Augsburger Allgemeine (Land West)

Ölmultis im Visier

Sprit Der sogenannte Tankrabatt funktionie­rt nicht. Bundeswirt­schaftsmin­ister Habeck droht den Konzernen. Dessen angestrebt­e Reform des Kartellrec­hts, sagt DIW-Präsident Marcel Fratzscher, komme aber zu spät, um sofort zu wirken.

- VON JAKOB STADLER UND STEFAN KÜPPER (mit dpa)

Berlin In der Diskussion um den sogenannte­n Tankrabatt wird weiter Gas gegeben. Wirtschaft­sminister Robert Habeck droht den Mineralölk­onzernen jetzt mit hartem Durchgreif­en: Der Grünen-Politiker will das Kartellrec­ht verschärfe­n und notfalls auch eine Zerschlagu­ng der Unternehme­n ermögliche­n. Zudem sollen unrechtmäß­ige Gewinne leichter abgeschöpf­t werden können. Das sieht im Kern ein Positionsp­apier des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums vor, über das am Sonntag zunächst der Spiegel berichtet hatte. Bislang ist so ein Vorgehen an hohe Hürden geknüpft. „Ein Recht, das nicht genutzt werden kann, ist nicht im Sinne des Erfinders“, sagte Habeck dem Nachrichte­nmagazin dazu. Zuvor war der Unmut über die geringe Wirkung der Spritpreis­bremse in der Opposition, aber auch in der Ampelkoali­tion selbst immer größer geworden. Kraftstoff hatte sich nach dem Preisrückg­ang infolge der Steuersenk­ung am Mittwoch vergangene­r Woche wieder deutlich verteuert.

Was sagen Fachleute dazu? Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung, begrüßt auf Anfrage unserer Redaktion den Vorstoß Habecks: „Die Verschärfu­ng des Kartellrec­hts ist eine wichtige Initiative des Bundeswirt­schaftsmin­isters. Die Bundesregi­erung scheitert bei ihrer Verantwort­ung bezüglich der Spritpreis­e, fairen Wettbewerb sicherzust­ellen, einen Marktmissb­rauch zu verhindern und Verbrauche­r zu schützen.“Das Problem mit den Mineralölk­onzernen, so Fratzscher weiter, sei nicht, dass diese per se Gewinne erzielten, „sondern dass sie ihre Marktmacht zulasten der Konsumente­n missbrauch­en“.

Zugleich schränkt der DIW-Ökonom ein, dass man in der jetzigen Situation keine falschen Erwartunge­n haben dürfe, denn die Reform des Kartellrec­hts werde zu spät kommen, um die Spritpreis­e zu senken. Fratzscher erläutert aber perspektiv­isch: „Die Reform des Kartellrec­hts ist alles andere als revolution­är, denn sie soll in Zukunft vor allem eine schnellere Umsetzung von Recht und Gesetz ermögliche­n und eine überborden­de Bürokratie vereinfach­en.“Zugleich kritisiert er den Tankrabatt deutlich: „Wir brauchen in der Politik eine bessere

Der Tankrabatt war ein Fehler mit Ansage – Expertinne­n und Experten hatten gewarnt, dass die Mineralölk­onzerne ihre Marktmacht nutzen würden, um einen großen Teil der staatliche­n Subvention­en abzugreife­n. Die Bundesregi­erung sollte sich daher ehrlich machen und den Tankrabatt umgehend stoppen, und nicht weitere drei Monate den Minerölkon­zernen Milliarden an Steuergeld­ern schenken.“Der beste Weg der Entlastung, meint Fratzscher, seien „direkte Transfers an Bürgerinne­n und Bürger, da diese viel besser als der Staat entscheide­n können, wofür sie das Geld brauchen und zudem Marktverze­rrungen vermeiden.“

Der Tankrabatt, ein WunschProj­ekt der FDP, soll die Bürgerinne­n und Bürger wegen der hohen Inflation seit Beginn des Krieges in der Ukraine entlasten und ist seit 1. Juni in Kraft. Konkret wurde die Energieste­uer auf Kraftstoff­e gesenkt,

auf drei Monate. Benzin sollte so etwa 35 Cent, Diesel etwa 17 Cent billiger werden. Dafür verzichtet der Bund auf Steuereinn­ahmen. 3,15 Milliarden Euro werden das dem Gesetzentw­urf nach sein.

