Augsburger Allgemeine (Land West)
Fährt Scholz noch diese Woche nach Kiew?
Ukraine Neuer Streit um Lieferung schwerer Waffen. Frankreich und Italien könnten helfen.
Berlin Wochenlang stand Olaf Scholz wegen zweier Punkte besonders in der Kritik: Wann endlich wird der Kanzler die Lieferung schwerer Waffen verkünden – und wann wird er nach Kiew reisen? In nur wenigen Stunden hat sich die Nachrichtenlage nun gedreht. Scholz will Medienberichten zufolge bereits am Donnerstag in die ukrainische Hauptstadt reisen, zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi. Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner bestätigte die Berichte am Montag in Berlin zwar nicht. „Ich kann hier nicht weiter über irgendwelche Reisepläne berichten“, sagte er. Er dementierte aber auch nicht, was gemeinhin ein Zeichen dafür ist, dass die Berichte stimmen.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will die Ampel unterdessen im Bundestag zur Lieferung schweren Geräts in die Ukraine zwingen. Mitte Mai hatte Scholz Fragen nach einer Kiew-Reise noch mit dem Hinweis zurückgewiesen, er werde sich nicht „einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge“.
Gemessen an diesem Satz kann es bei dem Besuch im Grunde genommen nur darum gehen, die Wünsche des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu erfüllen. Er fordert vom Westen 1000 Haubitzen, 300 Raketenwerfer, 500 Panzer, 2000 gepanzerte Fahrzeuge sowie 1000 Drohnen, wie sein Berater Mychajlo Podoljak erklärte. In Berliner Regierungskreisen wurde allerdings die Erwartung geäußert, dass Scholz nicht für die direkte Lieferung von Waffen und Munition verantwortlich zeichnen wird. Zu groß ist weiterhin die Sorge, dass Deutschland von Russland als Kriegspartei wahrgenommen wird.
Stattdessen könnte es einen Ringtausch
geben: Frankreich und Italien liefern Waffen an die Ukraine, Deutschland wiederum schickt Waffen in diese beiden Länder. Scholz werde auch, hieß es in Regierungskreisen, auf die bisherigen deutschen Lieferungen verweisen. Die Bundesregierung hat in den ersten knapp drei Monaten die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgütern im Wert von 350 Millionen Euro in die Ukraine geliefert, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervorgeht.
In der nächsten Woche kommt der Bundestag zu seiner vorletzten regulären Sitzung vor der Sommerpause zusammen – und für die Regierungskoalition wird es allmählich eng. Die Unionsfraktion will per Antrag auf die Lieferung schwerer Waffen drängen. „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 28. April 2022 auf, endlich die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine in Quantität und Qualität unverzüglich und spürbar zu intensivieren“, heißt es im Antragsentwurf, der unserer Redaktion vorliegt. „Statt wirksamer Lieferungen hören wir aus der Regierung nur Ausflüchte zu vermeintlichen Nato-Verabredungen und Ringtauschen, die nicht funktionieren“, kritisierte Fraktionsvize Johann Wadephul. Ein Angebot für den Schützenpanzer Marder etwa liege seit Ende Februar vor.
Verteidigungsministerin Lambrecht reagierte derweil mit einer Umorganisation auf den UkraineKrieg. Die SPD-Politikerin ordnete an, die bislang auf viele Bereiche verteilten territorialen Führungsaufgaben der Truppe in einem Führungskommando zu bündeln. Es ist unter anderem für den Heimat- und Katastrophenschutz zuständig, organisiert aber auch die Verlegung alliierter Kräfte durch Deutschland. Das Kommando soll direkt dem Ministerium unterstellt werden.