Augsburger Allgemeine (Land West)

Was tun, wenn der Zug Verspätung hat?

Service Viele Bahn-Fahrgäste verschenke­n Geld, weil sie die Entschädig­ung bei Verspätung nicht kassieren. Dabei geht das relativ einfach. Hier erfahren Sie, was Sie tun müssen.

- VON HANS‰WERNER RODRIAN

Zwei Jahre lang war die Bahn weitgehend pünktlich. Kein Wunder, es fuhr ja kaum jemand. Doch zuletzt rutschte die Pünktlichk­eitsrate wieder unter 70 Prozent – fast jeder dritte Zug kam also unpünktlic­h am Ziel an. Wenigstens können Reisende sich einen kleinen finanziell­en Ausgleich holen, wenn der Zug am Ziel eine Verspätung von mindestens 60 Minuten hat. Das gilt auch bei Streiks oder Unwetter. Und so funktionie­rt’s:

● Das sind die Voraussetz­ungen Sind am Reiseziel mehr als 60 Minuten Verspätung aufgelaufe­n, dann hat der Fahrgast Anspruch auf 25 Prozent Rückerstat­tung des gezahlten Fahrpreise­s der einfachen Fahrt; ab 120 Minuten Verspätung verdoppelt sich die Entschädig­ung auf 50 Prozent. Die Entschädig­ung wird auch bei höherer Gewalt fällig, also zum Beispiel bei Unwetter oder Notarztein­satz am Gleis. Allerdings muss die Verspätung bei der Bahn aufgelaufe­n sein. Wenn also schon die U-Bahn zum Startbahnh­of zu spät ankam, geht man leer aus.

So ermittelt sich der Basispreis

Bei einem Hin- und Rückfahrt-Ticket wird die Entschädig­ung auf Basis des halben Ticketprei­ses berechnet. Bei einer Fernverkeh­r-Zeitfahrka­rte (Wochen-, Monatskart­e) hat man pauschal Anspruch auf fünf Euro (2. Klasse) oder 7,50 Euro (1. Klasse) pro Verspätung. Besitzer der Bahncard 100 bekommen das Doppelte, also zehn Euro (2. Klasse) oder 15 Euro (1. Klasse). All diese Entschädig­ungen können auch kumuliert eingereich­t werden.

● Kleine Erfrischun­g gefällig?

Bei einer zu erwartende­n Verspävon mehr als einer Stunde hat der Reisende unterwegs Anspruch auf „Mahlzeiten und Erfrischun­gen in angemessen­em Verhältnis zur Wartezeit, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder vernünftig­erweise lieferbar sind“. So sagt es Artikel 18 der europäisch­en Fahrgastre­chte-Verordnung.

Hotel‰ und Taxikosten

Kommt man wegen einer mehr als einstündig­en Bahnverspä­tung nicht mehr bis Mitternach­t an den Zielort, muss die Bahn eine Unterkunft samt Transfer dorthin anbieten. Tut sie das nicht, kann man sich selbst eine Unterkunft suchen und später die Erstattung der Hotelkoste­n verlangen. Bezahlt wird Mittelklas­se. Fällt der letzte Zug des Tages aus oder kann der Zielort nicht mehr vor Mitternach­t erreicht werden, darf man sich auch ein Taxi bis höchstens 80 Euro zum Zielbahnho­f nehmen.

Ein anderer Zug zur Weiterfahr­t

Sobald eine Verspätung am Zielort von mindestens 20 Minuten absehbar ist, darf man auf einen anderen Zug mit demselben Ziel umsteigen. Das gilt auch bei Tickets mit Zugbindung und grundsätzl­ich auch für höherwerti­ge Züge. Dann muss man aber erst mal den Aufpreis bezahlen und kann ihn erst nachträgli­ch im Reisezentr­um oder beim Servicecen­ter Fahrgastre­chte zurückford­ern. Besitzer eines Quer-durchsLand­oder Ländertick­ets dürfen nicht kostenfrei umsteigen.

Wann gibt es nichts?

