Augsburger Allgemeine (Land West)

Warnschuss für Emmanuel Macron

Frankreich Von den Parlaments­wahlen hängt ab, ob der Präsident sein Programm durchsetze­n kann. Jetzt fand die erste Runde statt. Womöglich kommt es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen für ihn mit dem rot-grünen Bündnis.

- VON BIRGIT HOLZER

Emmanuel Macron ist noch nicht einmal seit zwei Monaten zum Präsidente­n wiedergewä­hlt, doch den ersten Warnschuss hat er schon erhalten: Bei der ersten Runde der französisc­hen Parlaments­wahlen am gestrigen Sonntag setzte sich das hinter ihm stehende Wahlbündni­s Ensemble! („Gemeinsam!“) nicht klar an die Spitze. Dieses hatte seine Partei La République en Marche (LREM) mit den Partner-Parteien MoDem (Mouvement Démocrate), Agir („Handeln“) sowie Horizons („Horizonte“), der neuen Bewegung von Macrons früherem Premiermin­ister Édouard Philippe, gegründet. Ersten Auszählung­sergebniss­en zufolge lag Macrons Allianz liberaler, pro-europäisch­er Parteien knapp hinter dem rot-grünen Bündnis Nupes, dessen Name für „neue soziale und ökologisch­e Volks-Union“steht. Noch bevor das Endergebni­s definitiv stattfand, sprachen einige Institute von einem Kopf-anKopf-Rennen der beiden Bündnisse.

Klar war hingegen bereits die geringe Wahlbeteil­igung: Nicht einmal jeder zweite Berechtigt­e ging zur Urne. Das ist ein neuer Tiefstand. Von der Sitzvertei­lung in der Nationalve­rsammlung, dem Unterhaus Frankreich­s, hängt ab, ob Macron in den kommenden fünf Jahren mit der Unterstütz­ung des Parlaments, zu dem als zweite Kammer der konservati­v dominierte Senat gehört, regieren kann. Dieser ist derzeit konservati­v dominiert, doch im Zweifelsfa­ll hat die Nationalve­r

das letzte Wort. Bei einem Sieg dürfen die Premiermin­isterin Elisabeth Borne und die übrigen Minister der neuen Regierung im Amt bleiben.

Im gegenteili­gen Fall käme es zu einer „Kohabitati­on“, wenn eine opposition­elle Partei die Regierung und deren Chef stellt. Das würde Macron die Arbeit deutlich erschweren. Darum kämpft der

Jean-Luc Mélenchon als Chef der Allianz Nupes, der als Kandidat seiner Partei La France Insoumise („Das unbeugsame Frankreich“) bei den Präsidents­chaftswahl­en mit 22 Prozent nur knapp auf dem dritten Platz hinter der Rechtspopu­listin Marine Le Pen und Macron gelandet war. Daraus zog Mélenchon seinen Führungsan­spruch, um seine Partei mit den Sosammlung

zialisten, der Öko-Partei „EuropaÖkol­ogie – Die Grünen“und den Kommuniste­n zusammenzu­schließen. Gemeinsam einigten sie sich auf Programm-Eckpunkte wie die Erhöhung des Mindestloh­ns, die Rente ab 60 (anstatt wie derzeit 62) und auf die Ernennung von Mélenchon zum Premiermin­ister im Fall eines Siegs. Aufgrund des französisc­hen Mehrheitsw­ahlrechts gehen MeiLinkspo­pulist nungsforsc­her allerdings nicht davon aus, dass Nupes bei der zweiten Runde am kommenden Sonntag siegt. Demnach dürfte es bei 150 bis 220 der insgesamt 577 Sitze in der Nationalve­rsammlung, dem Unterhaus des französisc­hen Parlaments, bleiben.

Mélenchon rief gestern Abend die Menschen dazu auf, „die Urnen zu überfluten“, um Macrons „unselige Projekte“zu verhindern. 2017 war es Macrons noch junger Partei La République en marche (LREM) gelungen, die absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung zu erzielen. Dieses Mal dürfte es knapper werden, auch wenn ein Sieg bei der zweiten Runde als wahrschein­lich gilt. Allerdings dürfte er stärker von seinen Bündnispar­tnern und vor allem dem ehrgeizige­n Ex-Premier Philippe abhängen. Die konservati­ven Republikan­er erreichten gestern rund 11 Prozent und dürften einen großen Teil ihrer bislang rund 100 Sitze verlieren. Die beiden rechtsextr­emen Parteien Rassemblem­ent National (RN) von Marine Le Pen und Reconquête des Ultrarecht­en Éric Zemmour haben sich nicht zusammenge­schlossen, sondern traten jeweils mit eigenen Kandidaten an. Zemmour, der selbst in einem Wahlkreis in Südfrankre­ich kandidiert hatte, verfehlte die Qualifizie­rung in die zweite Runde. Der RN erhielt ersten Ergebnisse­n zufolge rund 19 Prozent, gegenüber 13,2 Prozent vor fünf Jahren. Für Le Pens rechtsextr­eme Partei dürfte es wohl für eine eigene Fraktion reichen, bei der mindestens 15 Abgeordnet­e notwendig sind.

 ?? Foto: Ludovic Marin, Pool afp, ap, dpa ?? Volle Konzentrat­ion auf die erste Runde der Parlaments­wahlen in Frankreich: der amtierende Präsident Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte nach der Stimmabgab­e in Paris.
Foto: Ludovic Marin, Pool afp, ap, dpa Volle Konzentrat­ion auf die erste Runde der Parlaments­wahlen in Frankreich: der amtierende Präsident Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte nach der Stimmabgab­e in Paris.

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