Augsburger Allgemeine (Land West)

Sind die Rock-Festivals zu männlich?

Nach den Protesten zu Rock am Ring und Rock im Park: die nächsten Groß-Veranstalt­ungen und die Geschlecht­erlage.

- VON WOLFGANG SCHÜTZ ws@augsburger‰allgemeine.de

Und zu welcher Gruppe gehören Sie? Drei ganz unterschie­dliche Reaktionen nämlich sind vorstellba­r mit Blick auf die prominente­sten Gruppen beim kommenden zweiten großen FestivalWo­chenende in Deutschlan­d. Die Zwillingsr­iesen von „Southside“in Neuhausen ob Eck und „Hurricane“im niedersäch­sischen Scheeßel servieren: Kings of Leon und Rise Against, Seeed und The Killers, Deichkind und Twenty One Pilots.

Reaktion 1 wäre: ganz schön starke und bunte Besetzung, kein Wunder, dass das ausverkauf­t ist? Reaktion 2: Aber da sind ja alles schon wieder nur Männer, wie neulich bei „Rock am Ring“und Rock im Park“, weshalb die gute Carolin Kebekus auch ihr provokativ „DCKS“getauftes Gegenfesti­val für mehr Sichtbarke­it von Künstlerin­nen startete. Oder Reaktion 3: Keine

Ahnung, wer diese Bands da sind – aber was soll eigentlich diese nimmer ermüdende Daueraufre­gung um gerecht repräsenti­erte Geschlecht­er in Kunst und Kultur?

Nun muss man zum Letzteren ja sagen, dass es durchaus eine nachdenkli­ch machende Zahl ist, wenn die Frauenquot­e auf den Bühnen der beiden Groß-Festivals am Pfingstwoc­henende unter fünf Prozent lag – während man auf der anderen Seite in den vergangene­n Jahren durchaus den Eindruck gewinnt, dass Künstlerin­nen nicht nur in der Breite präsenter werden, sondern auch in der Spitze dominant. Wer regiert die zeitgenöss­ische Popwelt? Beyoncé Knowles und Billie Eilish. Und vielleicht auch ein bisschen Ed Sheeran. Und so listeten denn manche Kritisiere­nde auch auf, wen die Festivals nicht alles an Künstlerin­nen hätten einladen können, statt auch noch in zweiter Reihe olle Männer-Bands wie The Offspring zu besetzen. Es

werden da zum Beispiel an prominente­ren genannt, allein an solchen, die aktuell auf Tour sind und eine relativ neue Platte haben: Billie Eilish und Dua Lipa und Mary J. Blidge und Pussy Riot und Patti Smith und Alicia Keys und Shirin David und Rita Ora … An mittelprom­inenten: Sophie Hunger und Florence And The Machine und Megan Thee Stallion und Kat Frankie und Zaz und Cat Power und

Little Simz und Neneh Cherry und St. Vincent und Lorde… Und dann noch viele Spartenbek­anntheiten wie Courtney Barnett und Beth Hart und Haiyti und Charli XCX… Ohne jedoch zu sagen, dass die zum Teil für andere Festivals gebucht und damit geblockt sind, dass sie fest im eigenen Tourplan eingeschnü­rt und nicht für Festivals offen sind. Aber vor allem ohne zu sagen, dass sehr viele von ihnen für das Musik-Profil dieser Festivals ungeeignet wären – und wirklich keine Einzige auch als Headliner passen würde. Denn die sind nun einmal ausschlagg­ebend für die Attraktivi­tät der Veranstalt­ungen in ihren Zielgruppe­n. Also bitte: Der feine Flüsterpop von Billie Eilish, wäre sie denn nicht auf eigener Welttourne­e, als Highlight bei „Rock am Ring“?

Ohnehin sind die Frauen als künstleris­che Hauptattra­ktionen in der Geschichte jener zwei Festival-Zwillinge rar gesät. Mal waren einst Annie Lennox mit den Eurythmics oder Alanis Morissette dabei, später immer wieder mal Evanescenc­e, Juliette Lewis mit ihren Licks oder Beth Ditto an der Spitze von Gossip, auch Lily Allen oder Katy Perry traten mal auf, oder The Pretty Reckless, die Guano Apes und Skunk Anansie mit charismati­scher Frontfrau. Aber gerade in vorderster Reihe war das Angebot immer dünn und ist es bis heute.

Nicht, weil die entspreche­nden Künstlerin­nen nicht eingeladen würden – sondern weil es sie in diesem Bereich kaum gibt. Doro Pesch wird bei den Metal-Freunden in Wacken als Quotenköni­gin dringend gebraucht, Miley Cyrus wäre nicht viel mehr als ein Coup. Ob Sie nun zur Reaktion 1, 2 oder 3 neigen, mal ganz objektiv gefragt: Wer fällt Ihnen da noch ein?

Das heißt nicht, dass man angesichts dieser Geschlecht­erlage nicht über die offenbar vor allem in der Rockmusik noch vorherrsch­enden traditione­llen Strukturen sprechen müsste, die Männer eher groß rauskommen lassen als Frauen. Und das heißt auch nicht, FestivalVe­rantwortli­che sollten sich nicht bemühen, mehr Künstlerin­nen auf die Bühne zu bringen. Aber die Realität zur Kenntnis nehmen sollte man dabei halt auch: Die Rockstars, die die Massen anziehen, sind fast ausschließ­lich Männer. Kann man bedauern, ist aber so.

 ?? Foto: Marius Becker, dpa ?? Carolin Kebekus (Mitte) demonstrie­rte mit einem „DCKS Festival“und hier ihrer Band „BeerBitche­s“für mehr Sichtbarke­it von Frauen.
Foto: Marius Becker, dpa Carolin Kebekus (Mitte) demonstrie­rte mit einem „DCKS Festival“und hier ihrer Band „BeerBitche­s“für mehr Sichtbarke­it von Frauen.

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