird sein bisheriges Ticket nicht mehr kaufen“, so Kisabaka. Das sei zwar ein Geschenk für diese Fahrgäste, die Finanzieru­ng sei aber völlig unklar. Die Zahl der Neukunden ist nach Berechnung­en eines vom AVV beauftragt­en Beratungsu­nternehmen­s zudem minimal. Durch Neukunden werde es nur 0,7 Prozent mehr Fahrten geben. Der größte Effekt werde der sein, dass bisherige Fahrgäste mit einem 365-Euro-Ticket häufiger fahren. Vor diesem Hintergrun­d müsse man auch das geplante Neun-Euro-Ticket sehen. „Das

wird ein großer Feldversuc­h: Wirkt sich so etwas auf Pendler aus oder wird das nur ein Ausflugsti­cket am Wochenende in die Berge?“

Doch vor allem die Freien Wähler und die Grünen aus den Landkreise­n Augsburg und Aichach-Friedberg wollten gerade deswegen nicht in den Komplett-Abgesang auf ein 365-Euro-Ticket einstimmen. Marion Brülls (Grüne, Aichach-Friedberg) appelliert­e dafür, das Ende des Neun-Euro-Tickets Ende August abzuwarten. Dann wisse man, wie sich niedrigere Preise im Nahverkehr auf Fahrgastza­hlen auswirken. FW-Kreisrätin Melanie Schappin verwies auf das Gersthofer 365-Euro-Ticket, das die Stadt 2019 im Alleingang eingeführt hatte. Die Abozahlen hätten sich fast verdoppelt. Es spräche nichts dagegen, sich jetzt die drei Monate Zeit zu nehmen. AVV-Chefin Kisabaka sagte zu den Abozahlen, dass man sich im Fall von Gersthofen mit einer Auswertung schwertue. Man müsse erfassen, bei welchen anderen Ticketarge­sehen,

ten es Rückgänge gab, um ein Gesamtbild zu zeichnen. Das sei im Fall von Monats- oder Streifenka­rten schwierig. Der Blick nur auf die Abozahlen führe in die Irre.

Auf Antrag von Rudi Fuchs (FW, Aichach-Friedberg) wurde schließlic­h der Beschlussv­orschlag so geändert, dass man die Einführung eines 365-Euro-Tickets grundsätzl­ich befürworte­t, momentan keine finanziell­en Chancen dafür sieht, aber nach intensiver Analyse erneut in die Beratung geht. Dafür gab es eine Mehrheit. Von den Augsburger Grünen gab es, anders als in der Vergangenh­eit, kein engagierte­s Statement für ein 365-Euro-Ticket. Die Zahlen seien ernüchtern­d, so Stadtrat Matthias Lorentzen. Man müsse nach anderen Wegen suchen. Er erinnerte daran, dass sich Nürnberg schon auf den Weg zum 365-Euro-Ticket gemacht hatte, im März aber die Reißleine wegen Nichtfinan­zierbarkei­t zog. Der AVV soll nun auf Anregung aus der Stadt Augsburg prüfen, welche

Städte bundesweit starke Fahrgastzu­wächse haben und wie diese zustande kommen. Voraussetz­ung, so CSU-Stadtrat Matthias Fink, sei aber wohl, dass der Staat mehr Geld für den Nahverkehr springen lässt. „Das 365-Euro-Ticket klang unglaublic­h verführeri­sch, aber es ist wohl nicht die Lösung.“

Laut AVV-Chefin Kisabaka ist zumindest ein neues Angebot in Sicht, das dem gestiegene­n Homeoffice-Anteil bei vielen Berufstäti­gen Rechnung trägt. Die klassische Kalkulatio­n fürs Abo mit fünf Pendeltage­n entspreche bei Teilen der Kundschaft nicht mehr der Realität. Die Idee ist eine Art Basis-Abo, bei dem Zusatzfahr­ten dazugebuch­t werden. Je mehr es werden, desto stärker sinkt der Preis pro Fahrt. Allerdings wird dieses Ticket wegen des flexiblen Rabatts nur elektronis­ch erhältlich sein. Aktuell gebe es auch noch Diskussion­en über die Einnahmenv­erteilung zwischen den Verkehrsun­ternehmen innerhalb des AVV. »Kommentar

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Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild) Fahrten mit Bus und Tram könnte zum Jahreswech­sel teurer werden – um etwa zehn Prozent.

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