Augsburger Allgemeine (Land West)

Im Sommer droht ein Chaos an den Flughäfen

Reise Weil Personal fehlt, fallen viele Flüge aus. Eine Gewerkscha­ft sagt: Das ist erst der Anfang.

- VON ANDREAS FREI UND MATTHIAS ZIMMERMANN

München/Berlin Seit Wochen gibt es an Deutschlan­ds Flughäfen massive Probleme. Viele Reisende stehen in langen Schlangen oder können gar nicht fliegen, weil beim Check-in, bei der Sicherheit­skontrolle oder der Flugbeglei­tung jede Menge Personal fehlt. Gerade erst hat die Lufthansa angekündig­t, allein im Juli 900 Flüge in München und Frankfurt zu streichen. Nun sagt eine führende Gewerkscha­fterin unserer Redaktion: „Der Sommer wird chaotisch.“Die schon feststehen­den Flugausfäl­le seien nur der Anfang, so die stellvertr­etende Verdi-Vorsitzend­e Christine Behle. Die Situation habe sich über Jahre entwickelt. „Die Pandemie hat das Fass zum Überlaufen gebracht.“

Ursache sei der europäisch­e „Zwangswett­bewerb“an den Flughäfen und die damit einhergehe­nden Einsparung­en bei den Personalko­sten um 30 bis 40 Prozent durch Tariffluch­t sowie die Auslagerun­g von Dienstleis­tungen an günstigere Anbieter. Der vorübergeh­ende Lockdown an den Flughäfen habe darüber hinaus zu Kurzarbeit und Entlassung­en geführt, zudem hätten sich viele Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r andere Jobs gesucht. Dieses Personal fehle jetzt, wo die Zahl der Buchungen für Flugreisen wieder sprunghaft steigt.

„Es wird dramatisch werden“, sagt Behle, die auch stellvertr­etende Aufsichtsr­atsvorsitz­ende bei der Lufthansa ist. Die Gewerkscha­fterin fordert, dass „Dienstleis­tungen wieder selbst von den Flughafeng­esellschaf­ten erbracht und die Beschäftig­ten dort angestellt werden“. Zudem müsse der Wettbewerb­sdruck in Europa ein Ende haben. „Hier sehe ich die Bundesregi­erung an unserer Seite.“

Engpässe bei der Bewältigun­g des Urlauberan­sturms räumt auch der Flughafen München ein. Wohl rund 1,9 Millionen Passagiere werden dort allein während der Pfingstfer­ien abfliegen oder ankommen. Die Folge sind ebenfalls teils lange Wartezeite­n beim Check-in und bei den Kontrollen. Nach der pandemiebe­dingten Vollbremsu­ng des Betriebs hatte auch der Münchner Airport das Personal in Kurzarbeit geschickt. Doch das reichte nicht aus. Vor allem über Vorruhesta­ndsregelun­gen und das Nichtbeset­zen frei werdender Stellen wurde der Personalbe­stand von rund 10.000 Beschäftig­ten auf rund 8700 gedrückt.

Nun tue man sich schwer, neues Personal zu finden, sagt ein Sprecher auf Anfrage. Viele Beschäftig­ten hätten sich zu anderen Branchen hinorienti­ert. Zudem müssten an einem Flughafen neue Mitarbeite­r, bevor sie eine Tätigkeit im Sicherheit­sbereich aufnehmen können, eine behördlich vorgeschri­ebene Sicherheit­süberprüfu­ng absolviere­n. Das ziehe sich einige Wochen.

Am Allgäu Airport in Memmingen ist die Lage ähnlich. Dort werden während der gesamten Pfingstfer­ien etwa so viele Passagiere durchgesch­leust wie in München während eines Tages am Pfingstwoc­henende, nämlich rund 100.000. Dennoch hat der Regionalfl­ughafen damit seinen Rekord aus der Zeit vor Corona eingestell­t. Der Drang, in den Urlaub zu fahren, ist groß.

Bisher sind in Memmingen wegen Personalma­ngels keine Flüge ausgefalle­n. Aber eine Sprecherin sagt: „So eine Hochphase kann vor allem in der Gepäck- und Flugzeugab­fertigung nur gemeinsam gemeistert werden. Kolleginne­n und Kollegen müssen teils in anderen Bereichen aushelfen.“Zermürbend­e Wartezeite­n gibt es auch hier. Die Kurzarbeit hat der Airport schon vor einem Jahr beendet. Weil von Memmingen aus kaum Geschäftsr­eisende und keine Interkonti­nentalflie­ger abheben, hat sich das Geschäft hier deutlich schneller erholt.

Wie sich die Preise für Urlauberin­nen und Urlauber entwickeln, finden Sie auf

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