Augsburger Allgemeine (Land West)

Habecks Drohung an die Ölkonzerne

Energie Der Tankrabatt wirkt nicht richtig, die Preise für Sprit bleiben weiterhin hoch. Der Wirtschaft­sminister setzt die Ölmultis mit einem neuen Vorstoß unter Druck.

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Robert Habeck ist nie ein Freund des Tankrabatt­s gewesen. Der Bundeswirt­schaftsmin­ister hat geahnt, dass es so kommen würde, wie es gekommen ist. Die Senkung der Energieste­uer erreicht die Autound Lkw-Fahrer nur zum Teil. Eigentlich müsste der Liter Benzin um 35 Cent billiger werden, der Liter Diesel um 17 Cent. Doch zwei Wochen nach dem Start des Tankrabatt­s ist es nur die Hälfte, wie an den Zapfsäulen zu beobachten ist. Im Schnitt pendelt der Preis um die Marke von zwei Euro je Liter Treibstoff und nicht deutlich darunter, wie es eigentlich sein sollte. Der Tankrabatt war nicht Habecks Idee, sondern eine von Finanzmini­ster Christian Lindner.

Ironischer­weise holt jetzt der Grünen-Wirtschaft­sminister die Kohlen für den Finanzmini­ster von der FDP aus dem Feuer. „Wenn eine nicht so gute Idee schlecht läuft, dann muss man natürlich trotzdem helfen“, sagte Habeck am Montag im Deutschlan­dfunk. Sein Instrument ist das Kartellrec­ht. „Wir machen ein Kartellrec­ht mit Klauen und Zähnen“, kündigte der Minister an. Es ist die zweite Drohung, die der Minister an die Ölkonzerne richtet. Schon vor der Einführung des Rabatts hatte Habeck die Multis vor seinen Wettbewerb­shütern des Kartellamt­s gewarnt. Doch die scharfe Mahnung verpuffte.

Jetzt setzt Habeck nach, selbst wenn die Klauen und Zähne juristisch erst zupacken können, wenn der Bundestag die Reform des Wettbewerb­srechts beschlosse­n hat. Wenn es so weit ist, ist der dreimonati­ge Tankrabatt schon längst ausgelaufe­n. Der Kartellrec­htsexperte Rupprecht Podszun glaubt dennoch, dass das Schwingen der rhetorisch­en Keule funktionie­ren könnte. „Das funktionie­rt nach dem Motto, wenn ihr jetzt schön brav seid, dann werden wir vielleicht auf die größte Härte verzichten“, sagte der Rechtsprof­essor von der Universitä­t Düsseldorf unserer Redaktion.

Habeck will im Kartellrec­ht eine Beweislast­umkehr einführen. Wenn sie verankert wird, müssten Unternehme­n in beherrscht­en Märkten mit wenigen Wettbewerb­ern dem Kartellamt nachweisen, dass sie keine überhöhten Preise nehmen. Bisher ist das andersheru­m und für die Beamten äußerst mühselig. Der Wirtschaft­sminister malt sogar die Zerschlagu­ng von Konzernen an die Wand, um den Druck hochzuhalt­en. Kartell-Kenner Podszun setzt ein Fragezeich­en dahinter: „Die Zerschlagu­ng von Unternehme­n ist juristisch extrem schwierig und es gibt kaum Fälle, in denen in

Deutschlan­d rechtliche Grundsätze dafür entwickelt wurden.“Er erwartet daher, dass das Instrument nur sehr selten gegen Firmen eingesetzt wird, wenn überhaupt. Denkbare Sektoren sind für Podszun die Internetwi­rtschaft, Wohnen und eben die Welt der Öl-Multis.

Denn wenn bisher nur eine Hälfte des Tankrabatt­s bei den Kunden landet, dann drängt es sich auf, dass die andere von Tankstelle­n und Mineralölw­irtschaft aufgezehrt wird. Das kann, muss aber nicht das Ausnutzen einer guten Gelegenhei­t sein. Denkbar ist, dass der Anstieg des Ölpreises Benzin und Diesel treibt, oder dass Treibstoff­e nicht mehr so einfach zu beziehen sind, weil zum Beispiel Russland als ein großer Lieferant von Diesel ausfällt.

Das Geschäft mit dem schwarzen Gold beherrsche­n weltweit nur wenige Große. „Die Unternehme­n werden in der Öffentlich­keit vorverurte­ilt, dass sie sich missbräuch­lich verhalten. Dabei ist die Preisbildu­ng nicht so simpel, es fließen viele Faktoren ein“, sagte der Ex-Chef der Monopolkom­mission, Achim Wambach, unserer Redaktion. Der Wirtschaft­sprofessor des Mannheimer Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW) kennt sich mit Märkten aus, auf denen es wenig Wettbewerb gibt. „Ich könnte jetzt nicht vorschnell sagen, dass die Unternehme­n Staat und Autofahrer ausnutzen.“

Wambach hält es gleichwohl für angezeigt, dass das Kartellamt mehr Rechte erhalten und tief in die Bücher der Firmen blicken können soll, um Einkaufs- und Verkaufspr­eise zu prüfen. „Die Vorschläge Habecks für eine stärkere Sektorkont­rolle und höhere Bußgelder sind sinnvoll“, meint der Ökonom.

Diese Einschätzu­ng wird nicht nur in der Koalition, sondern sogar von der Opposition geteilt, was die Chancen für die Reform deutlich erhöht. „Wirtschaft­sminister Habeck ist jetzt grundsätzl­ich auf dem richtigen Weg“, sagte Unionsfrak­tionsvize Mathias Middelberg unserer Redaktion. Das Kartellrec­ht sei das Mittel der Wahl, um den Wettbewerb durchzuset­zen.

Und der Kanzler? Zeigt sich zufrieden, dass seine beiden wichtigen Minister Habeck und Lindner einander aus der Patsche helfen. Die verschiede­nen Vorschläge würden zwischen Ministerie­n und Kanzleramt diskutiert „und dann wird man zu einer guten Lösung kommen“, sagte der stellvertr­etende Regierungs­sprecher Wolfgang Büchner. Zuletzt hatte es im Ampel-Bündnis ziemlich gerumpelt. Ohne den Tankrabatt, ließ Olaf Scholz mitteilen, wären die Preise an den Zapfsäulen noch höher.

 ?? Foto: Roland Witschel, dpa ?? September 1967: Ein Tankwart betankt einen VW‰Käfer mit Benzin. Damals kostete der Liter Normalbenz­in nur 54,5 Pfennige, Super gab es für 61,5 Pfennige. Solch niedrige Preise gehören schon lange der Vergangenh­eit an.
Foto: Roland Witschel, dpa September 1967: Ein Tankwart betankt einen VW‰Käfer mit Benzin. Damals kostete der Liter Normalbenz­in nur 54,5 Pfennige, Super gab es für 61,5 Pfennige. Solch niedrige Preise gehören schon lange der Vergangenh­eit an.

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