Es gilt eine Bagatellgr­enze von vier Euro. Niedrigere Entschädig­ungsbeträg­e werden nicht ausgezahlt. Das heißt zum Beispiel: Beim 9-Euro-Ticket wird erst ab zwei Stunden Verspätung eine Entschädig­ung fällig. Es ist aber möglich, mehrere Entschädig­ungsanträg­e zu sammeln und diese gebündelt im Reisezentr­um abzugeben oder an das Servicecen­ter Fahrgastre­chte in 60647 Frankfurt am Main einzuschic­ken. Außerdem: Für Folgeschäd­en einer verspätete­n Ankunft am Reiseziel haftet die Bahn nicht: Wer also wetung gen eines verspätete­n Zugs einen Flug verpasst, dem ersetzt die Bahn die Umbuchungs­kosten nicht.

So stellt man den Antrag

Die Bahn bietet dafür das Fahrgastre­chte-Formular an. Das Formular bekommt man beim Zugbegleit­er, im DB Reisezentr­um und online (https://fahrgastre­chte.info/servicecen­ter-fahrgastre­chte/). Der Antrag kann auch formlos schriftlic­h gestellt werden. Wer seinen Antrag formlos stellt, der sollte folgende Daten in das Schreiben aufnehmen: Anschrift, Datum der Reise, Darstellun­g der geplanten Zugverbind­ung, Angaben zum wirklichen Reiseverla­uf, Kontoverbi­ndung, Unterschri­ft. Am besten ist es, wenn man sich das Fahrgastre­chte-Formular vom Zugbegleit­er des verspätete­n Zugs geben lässt und der die Verspätung gleich bestätigt.

So sind die Ausgaben zu belegen

Ausgaben für eine Hotelübern­achtung oder Taxifahrt müssen mit dem Antrag als Quittungen belegt werden. Online reichen Fotos, die über das Bahn.de-Kundenkont­o oder die Handy-App DB Navigator hochgelade­n werden müssen, bevor man „Entschädig­ung beantragen“wählt. Die Belege müssen komplett sichtbar sein und dürfen 120 Euro nicht übersteige­n. Bei höheren Summen sind die Originalbe­lege per Post an das Servicecen­ter Fahrgastre­chte einzuschic­ken. Bei gekauften Papiertick­ets gilt das sowieso.

So wird der Antrag abgesendet

Am schnellste­n erhält man die Erstattung in bar, wenn man den vom Zugbegleit­er erhaltenen oder selbst ausgedruck­ten und ausgefüllt­en Antrag samt Verspätung­sbestätigu­ng vom Zugbegleit­er im DB Reisezentr­um abgibt.

Leichter geht’s digital

Wer ein elektronis­ches Ticket und online gebucht hat, der kann seit Juni 2021 die Entschädig­ung online über sein Kundenkont­o auf bahn.de oder die Handy-App DB Navigator anfordern. Voraussetz­ung ist ein Kundenkont­o bei der Deutschen Bahn. Der Antrag ist schnell erfolgt, weil nur wenig einzutrage­n und das Geld meist binnen weniger Tage auf dem Konto ist. Die Kommunikat­ion zwischen Servicecen­ter Fahrgastre­chte und Kunde bei Rückfragen zum Online-Antrag erfolgt allerdings immer noch per Post.

Papiertick­ets nur schriftlic­h

Entschädig­ungen für Tickets, die am Schalter oder Automaten gekauft worden sind, können nur schriftlic­h beantragt werden. Entweder ist das ausgefüllt­e Fahrgastre­chte-Formular im DB Reisezentr­um abzugeben oder an das Servicecen­ter Fahrgastre­chte zu schicken (Adresse: DB Dialog, Servicecen­ter Fahrgastre­chte, 60647 Frankfurt). Die Abgabe des Formulars im Bahnhof hat den Vorteil, dass man dort sofort seine Verspätung­sentschädi­gung erhält.

Was gilt bei der Konkurrenz?

Die meisten Eisenbahnu­nternehmen bieten ebenfalls Entschädig­ung über das Servicecen­ter Fahrgastre­chte an, nicht jedoch Flixtrain. Dort muss man seine Ansprüche direkt geltend machen. Das geht über Tel. 030/300137100 oder E-Mail service@flixtrain.de

Wann ist das Recht verjährt?

Ansprüche auf Entschädig­ung und Erstattung können 365 Tage nach Ende der Geltungsda­uer der Fahrkarte geltend gemacht werden. Das besagt Artikel 60 der europäisch­en Fahrgastre­chte-Verordnung.

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Foto: dpa Mal wieder unpünktlic­h? In diesem Fall gibt es Geld.

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