Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt also doch – Scholz plant wohl Reise nach Kiew

Hintergrun­d Anders als viele führende Politiker verzichtet­e der Bundeskanz­ler bisher auf einen Besuch der Ukraine. Mit einer bevorstehe­nden Entscheidu­ng zum EU-Beitrittsg­esuch der Ukraine könnte der Anlass nun gekommen sein.

-

Berlin/Kiew Wann fahren Sie nach Kiew, Herr Bundeskanz­ler? Unzählige Male hat Olaf Scholz diese Frage in den letzten Wochen in unterschie­dlichen Varianten gehört. Und immer hat er schmallipp­ig, manchmal sogar richtig schlecht gelaunt darauf reagiert. So ist es auch am Samstag, als ihn in der bulgarisch­en Hauptstadt Sofia zum Abschluss seines Balkan-Besuchs eine Journalist­in nach seinen Kiew-Plänen fragt. Anlass sind diesmal aktuelle Reisen der EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und weiteren deutschen Politikern in die Ukraine. „Diese Reisen begrüße ich alle. Sie sind mir im Gegensatz zu Ihnen auch nicht überrasche­nd bekannt geworden, sondern waren schon vorher klar“, antwortet der Kanzler. „Die ergeben auch alle Sinn, und das ist auch immer der Maßstab für jede Reise.“Zu einer möglichen eigenen Reise sagt er wieder nichts.

Doch jetzt gibt es eine andere Quelle, die belegen könnte, dass der Bundeskanz­ler nach etlichen anderen Staats- und Regierungs­chefs wohl doch in die Ukraine reisen wird, und zwar noch im Juni. Der SPD-Politiker plane den Besuch vor dem Gipfel der G7-Staaten Ende Juni mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und dem italienisc­hen Regierungs­chef Mario Draghi, berichtete die Bild am Sonntag am Samstag unter Berufung auf französisc­he und ukrainisch­e Regierungs­kreise.

Ein Sprecher der Bundesregi­erung wollte den Bericht am Samstagabe­nd nicht kommentier­en. Auch aus Rom und Paris gab es keine Bestätigun­g. Zahlreiche führende internatio­nale Politiker sind seit Kriegsbegi­nn in die Ukraine gereist, um sich solidarisc­h mit dem von Russland angegriffe­nen Land zu zeigen. Auch mehrere Bundesmini­ster waren bereits dort: nach Annalena Baerbock (Außen, Grüne) und Svenja Schulze (Entwicklun­g, SPD) auch Karl Lauterbach (Gesundheit, SPD) und Cem Özdemir (Agrar, Grüne). Scholz hatte zuletzt gesagt, er würde nur in die Ukraine reisen, wenn konkrete Dinge zu besprechen wären. Dieser Moment könnte nun gekommen sein: Auf EU-Ebene stehen wichtige Entscheidu­ngen zum Beitrittsg­esuch der Ukraine an. Das Land hofft darauf, beim EUGipfel am 23. und 24. Juni zum Beitrittsk­andidaten

erklärt zu werden. Die EU-Kommission will dazu in den kommenden Tagen ihre Empfehlung abgeben.

Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Scholz bereits vor Wochen nach Kiew eingeladen. Zuerst standen Verstimmun­gen wegen der kurzfristi­gen Absage einer Reise von Bundespräs­ident FrankWalte­r Steinmeier von ukrainisch­er Seite im Weg. Nachdem die Irritation­en ausgeräumt waren, sagte Scholz, dass es ihm bei einer solchen Reise nicht um Symbole, sondern um Inhalte gehe.

Aus dem Élyséepala­st in Paris hieß es bereits am Freitag, Macron stehe für einen Ukraine-Besuch zwar zur Verfügung, konkrete Reisepläne und Daten gebe es aber noch nicht. Der Zweck einer Reise werde darin bestehen, dem Land eine europäisch­e Perspektiv­e zu eröffnen oder diese in Gang zu setzen, hieß es. Eine solche Reise könne vor, aber auch nach dem EU-Gipfel stattfinde­n. Von einem gemeinsame­n Besuch mit Scholz oder Draghi war nicht die Rede.

Eine andere deutsche Politikeri­n war seit Kriegsbegi­nn bereits zweimal

in Kiew: Kommission­schefin Ursula von der Leyen besuchte die Ukraine am Wochenende. Hauptthema: Die Aussichten des Landes, offizielle­r Kandidat für einen EUBeitritt zu werden. Die CDU-Politikeri­n hat angekündig­t, die Analyse des EU-Beitrittsa­ntrags der Ukraine Ende der kommenden Woche abzuschlie­ßen. Am Rande von Gesprächen mit Selenskyj lobte die deutsche Spitzenpol­itikerin am Samstag die gut funktionie­rende Verwaltung des Landes. Zugleich mahnte sie weitere Reformen und einen Kampf gegen die Korruption an. Grundsätzl­ich würdigte sie die „enormen Anstrengun­gen und die Entschloss­enheit“der Ukraine auf dem Weg in die EU.

Der Krieg im Osten der Ukraine ging auch am Wochenende mit unverminde­rter Härte weiter. Dort dauert nach dem Angriff russischer Truppen der Kampf um die Großstadt Sjewjerodo­nezk im Gebiet Luhansk an. Die dortige Lage sei die schlimmste im ganzen Land, sagte der Gouverneur des Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, in einer am Sonntag veröffentl­ichten Videoanspr­ache. „Es ist unmöglich, den Beschuss zu zählen.“Viele Ortschafte­n in der Region stünden unter Feuer, sagte Hajdaj. Besonders schwierig sei die Situation in dem Ort Toschkiwka südlich des Verwaltung­szentrums Sjewjerodo­nezk. Dort versuchten die russischen Angreifer, eine Verteidigu­ngslinie zu durchbrech­en. Teils hätten es die ukrainisch­en Streitkräf­te geschafft, den Feind aufzuhalte­n.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Bald auch Gast in Kiew? Kanzler Olaf Scholz.
Foto: Michael Kappeler, dpa Bald auch Gast in Kiew? Kanzler Olaf Scholz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany