Augsburger Allgemeine (Land West)
Bus und Tram könnten deutlich teurer werden
Nahverkehr
Der AVV rechnet zum Jahresende mit Preiserhöhungen von etwa zehn Prozent.
Die Politik hält ein 365-Euro-Ticket für nicht finanzierbar, eine endgültige Absage gibt es aber noch nicht.
Nahverkehrskunden in der Region werden sich zum Jahresende womöglich auf eine happige Preiserhöhung gefasst machen müssen: Man gehe nach derzeitigem Stand von knapp zehn Prozent Preissteigerung aus, wenn man die Tarife gemäß dem mit den Verkehrsunternehmen vereinbarten Index (er berücksichtigt unter anderem Treibstoff- und Personalkosten) anpassen würde, so Linda Kisabaka, Geschäftsführerin des Augsburger Verkehrs- und Tarifverbundes (AVV). „Für das jetzige Angebot werden in Zukunft mehr finanzielle Mittel nötig werden.“Wie man mit der Situation umgehen wird, ist noch nicht klar. Die Grünen im Aichach-Friedberger Kreistag kündigten an, eine Aussetzung der Erhöhung zu beantragen.
Die kurze Diskussion über die höheren Tarife fand am Donnerstag am Rande einer Sitzung in Stadtbergen statt, bei der Vertreter des Augsburger Stadtrats und der Kreistage von Augsburg, AichachFriedberg und Dillingen über die Überlegungen zu einem 365-EuroTicket berieten. Die Aussage von AVV und dessen vier Trägern lautet nach jahrelangen Diskussionen: nicht finanzierbar und im Hinblick auf Fahrgaststeigerungen uninteressant. „Wir müssen die Ticketpreise kommendes Jahr theoretisch um zehn Prozent erhöhen. Wollen wir ein 365-Euro-Abo, das wir eh nicht finanzieren können, oder soll die indexbasierte Finanzierung runter? Beides kriegen wir nicht hin“, so der Aichach-Friedberger Landrat Klaus Metzger (CSU). Wie mit den Ticketpreisen letztlich umgegangen wird, ist noch unklar. Eine Erhöhung vorübergehend mit Steuergeldern abzufedern, ist aber nicht unproblematisch, weil die gestiegenen Kosten früher oder später sowieso bei den Fahrgästen aufschlagen, dann aber mit größerer Wucht. Das hatte man schon vor gut zwei Jahren
als Tariferhöhungen für ein halbes Jahr ausgesetzt wurden.
Trotz der trüben Aussichten gab es aber keine Komplett-Absage an ein 365-Euro-Ticket, auch wenn AVV-Chefin Kisabaka wenig Perspektiven sieht. Ein 365-Euro-Ticket für alle ohne Zeitbeschränkung werde AVV-weit in der Summe rund 23 Millionen Euro weniger an Einnahmen pro Jahr bringen. „Das Erste, was passiert: Wer mehr als 365 Euro im Jahr zahlt, wird sein bisheriges Ticket nicht mehr kaufen“, so Kisabaka. Das sei zwar ein Geschenk für diese Fahrgäste, die Finanzierung sei aber völlig unklar. Die Zahl der Neukunden ist nach Berechnungen eines vom AVV beauftragten Beratungsunternehmens zudem minimal. Durch Neukunden werde es nur 0,7 Prozent mehr Fahrten geben. Der größte Effekt werde der sein, dass bisherige Fahrgäste mit einem 365-Euro-Ticket häufiger fahren. Vor diesem Hintergrund müsse man auch das geplante Neun-Euro-Ticket sehen. „Das
wird ein großer Feldversuch: Wirkt sich so etwas auf Pendler aus oder wird das nur ein Ausflugsticket am Wochenende in die Berge?“
Doch vor allem die Freien Wähler und die Grünen aus den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg wollten gerade deswegen nicht in den Komplett-Abgesang auf ein 365-Euro-Ticket einstimmen. Marion Brülls (Grüne, Aichach-Friedberg) appellierte dafür, das Ende des Neun-Euro-Tickets Ende August abzuwarten. Dann wisse man, wie sich niedrigere Preise im Nahverkehr auf Fahrgastzahlen auswirken. FW-Kreisrätin Melanie Schappin verwies auf das Gersthofer 365-Euro-Ticket, das die Stadt 2019 im Alleingang eingeführt hatte. Die Abozahlen hätten sich fast verdoppelt. Es spräche nichts dagegen, sich jetzt die drei Monate Zeit zu nehmen. AVV-Chefin Kisabaka sagte zu den Abozahlen, dass man sich im Fall von Gersthofen mit einer Auswertung schwertue. Man müsse erfassen, bei welchen anderen Ticketargesehen,
ten es Rückgänge gab, um ein Gesamtbild zu zeichnen. Das sei im Fall von Monats- oder Streifenkarten schwierig. Der Blick nur auf die Abozahlen führe in die Irre.
Auf Antrag von Rudi Fuchs (FW, Aichach-Friedberg) wurde schließlich der Beschlussvorschlag so geändert, dass man die Einführung eines 365-Euro-Tickets grundsätzlich befürwortet, momentan keine finanziellen Chancen dafür sieht, aber nach intensiver Analyse erneut in die Beratung geht. Dafür gab es eine Mehrheit. Von den Augsburger Grünen gab es, anders als in der Vergangenheit, kein engagiertes Statement für ein 365-Euro-Ticket. Die Zahlen seien ernüchternd, so Stadtrat Matthias Lorentzen. Man müsse nach anderen Wegen suchen. Er erinnerte daran, dass sich Nürnberg schon auf den Weg zum 365-Euro-Ticket gemacht hatte, im März aber die Reißleine wegen Nichtfinanzierbarkeit zog. Der AVV soll nun auf Anregung aus der Stadt Augsburg prüfen, welche
Städte bundesweit starke Fahrgastzuwächse haben und wie diese zustande kommen. Voraussetzung, so CSU-Stadtrat Matthias Fink, sei aber wohl, dass der Staat mehr Geld für den Nahverkehr springen lässt. „Das 365-Euro-Ticket klang unglaublich verführerisch, aber es ist wohl nicht die Lösung.“
Laut AVV-Chefin Kisabaka ist zumindest ein neues Angebot in Sicht, das dem gestiegenen Homeoffice-Anteil bei vielen Berufstätigen Rechnung trägt. Die klassische Kalkulation fürs Abo mit fünf Pendeltagen entspreche bei Teilen der Kundschaft nicht mehr der Realität. Die Idee ist eine Art Basis-Abo, bei dem Zusatzfahrten dazugebucht werden. Je mehr es werden, desto stärker sinkt der Preis pro Fahrt. Allerdings wird dieses Ticket wegen des flexiblen Rabatts nur elektronisch erhältlich sein. Aktuell gebe es auch noch Diskussionen über die Einnahmenverteilung zwischen den Verkehrsunternehmen innerhalb des AVV. »Kommentar