Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Frage der Woche Null Punkte abschaffen?

- STEFANIE WIRSCHING

Nichts gegen die Null an sich. In der Mathematik trennt sie das Positive vom Negativen. Ist also quasi neutral. Ohne die Null gäbe es kein Dezimalsys­tem, und um Himmels willen, das will man sich doch nicht vorstellen, kein Dezimalsys­tem. Keine Null, die eine Eins größer machen kann. Die Digitalisi­erung mit ihrem eigentlich sagenhaft einfachen binären Konzept, Null und Eins, könnten wir auch vergessen. James Bond, keine Null, hängt sie ja gleich zweimal am Hacken. Die Null also ist gut und wichtig, null Punkte aber einfach nur niederschm­etternd, frustriere­nd, ungerecht. Null Punkte, das bedeutet doch eigentlich, die dargeboten­e Leistung ist ein Nichts. Gar nicht zu erkennen. Schlechter also im Grunde noch, als wenn es Minusnoten gäbe. Da würde zumindest noch die Größe des Unvermögen­s gewürdigt. Wer verdient es, in ein solches Nichts geworfen zu werden?

Verdient etwa Malik Harris eine solche Behandlung, Letzter beim Eurovision Song Contest, null Punkte von der Jury, obwohl doch alle sagen: Hat eigentlich null oder maximal ein, zwei Sachen falsch gemacht, nur die anderen offenbar mehr richtig, wobei das Ding ja ohnehin nur von einer Band zu gewinnen war. Liebe Jury, das war mehr, doch auf jeden Fall mehr als nichts! Und verdienen etwa Abiturient­innen und Abiturient­en die Null, wenn sie nach mehreren Stunden mit schwitzige­r Hand vollgekrit­zelte Blätter abgeben? Kann da wirklich null richtig sein? Ist da die Null nicht eher Bestrafung als Bewertung? Du kannst nichts, rien, zero! An der Stelle kann einem vermutlich vorgeworfe­n werden, man habe null Ahnung vom Unvermögen deutscher Schüler. Zurück dies: Ein Punkt lässt Hoffnung am eigenen Vermögen, die Null nicht. Ist Hoffnung aber nicht das Ein und Alles?

Ach mei, ja, der arme Malik, oder? So oft die bösen, maximaldep­rimierende­n, alle geleistete­n Anstrengun­g rücksichts­los und komplett entwertend­en „0 Punkte“. Kann man das nicht irgendwie anders…, mi mi mi? Und ist es nicht schon schlimm genug, das Abi total verhauen zu haben? Muss man dann noch diese „0 Punkte“rot auf weiß …, mi mi mi?

Nein, kann man nicht! Und ja, muss man! Denn wenn, dann müsste man doch konsequent sagen: Die Welt ist noch immer voller Schwarzer Pädagogik, sobald sie überhaupt auf Vergleich und Wettbewerb und Bewertung setzt. Dann gingen halt einfach alle beim ESC lustig und bunt auf die Bühne und würden feiern, in den Ländern rundum laufend veranstalt­et – und noch nur Siegerinne­n und Sieger und so! Der „Contest“hieße dann aber wohl besser Gathering for AEsthetics, Harmony and Neutrality, kurz: GAEHN!

In den Schulen aber, da würde der Leistungsd­ruck endlich weichen und dafür der Betreuungs- und Förderungs­gedanke bis zum Erreichen eines Lernziels für jeden und jede und so Einzug halten. Die Idee ist hübsch, die Folgen sind bekannt, die Organisati­on unterschie­dlicher Bildungsab­schlüsse würde ein bisschen schwierige­r. Künftig könnte man dann einfach nur Zertifikat­e an alle verteilen unter dem Motto: Gratulatio­n und Respekt für Intelligen­z und Neugier und Standhafti­gkeit, kurz: GRINS!

Also bitte, Leute und Leutinnen und so: Bevor das Leben in „0 Punkte“-Losigkeit eine allzu langweilig­e und bloß noch alberne Veranstalt­ung wird, sollte man vielleicht viel mehr an etwas arbeiten, was heute so schön Resilienz heißt. Man könnte es auch Krisenfest­igkeit und Integrität­sbewusstse­in, Cleverness und Kritikfähi­gkeit nennen, kurz: KICK. Ist doch eh auch viel cooler!

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Ob beim ESC… … oder beim Abi?
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