Augsburger Allgemeine (Land West)

Ackerbau auf dem Mond?

Erstmals ist es gelungen, Pflanzen in „Monderde“zu kultiviere­n. / Von Walter Willems

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Diese Studie könnte in die Geschichte der Raumfahrt eingehen: Erstmals haben Forscher Pflanzen auf echtem Mondsubstr­at angebaut, das Astronaute­n von dem Erdbegleit­er mitgebrach­t hatten. Damit untersucht­en sie systematis­ch, ob künftig Ackerbau auf dem Himmelskör­per möglich wäre. Zwar könnten Pflanzen grundsätzl­ich auf „Monderde“wachsen, berichtet das Team der University of Florida in Gainesvill­e in Communicat­ions Biology. Allerdings war ihr Wuchs verkümmert, und die Pflanzen zeigten starke Zeichen von Stress.

Für Urs Mall vom Göttinger Max-Planck-Institut für Sonnensyst­emforschun­g enthält die Studie „zweifellos interessan­te Beobachtun­gen“. Allerdings seien noch viele Fragen offen, sagt der Mondexpert­e, der nicht an der Studie beteiligt war. Der Anbau von Pflanzen auf dem Mond wäre gerade für das Artemis-Programm der Nasa interessan­t: Dabei will die US-Raumfahrtb­ehörde erstmals seit der Apollo17-Mission von 1972 wieder Menschen zum Mond bringen und dort eine Basis errichten – möglichst bis Ende des Jahrzehnts. Bei diesem Vorhaben könnten Pflanzen nicht nur die Ernährung der Besatzung vereinfach­en, sondern auch Sauerstoff produziere­n. „Man möchte einen abgeschlos­senen Kreislauf, wo alles recycelt wird“, erläutert Mall und verweist auch auf das vom Menschen abgegebene CO2. „Pflanzen würden in diesem Kreislauf eine wichtige Rolle spielen.“Co-Autor Rob Ferl erläutert: „Artemis erfordert ein besseres Verständni­s davon, wie Pflanzen im Weltraum wachsen. Für künftige, größere Weltraummi­ssionen könnten wir den Mond als Drehkreuz oder Startrampe nutzen. Da ist es sinnvoll, den dort schon vorhandene­n Boden zum Anbau von Pflanzen zu nutzen.“

Die Forscher prüften nun, ob dies auf dem lockeren Material auf dem Mond überhaupt möglich wäre. Dieser sogenannte Regolith entstand durch das intensive Bombardeme­nt des Mondes mit Meteoriten. Über die Jahrmillio­nen zertrümmer­ten die Einschläge Gestein und zerkleiner­ten es zu einer Art Sand, der die Oberfläche des Erdtrabant­en teils meterhoch bedeckt. Der entscheide­nde Unterschie­d zu irdischen Böden: „Auf der Erde sind Böden biologisch beeinfluss­t“, sagt Mall und verweist auf Pflanzen, Tiere und Mikroorgan­ismen. „Das fehlt auf dem Mond.“Für die Studie hatte das Team nur insgesamt etwa zwölf Gramm Mondmateri­al zur Verfügung, das die Apollo-Missionen 11, 12 und 17 von ihren jeweiligen Landeplätz­en zur Erde mitgebrach­t hatten. Das Material wurde jeweils auf eine Korngröße von unter einem Millimeter gesiebt, mit Steinwolle und einer wässrigen Nährstoffl­ösung versehen und zu jeweils 0,9 Gramm in Minibehält­er gegeben.

Auf das Substrat platzierte­n die Forscher dann Samen der AckerSchma­lwand. Die auch in Deutschlan­d weitverbre­itete Pflanze wird in der Biologie als Modellorga­nismus genutzt, unter anderem weil ihr Genom vollständi­g sequenzier­t ist. Zunächst keimten sämtliche zwölf Samen. „Das hatten wir nicht vorhergesa­gt“, sagt Erstautori­n Anna-Lisa Paul. „Das zeigte uns, dass Mondböden die an der Pflanzenke­imung beteiligte­n Hormone und Signale nicht unterbrech­en.“Allerdings wurden sehr schnell Probleme sichtbar, die bei den Kontrollpf­lanzen in terrestris­chem Substrat, das dem Mondmateri­al ähnelte, nicht auftraten: Die Pflanzen wuchsen langsamer, blieben kleiner, verfärbten sich und variierten insgesamt sehr stark. All dies deuten die Forscher als Zeichen von Stress. Analysen ergaben, dass die Genaktivit­ät jener von Pflanzen ähnelte, die mit ungünstige­n Faktoren wie Salz, Metallen oder oxidativem Stress konfrontie­rt sind. „Daraus leiten wir ab, dass die Pflanzen die lunaren Bodenbedin­gungen als belastend empfanden“, sagt Paul.

Allerdings registrier­te das Team auffällige Unterschie­de zwischen den verschiede­nen Mondsubstr­aten: Am schlechtes­ten gediehen Pflanzen auf jenem Material, das die ApolloMiss­ion 11 zur Erde gebracht hatte. Der Mondregoli­th an dieser Landestell­e ist – im Gegensatz zu den Arealen von Apollo 12 und Apollo 17 – älter und war damit länger der kosmischen Strahlung und dem Sonnenwind ausgesetzt. Diese Ströme geladener Teilchen prasseln stetig auf das Mondmateri­al nieder und reichern es vor allem mit Wasserstof­fund Helium-Ionen an.

Insgesamt könnten Pflanzen zwar durchaus auf „Monderde“wachsen, allerdings sei dies grundsätzl­ich keine gute Wachstumsu­mgebung. „Die Daten deuten darauf hin, dass älterer Regolith ein schlechter­es Substrat für Pflanzenwa­chstum bietet als jüngerer Regolith“, schreibt das Team. Am besten gediehen die Pflanzen demnach auf dem von Apollo 17 mitgebrach­ten Material.

Die Studie lasse viele Fragen offen, sagt Mall. Insbesonde­re bleibe unklar, welche Komponente­n des Mondmateri­als für die Probleme der Pflanzen verantwort­lich waren. „Da können sehr viele Faktoren eine Rolle spielen.“Auf diese Schwächen weisen auch die Autoren selbst hin: Bevor man Mondregoli­th als lokale Ressource für Pflanzenba­u nutze, müsse man dieses Material besser charakteri­sieren und optimieren.

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Foto: Tyler Jones, IFAS Communicat­ions

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