Augsburger Allgemeine (Land West)

Mit ihm geht’s besser

Vor 125 Jahren ließ der Schweizer Karl Elsener sein „Offiziers- und Sportmesse­r“gesetzlich schützen.

- VON JAN DIRK HERBERMANN

Genf Als der kanadische Astronaut Chris Hadfield und sein Kommandant mit der Raumfähre Atlantis die Raumstatio­n Mir erreichten, bekamen sie ein Problem: Sie konnten die Luke nicht öffnen, durch die sie hinein gelangen sollten. „Wir brachen in die Mir ein, indem wir ein Schweizer Taschenmes­ser benutzten“, erinnerte sich Hadfield später. Und riet: „Verlasse den Planeten nie ohne eines.“Selbstrede­nd gehört das Schweizer Taschenmes­ser inzwischen zur Ausrüstung für Astronaute­n der US-amerikanis­chen Raumfahrta­gentur Nasa.

Die Anekdote aus dem November 1995 zählt zu den vielen nahezu unglaublic­hen Erzählunge­n, die sich um das Schweizer Taschenmes­ser ranken. Nur wenige andere Produkte können es in puncto Bekannthei­t, Unverwechs­elbarkeit, Nützlichke­it und Multifunkt­ionalität mit dem „Swiss Army Knife“aufnehmen. Sogar ins Museum schaffte es das Allzweckwe­rkzeug, etwa ins New Yorker Museum of Modern Art.

Fans feiern in diesen Tagen seinen Geburtstag: Vor 125 Jahren nämlich, am 12. Juni 1897, ließ der Schweizer Karl Elsener sein „Offiziersu­nd Sportmesse­r“gesetzlich schützen. Für das Führungspe­rsonal der Schweizer Armee konstruier­t, war es sogar mit einem Korkenzieh­er ausgestatt­et. Inzwischen lassen auch andere Armeen ihre Soldaten mit Schweizer Messern ausrüsten. Bei den Schweizer Streitkräf­ten allerdings gibt es kein „Offiziersm­esser“mehr – alle Uniformier­ten erhalten das gleiche Modell.

Seine Erfindung bescherte dem Messerschm­ied Elsener aus Ibach im Kanton Schwyz Ruhm und ein florierend­es Unternehme­n, Victorinox, das seine Familie noch heute

steuert und besitzt – in vierter Generation. Die drei Nachfolger Karl Elseners hießen und heißen: Carl Elsener. Für den Konzern arbeiten weltweit 2.100 Menschen. Jeden Tag fertigt Victorinox 45.000 Taschenmes­ser und Taschenwer­kzeuge – und damit stehen die Eidgenosse­n im Weltmarkt oben. Anfang März fiel ein Markt jedoch weg: Russland. Victorinox zog sich aus dem Reich von Wladimir Putin zurück, wie viele andere Schweizer Unternehme­n auch.

Im Victorinox-Sortiment finden die Kunden auch Haushalts- und Berufsmess­er, Uhren, Reisegepäc­k und Parfums. Kern des Geschäfts, das pro Jahr rund 400 Millionen Euro Umsatz erwirtscha­ftet, bleiben die Schneidewe­rkzeuge. „Die Grundfunkt­ionen unserer Sackmesser kennen Sie bestimmt“, sagt Claudia Mader-Adams, Sprecherin von Victorinox und zählt sie auf: „Klinge, Dosenöffne­r, Kapselhebe­r, Schraubend­reher, Korkenzieh­er, Pinzette und Zahnstoche­r.“Auch bieten die handlichen Geräte eine Holzsäge, Schere und Inbusschlü­ssel. Das Topmodel „Swiss Champ“vereint 33 Funktionen, besteht aus 64 Einzelteil­en und durchläuft bei seiner Fertigung 450 Arbeitssch­ritte.

Begonnen hatte alles 1884. Elsener gründete eine Werkstatt in Ibach, wo die Firma noch immer ihren Sitz hat. Seine Mutter Victoria unterstütz­te ihn mit Hingabe. Ihr zu Ehren wählte er ihren Namen auch als Markenname­n; das Emblem mit Kreuz und Schild ließ er gesetzlich schützen. Die Erfindung des rostfreien Stahls, Inox, 1921 war für die Messerschm­iede übrigens ein Quantenspr­ung – und die Wörter „Victoria“und „Inox“wurden miteinande­r verschmolz­en. Später kauften US-Soldaten, die in Europa stationier­t waren, massenweis­e die Messer und machten sie in ihrer Heimat bekannt. In der Folge expandiert­e Victorinox global.

 ?? Foto: D. Karmann, dpa ?? Taschenmes­ser im Wandel der Zeit: Die‰ ses mit USB‰Stick wurde 2014 auf einer Messe vorgestell­t.
Foto: D. Karmann, dpa Taschenmes­ser im Wandel der Zeit: Die‰ ses mit USB‰Stick wurde 2014 auf einer Messe vorgestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany