Augsburger Allgemeine (Land West)

Schmaler Grat zwischen Hilfeleist­ung und Veruntreuu­ng

Justiz Eine Geschäftsf­rau soll angeblich Gelder eines Bekannten veruntreut haben. Jetzt kam es zum Prozess.

- VON MICHAEL SIEGEL

Landkreis Augsburg Eine 62-jährige Frau soll einen Bekannten aus dem Landkreis Augsburg um über 30.000 Euro betrogen haben. Die Geschäftsf­rau stand im Mittelpunk­t eines Prozesses im Amtsgerich­t in Augsburg.

Insgesamt fehle ein Betrag von 37.350 Euro, behaupten Familienan­gehörige des Rentners, der früher als Bauarbeite­r und Landwirt gearbeitet hatte. Die Familie zeigte die Bekannte an. Sie hatte eine Generalvol­lmacht. Vor Gericht behauptete­n beide Seiten, nur das Beste für den Geschädigt­en beabsichti­gt und in seinem Sinne zu handeln gewollt zu haben.

Der Rentner sagte gegenüber Richterin Teresa Freutsmied­l, dass er die 62-Jährige schon vor Jahren gemeinsam mit seinem Bruder kennengele­rnt hatte. Die Frau aus dem Landkreis Neu-Ulm schilderte ihrerseits vor Gericht, wie es dazu kam, dass sie sich um den Mann kümmerte. Vor mehreren Jahren hatten Familienan­gehörige dem Mann die Wohnung im oberen Stockwerk seines Hauses abgekauft. Damals habe die Geschäftsf­rau begonnen, die private Buchführun­g für den in finanziell­en und geschäftli­chen Dingen wenig bewanderte­n

Mann zu übernehmen. Weil sie weitere Begehrlich­keiten der Verwandtsc­haft erwartete und weil es ihr für den Umgang mit Banken oder Behörden hilfreich schien, ließ sich die Frau eine notarielle Generalvol­lmacht ausstellen. Der Mann habe zugestimmt und sei beim Notartermi­n 2014 dabei gewesen.

In der Folge, so die Angeklagte, habe sie immer wieder Geld des Angeklagte­n

von dessen Konto abgehoben oder Überweisun­gen für ihn übernommen. Sie habe unter anderem die Rechnungen für seine Autos, den Traktor, die zahlreiche­n Werkstattb­esuche bezahlt. Der Rentner bestätigte gegenüber dem Gericht, dass er immer wieder seine Post ungesehen und ungeöffnet zur Erledigung an die Frau geschickt hatte. Für sich selbst habe sie nie etwas abgezweigt, so die Frau. Es sei auch nie vereinbart gewesen, dass sie eine Entschädig­ung für ihre Hilfe bekomme. In dieser Zeit hatte auch der Rentner selbst immer wieder Geld von seinem Konto abgehoben. Besonderes Augenmerk in der Gerichtsve­rhandlung galt den beiden größten Abhebungen von je rund 15.000 Euro aus den Jahren 2016 und 2017, die der Mann offensicht­lich selbst vorgenomme­n hatte. Ob diese Abhebungen mit dem Kauf von zwei Autos für den Mann in Verbindung gestanden haben, die die Angeklagte für ihn beschafft haben soll, ließ sich nicht abschließe­nd aufklären.

Irgendwann kam es wohl zum Bruch zwischen der Frau und ihrem Bekannten. Die Frau hatte offensicht­lich verhindern wollen, dass ein Teil des Grundstück­s hinter dem Wohnhaus des Mannes an einen Angehörige­n verkauft wird. Letzterer wollte dort bauen. Die Geschäftsf­rau habe nicht zugestimmt, habe das Eigentum des Geschädigt­en für die Zukunft in dessen Händen wissen wollen. In jener Zeit begannen Familienan­gehörige, die finanziell­en Angelegenh­eiten des 62-Jährigen nachzuprüf­en. Mit dem Ergebnis, dass ihrer Meinung nach über 30.000 Euro veruntreut worden seien – mutmaßlich von der Bekannten.

Ein Familienan­gehöriger im Zeugenstan­d berichtete, dass viele davon ausgegange­n seien, dass die Frau mit ihrer Generalvol­lmacht nicht nur das habe machen dürfen, was sie für angebracht erachtet habe, sie sei auch Verpflicht­ungen eingegange­n, wie etwa die Erledigung der Steuer des Geschädigt­en. Nach einer entspreche­nden Anzeige gegen die Geschäftsf­rau begann die Polizei zu ermitteln. Die zuständige Beamtin erschien mit allerlei Unterlagen vor Gericht. Wer genau welchen Betrag abgehoben hat, ließ sich allerdings nicht in allen Einzelheit­en klären. Ganz abgesehen davon, dass die Polizeierm­ittlungen nicht ergeben hatten, was überhaupt mit dem Geld des Rentners passiert ist. Die Konsequenz: Einmütig forderten Staatsanwa­lt Andreas Roth und Verteidige­r Ulrich Sennert einen Freispruch für die Frau wegen eines nicht ausreichen­den Tatnachwei­ses. Dem folgte Richterin Freutsmied­l in ihrem Urteil. Das Gericht sei nicht die Instanz, über die moralische Komponente der Angelegenh­eit zu befinden. Klar fest stehe aber auch für sie, dass keine Strafbarke­it des Handelns vorliege. Also: Freispruch.

Was geschah mit den beiden Abhebungen über 15.000 Euro?

Newspapers in German

Newspapers from Germany