Augsburger Allgemeine (Land West)
Ratten im Haus: Eklige Fotos landen auf Richtertisch
Um gruselige Zustände in einer Wohngegend in Mannheim ging es am Amtsgericht. Die Aufnahmen zeigten völlig überquellende Mülltonnen und ein Gewusel von Nagetieren.
Es waren nur drei Worte zum Abschluss eines Telefonats, um die sich dieser kuriose Beleidigungsprozess drehte. Doch dann rechnete die Angeklagte, 41, mit dem Mann ab, der sie angezeigt und der ihr eine Wohnung vermietet hatte, in der sich alles andere als angenehm leben ließ. Sie legte mit ihrem Anwalt insgesamt 13 teils gruselige Fotos auf den Tisch von Strafrichterin Susanne Scheiwiller. Diese sollten begründen, warum sie im Juli 2021 in dem Telefongespräch mit ihrem Vermieter ausgerastet war und ihn mit „Du kleiner Hurensohn“betitelt hatte.
Die Fotos zeigten nicht nur eine tote Ratte vor der Wohnungstüre, sondern auch ein Gewusel von 20 bis 30 lebenden Nagetieren in einer Mülltonne, die sich offenbar Essensreste schmecken ließen. Die Angeklagte (Verteidiger: Thomas
Dominkovic) hatte von dem Vermieter aus Augsburg eine Wohnung in einem größeren Mehrparteienhaus im Nordosten von Mannheim angemietet – in einer Wohngegend, in der sich nicht gerade Villen aneinanderreihen. Das Haus liegt einige Hundert Meter entfernt von einem Arm des Altrheins, in der Nähe eines kleinen Waldgebietes. Eine Gegend also, in der sich die für die meisten Menschen ekligen Nagetiere offenbar äußerst wohlfühlen. Möglicherweise, so stellte sich im Prozess heraus, war die Rattenplage auch im laschen Umgang mancher Hausbewohner mit dem Müll begründet.
Fotos, die der Anwalt der Richterin vorlegte, zeigten nicht nur schadhafte Türen und Wasseranschlüsse in dem Haus, sondern auch völlig überquellende Mülltonnen. Angeblich sei Müll sogar einfach aus dem Fenster geworfen worden. Im Juli 2021 also hatte die Mieterin
wieder einmal bei ihrem Vermieter in Augsburg angerufen und sich über das Rattenproblem beschwert. Der Vermieter, 28, versprach erneut, einen Kammerjäger zu schicken, wie er es zuvor schon angeblich sechs- bis siebenmal getan hatte.
Offenbar mit äußerst mageren Ergebnissen.
Am Ende des Telefonats hatte die Mieterin, so behauptete der 28-Jährige jetzt noch einmal vor Gericht, ihn mit dem Satz „Du kleiner Hurensohn“beleidigt. Nach einer Anzeige
hatte die Staatsanwaltschaft den Beleidigungsfall nicht mit einem Strafbefehl sanktioniert, sondern sogar Anklage wegen Beleidigung erhoben. Der Grund: Die Frau stand wegen eines anderen Urteils unter einer offenen Bewährung. Nun im Prozess bestritt sie, ihren Vermieter als „Hurensohn“betitelt zu haben, räumte aber ein, es sei ein „unschönes“Gespräch gewesen.
Nachdem die Angeklagte inzwischen aus dem Haus ausgezogen ist, versuchte Richterin Scheiwiller den Rechtsfrieden unter den Beteiligten, ohne ein Urteil sprechen zu müssen, wieder herzustellen. Nach einer längeren Denkpause gelang dies auch. Der Vermieter zog seinen Strafantrag zurück, nachdem seine ehemalige Vermieterin einräumte, sich im Ton vergriffen zu haben und sich entschuldigte. Das Gericht stellte das Verfahren ohne Auflage ein. Das unappetitliche Rattenproblem dürfte damit freilich nicht gelöst sein.