Augsburger Allgemeine (Land West)
Orientierungslos, aber schön
Angenommen, ein lieber, einem sehr nahe stehender Mensch hat – bei einem kleineren Zwischenfall – das gemeinsame Auto in die wirtschaftliche Unrentabilität befördert. Frei nach Tjorven aus Ferien auf Saltkrokan: „Es kommte bloß so.“Angenommen, das erhoffte Nachfolger-Modell ist irgendwo im Nirwana der Warteschleife (und wird, wenn es da rausgefunden hat, vermutlich doppelt so teuer sein). Angenommen, man mag (gestopft volle Neun-EuroTicket-)Züge nicht, weil da immer irgendwer laut singt und dazu, davor oder danach viele Biere trinkt. Angenommen also, so jemand würde sich dann – mehr unfreiwillig als freiwillig – öfter auf das Radl schwingen, dann hätte das eigentlich viele Vorteile: Das Kurbeln durch die Landschaft ist gut für die Gesundheit. Irgendwann (noch lange nicht) macht es bestimmt auch die Wadln schöner. Es spart zudem Geld (besser nicht tanken als „Rabatt“-tanken). Und: Die vorbeirauschenden Bäume wiegen das Geäst wohlwollend im Wind, weil da dem rotgesichtigen Radler keine Abgas-Wolke hinterher pestet. Soweit, so gut.
Allerdings waren (nicht nur) die Bäume zwar erfreut, aber auch bald verwundert. Denn der, der da im Schweiße seines Angesichts vorbei strampelte, kam öfter. Niemand hat behauptet, dass wer aufs Radl steigt, auch wüsste, wohin er da fährt. Orientierungssinn ist, nun ja, keine gottgewollte Selbstverständlichkeit, sondern eine Gabe, die nicht jedem mitgegeben ist. Klar, es war ein schöner Tag und man weiß, wie die Sonne von Osten nach Westen ihren Lauf verbringt, aber dazwischen ist viel, sehr viel Interpretationsspielraum, wenn die Richtung stimmen muss. Vor allem dann, wenn man es eilig hat und das zwar teure, aber in diesem Moment sehr überflüssige Navigationsgerät nur irre piepst, zum Wenden auffordert, ansonsten aber wie der Tankrabatt ist: Gibt zunächst ein gutes Gefühl, irgendwie, nutzt aber wenig.
Jedenfalls irgendwann angekommen. Noch ein bisschen nach innen geflucht, dann aber froh gewesen. Mit dem Auto wäre man zwar pünktlich angekommen, aber wie immer absorbiert im Transit. Wer aber außer Atem kommt, atmet.