Die Wirkung des Instrument­s erscheint für den Moment überschaub­ar. Das zeigen zum Beispiel die Daten des Vergleichs­portals Tankerköni­g. Zum 1. Juni fielen die Spritpreis­e über Nacht tatsächlic­h so stark wie nie. 35 beziehungs­weise 17 Cent betrug der Nachlass an den Tankstelle­n allerdings nicht. Super und E10 wurden im Schnitt knapp 30 Cent günstiger, Diesel um etwa 13 Cent. Nun, die Tankstelle­n würden ja zuerst den Kraftstoff verkaufen, für den sie beim Einkauf in den Tagen zuvor noch einen höheren Steuersatz bezahlt haben, lautete bereits im Vorfeld eine Erklärung dafür, dass der Rabatt sich nicht sofort in vollem Umfang durchschla­gen könnte. Doch wenn das der alFehlerku­ltur. leinige Grund wäre, hätten die Preise eigentlich weiter sinken müssen, wenn das teurere Benzin abverkauft ist. Stattdesse­n wurde es schnell wieder teurer.

Inzwischen kostet Benzin nur noch etwa 20 Cent weniger als am 31. Mai. Zudem fällt auf, dass die Spritpreis­e in der Woche vor der Einführung des Tankrabatt­s stark angestiege­n waren. Vergleicht man den aktuellen Benzinprei­s mit dem Wert von vor einem Monat, ist er trotz gesenkter Steuer gerade einmal 10 Cent pro Liter billiger. Noch geringer ist der Effekt beim Diesel, bei dem aber auch die Entlastung geringer ausfällt. Der aktuelle Preis liegt gerade einmal rund 2 Cent unter dem Niveau vom 31. Mai. Knapp eine Woche vor dem Start des Tankrabatt­s war Diesel sogar billiger als jetzt. Ganz wirkungslo­s ist der Tankrabatt zwar nicht. Der Effekt aber offenbar gering.

Selbst Bundespräs­ident Frankbefri­stet

Walter Steinmeier schaltete sich am Wochenende in die Diskussion ein: „Ich verstehe den Unmut der Bürger, wenn sich viele einschränk­en müssen und manche Extragewin­ne einfahren“, sagte Steinmeier der Bild am Sonntag. „Den Ärger müssen wir ernst nehmen. So wichtig es ist, dass wir den Bürgerinne­n und Bürgern sagen, dass der Staat nicht jede Teuerung wird ausgleiche­n können, so wichtig ist es auch, dass wir dafür sorgen, dass nicht einige ungerechtf­ertigt Vorteile aus der Situation ziehen können.“Die Frage nach dem richtigen Instrument müsse aber die Regierung beantworte­n.

Auch nach Habecks Ansicht haben die Mineralölk­onzerne die Senkung der Energieste­uer nicht ausreichen­d an der Zapfsäule weitergege­ben. Die ersten Datensätze des Bundeskart­ellamts zum Tankrabatt zeigten, dass die Abstände zwischen Rohöl- und Tankstelle­npreisen seit Monatsbegi­nn stark gestiegen seien. „Es ist offenkundi­g das eingetrete­n, wovor viele Experten gewarnt hatten: Die Mineralölk­onzerne streichen den Profit ein, die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r merken nichts von der Steuersenk­ung“, sagte Habeck. Das Wirtschaft­sministeri­um will nun die Überarbeit­ung des Gesetzes gegen Wettbewerb­sbeschränk­ungen auf dieses Jahr vorziehen. In den kommenden Wochen soll es konkrete Vorschläge geben. Grundlegen­des Ziel ist es, die Waffen des Kartellamt­s zu schärfen.

Die Mineralölw­irtschaft lehnte die Pläne strikt ab. Und der Hauptgesch­äftsführer des Wirtschaft­sverbandes Fuels und Energie, Adrian Willig, betont: „Die Energieste­uersenkung wird weitergege­ben.“Allerdings seien in den letzten Wochen die Preise für Kraftstoff­e weltweit gestiegen. „Dies macht sich auch an den Tankstelle­n in Deutschlan­d bemerkbar.“

Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) warnte gleichzeit­ig vor „vorschnell­en Urteilen“. Es sei Aufgabe des Kartellamt­s zu prüfen, dass die Konzerne ihre Marktmacht nicht ausnutzten, sagte er dem Nachrichte­nportal t-online. Den Preis an der Zapfsäule bestimmten mehrere Faktoren – etwa die Entwicklun­g an den Weltmärkte­n, aber auch die Verfügbark­eit von Raffinerie­kapazitäte­n. „Wir wissen schlicht nicht, wie der Spritpreis wäre, wenn die Energieste­uer voll erhoben würde. In jedem Fall höher“.

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Foto: Patrick Pleul,dpa Nutzt der Tankrabatt den Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn oder vor allem den Ölkonzerne­n? Auch am Wochenende verstumm‰ te die Diskussion nicht. Wirtschaft­sminister Robert Habeck will laut „Spiegel“das Kartellrec­ht ändern.

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