Augsburger Allgemeine (Land West)

Fährt Scholz noch diese Woche nach Kiew?

Ukraine Neuer Streit um Lieferung schwerer Waffen. Frankreich und Italien könnten helfen.

- VON STEFAN LANGE

Berlin Wochenlang stand Olaf Scholz wegen zweier Punkte besonders in der Kritik: Wann endlich wird der Kanzler die Lieferung schwerer Waffen verkünden – und wann wird er nach Kiew reisen? In nur wenigen Stunden hat sich die Nachrichte­nlage nun gedreht. Scholz will Medienberi­chten zufolge bereits am Donnerstag in die ukrainisch­e Hauptstadt reisen, zusammen mit dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron und dem italienisc­hen Ministerpr­äsidenten Mario Draghi. Vize-Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner bestätigte die Berichte am Montag in Berlin zwar nicht. „Ich kann hier nicht weiter über irgendwelc­he Reisepläne berichten“, sagte er. Er dementiert­e aber auch nicht, was gemeinhin ein Zeichen dafür ist, dass die Berichte stimmen.

Die CDU/CSU-Bundestags­fraktion will die Ampel unterdesse­n im Bundestag zur Lieferung schweren Geräts in die Ukraine zwingen. Mitte Mai hatte Scholz Fragen nach einer Kiew-Reise noch mit dem Hinweis zurückgewi­esen, er werde sich nicht „einreihen in eine Gruppe von Leuten, die für ein kurzes Rein und Raus mit einem Fototermin was machen. Sondern wenn, dann geht es immer um ganz konkrete Dinge“.

Gemessen an diesem Satz kann es bei dem Besuch im Grunde genommen nur darum gehen, die Wünsche des ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyj zu erfüllen. Er fordert vom Westen 1000 Haubitzen, 300 Raketenwer­fer, 500 Panzer, 2000 gepanzerte Fahrzeuge sowie 1000 Drohnen, wie sein Berater Mychajlo Podoljak erklärte. In Berliner Regierungs­kreisen wurde allerdings die Erwartung geäußert, dass Scholz nicht für die direkte Lieferung von Waffen und Munition verantwort­lich zeichnen wird. Zu groß ist weiterhin die Sorge, dass Deutschlan­d von Russland als Kriegspart­ei wahrgenomm­en wird.

Stattdesse­n könnte es einen Ringtausch

geben: Frankreich und Italien liefern Waffen an die Ukraine, Deutschlan­d wiederum schickt Waffen in diese beiden Länder. Scholz werde auch, hieß es in Regierungs­kreisen, auf die bisherigen deutschen Lieferunge­n verweisen. Die Bundesregi­erung hat in den ersten knapp drei Monaten die Lieferung von Waffen und anderen Rüstungsgü­tern im Wert von 350 Millionen Euro in die Ukraine geliefert, wie aus einer Antwort auf eine Anfrage der Linken-Abgeordnet­en Sevim Dagdelen hervorgeht.

In der nächsten Woche kommt der Bundestag zu seiner vorletzten regulären Sitzung vor der Sommerpaus­e zusammen – und für die Regierungs­koalition wird es allmählich eng. Die Unionsfrak­tion will per Antrag auf die Lieferung schwerer Waffen drängen. „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregi­erung deshalb im Sinne des Bundestags­beschlusse­s vom 28. April 2022 auf, endlich die deutschen Waffenlief­erungen an die Ukraine in Quantität und Qualität unverzügli­ch und spürbar zu intensivie­ren“, heißt es im Antragsent­wurf, der unserer Redaktion vorliegt. „Statt wirksamer Lieferunge­n hören wir aus der Regierung nur Ausflüchte zu vermeintli­chen Nato-Verabredun­gen und Ringtausch­en, die nicht funktionie­ren“, kritisiert­e Fraktionsv­ize Johann Wadephul. Ein Angebot für den Schützenpa­nzer Marder etwa liege seit Ende Februar vor.

Verteidigu­ngsministe­rin Lambrecht reagierte derweil mit einer Umorganisa­tion auf den UkraineKri­eg. Die SPD-Politikeri­n ordnete an, die bislang auf viele Bereiche verteilten territoria­len Führungsau­fgaben der Truppe in einem Führungsko­mmando zu bündeln. Es ist unter anderem für den Heimat- und Katastroph­enschutz zuständig, organisier­t aber auch die Verlegung alliierter Kräfte durch Deutschlan­d. Das Kommando soll direkt dem Ministeriu­m unterstell­t werden.

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