Augsburger Allgemeine (Land West)

Spanien soll näher an Europa rücken

Energie

- (Jan-Uwe Ronneburge­r, dpa)

Durch neue Pipelines soll Gas von der iberischen Halbinsel nach Norden fließen. Länder wie Deutschlan­d wären so unabhängig­er von Russland. Doch gebaut wird nur, wenn künftig auch Wasserstof­f durch die Leitungen fließen kann.

Madrid Spanien hat, was Deutschlan­d derzeit schmerzlic­h fehlt: Flüssiggas-Terminals und die dazugehöri­gen Speicher. Und zwar gleich sechs davon, das entspricht etwa 25 Prozent der gesamten europäisch­en Kapazitäte­n in diesem Bereich. Zudem strömt durch zwei Pipelines Erdgas aus Algerien in Nordafrika in das gut ausgebaute spanische Netz. Schade nur, dass es kaum Pipelines nach Norden gibt und Spanien zusammen mit Portugal bei Energie wie eine Insel ist.

Das soll sich nun unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine schleunigs­t ändern, und zwar durch den Bau neuer Pipelines. Durch sie würde für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre noch Erdgas, langfristi­g dann aber grüner Wasserstof­f fließen. „Diese Gasleitung­en werden schon jetzt als Wasserstof­fleitungen angepriese­n, denn fossile Infrastruk­tur ist kaum noch durchsetzb­ar“, sagt der Energieexp­erte Ángel Saz vom Thinktank Esade in Madrid. „Dass es sich langfristi­g um Leitungen für Wasserstof­f handelt, ist ja auch keine Lüge“, fügt er hinzu. Grüner Wasserstof­f wäre vor allem für die energieint­ensiven Industrien Deutschlan­ds von großer Bedeutung.

Haupttreib­er der Umwandlung

ist die EU-Kommission. Mitte Mai hat sie ihren Plan zur Umwandlung des europäisch­en Energiesys­tems, den sogenannte­n „REPowerEU“-Plan, vorgestell­t. Ziel ist es, den Energiever­brauch zu senken, den Ausbau erneuerbar­er Energien zu beschleuni­gen und neue Quellen für Gaslieferu­ngen zu erschließe­n, um unabhängig von russischem Gas zu werden. Bei den beiden letzten Punkten rechnet sich Spanien gute Chancen aus. Sowohl beim Transport von Erdgas Richtung Norden als auch langfristi­g bei der Erzeu

gung und Weiterleit­ung grünen Wasserstof­fs, der mit Elektrizit­ät aus erneuerbar­en Quellen wie Wind oder Sonne erzeugt wird. „Wenn neue Pipelines, dann nur noch Wasserstof­fpipelines“, sagt ein Vertreter der Gasindustr­ie. Das spanische Wort für Gaspipelin­es, „Gasoducto“, mag er fast nicht mehr in den Mund nehmen. Zudem könnten die schon bestehende­n Gasleitung­en „ohne größeren Aufwand“auf Wasserstof­f umgestellt werden.

Seinen Namen und den seines großen Unternehme­ns möchte der

Sprecher lieber nicht genannt haben. Alles sei gerade im Fluss, noch nichts in trockenen Tüchern und es gehe um politische Entscheidu­ngen und viel Geld, begründet er seine Vorsicht. Denn die Kommission will im Rahmen von „REPowerEU“bis zu 300 Milliarden Euro mobilisier­en. Davon sind 72 Milliarden Euro als Zuschüsse und 225 Milliarden Euro an Darlehen vorgesehen. Ein Teil, und zwar bis zu 10 Milliarden Euro, soll in die Finanzieru­ng fehlender Gas- und Flüssiggas-Verbindung­en investiert werden, unter anderem von Spanien Richtung Norden. Spaniens Regierungs­chef Pedro Sánchez hat gerade erst wieder bekräftigt, dass der Ausbau von Brüssel finanziert werden müsse, weil die Pipelines ja den Nordeuropä­ern, vor allem Deutschlan­d, aus der Patsche helfen sollen.

Bisher gibt es gerade mal zwei kleinere Pipelines über die Pyrenäen nach Frankreich. Sie haben zusammen eine Jahreskapa­zität von nur sieben Milliarden Kubikmeter­n. Zur Einordnung: Die EU importiert­e bis zum Beginn des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine jährlich rund 150 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland. Diskutiert werden zwei Projekte. Dabei geht es zum einen um die Wiederbele­bung des 2017 abgebroche­nen Projekts Midcat, einer Erdgaspipe­line von Barcelona über die Pyrenäen bis zum südfranzös­ischen Barbairan.

Die zweite Pipeline würde von Barcelona durchs Mittelmeer bis in die Hafenstadt Livorno verlaufen. Dieses Projekt befindet sich nach Angaben von Energieexp­erten aber noch in einer sehr frühen Phase. Die guten Gasverbind­ungen von Italien Richtung Norden machten diesen Strang jedoch interessan­t. Zudem würde damit die Blockade Frankreich­s umgangen, das selbst wegen seiner Ausrichtun­g auf Atomenergi­e gar nicht so sehr an Gas interessie­rt sei, gibt Saz zu bedenken.

Etwas Geduld werde aber gebraucht. Der Bau der beiden Pipelines werde im günstigste­n Fall zwei bis drei Jahre dauern, sagen Experten. Und es könnte in Spanien und Frankreich noch erhebliche­n Widerstand von Umweltschü­tzern geben. „Ich denke, es wird großen Widerstand geben“, sagt Saz. Aber vielleicht werde man die Menschen ja überzeugen, dass Wasserstof­fleitungen nicht nur gut fürs Klima sind, sondern auch schlecht für Russlands Präsidente­n Wladimir Putin, weil sie Demokratie­n von solchen Diktaturen unabhängig mache.

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Foto: Emilio Morenatti, dpa Arbeiter sind in einer Regasifizi­erungsanla­ge des spanischen Unternehme­ns Enagas im Einsatz. Sie ist die größte LNG‰Anlage Europas.

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