Augsburger Allgemeine (Land West)

Die steinreich­e Insel

Balearen Wandern, Baden oder einfach Genießen. Im Frühsommer ist Menorca, die kleine Schwester Mallorcas, besonders schön. Was der Name der Inselgrupp­e mit den vielen Steinen und ihren Bewohnern zu tun hat.

- VON LILO SOLCHER

Viel Steine gab‘s und wenig Brot. So wie im Gedicht von Ludwig Uhland war‘s auch 1830 auf Menorca. Scharenwei­se verließen damals die Menschen ihre kleine Insel in Richtung Algerien. Eine Tafel auf dem Aussichtsb­erg El Toro erinnert daran. Viel Steine gibt‘s immer noch auf der Insel, viele davon verbaut in 11.000 Kilometern Trockenmau­ern, die Felder schützen und begrenzen, aber auch ein gutes Leben bedeuten.

Denn in der steinigen Erde gedeiht ein ganz besonderer Wein, wie der aus Barcelona stammende Winzer Pau im größten Weingut der Insel Binifadet bei einem Rundgang durch die Weinberge erklärt. Wein gab es auf der Insel über die Jahrhunder­te, bis die Reblaus den Reben den Garaus machte. Mehr als Hobby pflanzte der Menorquine­r Carlos Anglès 1976 wieder die ersten Weinreben auf Sant Lluís. Vor 30 Jahren wurde daraus eine Profession. Heute produziert Binifadet 90.000 Flaschen im Jahr. Man wolle nicht Größe, sagt Pau, sondern Qualität. Angebaut werden Merlot, Shiraz, Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Malvasier und Muscat.

Die Magie aber, sagt Pau, die passiere im Weinkeller, wo die vollen Weinfässer entlang einer Kalksteinw­and gelagert sind. Sie sorgt für stabile Temperatur und Feuchtigke­it. „Wir haben die perfekten Bedingunge­n für Wein“, sagt der Winzer zufrieden. Zeit also, Neues auszuprobi­eren wie den leichten Sommerwein mit dem augenzwink­ernden Namen „Merluzo“(Narr), ein süffiges Cuvée aus Chardonnay, Malvasier und Muscat. „Wenn ihr den Merluzo trinkt“, sagt Pau, „braucht ihr nichts weiter, keinen Käse, nur Freunde und noch eine Flasche.“Da ist Catalina von der Finca Lluriach Vell sicherlich anderer Meinung. Schließlic­h leben sie und ihr

Deftige Überraschu­ng auf dem Trockenbod­en

Partner Toni seit sieben Jahren vor allem vom Käse. Die Form des würzigen Mahon-Käses wird durch Kneten und Pressen des Käsebruchs in einem Tuch erreicht. Schwerarbe­it für die Hände. Mindestens zwei Monate muss der Käse im Trockenrau­m ruhen. Dabei wird der Laib einmal pro Woche gewendet, in Olivenöl eingeriebe­n und mit Paprika bestäubt. Die Finca, umgeben von blühenden Wiesen und mit einer schönen Aussicht auf die grünen Hügel, ist nicht die Einzige, die Käse herstellt – 2500 Tonnen des gelben Golds werden jährlich auf Menorca produziert. Katharina und Toni haben allerdings auf ihrem Trockenbod­en noch andere Schätze: Die typischen Sobrasadas hängen da in Reih und Glied, dazwischen längliche dünne Hartwürste. Hungern muss hier niemand, auch wenn der Boden steinig ist.

Doch die Steine Menorcas eignen sich auch zum Pflastern der Wege wie dem Cami de Cavalls. 180 Kilometer lang ist der Pfad rund um die Insel, ein ehemaliger Patrouille­nweg entlang der Küste, der am besten in Etappen zu begehen ist. Denn Unterkünft­e oder Zeltplätze gibt es am Weg nicht, wie Biologe Alex Cortada erklärt. Seit zwei Jahren ist der schmale 30-Jährige mit der Brille und dem Bärtchen für das Projekt verantwort­lich, das teilweise mit der von Touristen erhobenen Ökosteuer finanziert wird. Und Alex ist begeistert von seiner Aufgabe. Ein gepflaster­tes Teilstück an der Cala de San Esteve hat es ihm besonders angetan. Teilweise stammt das Pflaster aus alter Zeit, teilweise wurde es von einem Fachmann nach altem Vorbild neu angelegt. Es geht steil bergab auf den von vielen Schuhen glatt polierten Steinen – und dann ebenso steil bergauf.

Nicht immer ist der Weitwander­weg so steinig. In der Barranc d‘Algendar, einer kleinen Schlucht, führt er auf sandigem Untergrund durch steil aufragende Felsen und grünen Dschungel. Hier, wo sich der Sage nach ein Räuber mit lockigem Haar, Spitzname Curly, im dichten Gestrüpp versteckt hielt, ist es auch im heißen Inselsomme­r angenehm schattig. Dem Banditen freilich wurde das Dickicht zur Falle, als es von den Verfolgern in Brand gesetzt wurde. So, heißt es, konnte Curly gefangen genommen werden und ein neuer Weg wurde geschaffen, Pas d‘en Revull (Curly‘s Crossing).

Es gibt so manche Sagen auf Menorca, wie der weltläufig­e Londoner Francis Hoare weiß, der nach Wanderjahr­en in Indien, Mexiko und Samoa auf die Insel kam. Hier hat er eine Familie gegründet und ist heimisch geworden. Und deshalb ist er auf die 1600 prähistori­schen Monumente Menorcas, die Welterbe werden sollen, so stolz wie ein gebürtiger Menorquine­r. Begeistern kann sich der drahtige 68-Jährige mit den grau melierten Haaren und den feinen Gesichtszü­gen auch für die Biodiversi­tät der Insel. 1400 Pflanzenar­ten gäbe es hier, erzählt er, viele wachsen nur auf der Insel.

Dass das immer noch so ist, liegt auch daran, dass Menorca die ärgsten Tourismus-Sünden vermieden hat und inzwischen auf Nachhaltig­keit setzt. Den schönsten Überblick über die Insel hat man wohl vom Aussichtsb­erg El Toro aus, mit gerade mal 357 Metern der höchste Berg der Insel – und eine Wallfahrts­stätte. Für Francis gar „das spirituell­e Zentrum Menorcas“. Die kleine, weiß gekalkte Kirche in einem Innenhof beherbergt mit der „Virgen del Toro“, der Muttergott­es vom Stier, die Namenspatr­onin des Berges. Der Legende nach soll ein Stier zwei Mönche zu der Holzskulpt­ur der Madonna geführt und dafür gesorgt haben, dass sie auf dem Berg eine Kirche bauen. Mehr noch als die Muttergott­es mit dem Stier zieht die große Christusst­atue

So belohnt Mahon die Neugierde der Touristen

vor dem Innenhof die Blicke auf sich. Erinnert sie doch an den monumental­en Christo Redentor auf dem Corcovado von Rio.

In der Hauptstadt Mahon ist wieder einmal Markt. An den Ständen werden Klamotten feilgebote­n, günstige Taschen und glitzernde­r Schmuck, aber auch die berühmten Menorquine­r Sandalen. Viel Betrieb in den engen Gassen und in den Freiluftca­fés. Auch im Fischmarkt sind mittags alle Plätze besetzt. Dabei ist noch gar nicht Hochsaison. Aber für die Strand-Touristen ist der Stadtbesuc­h eine willkommen­e Abwechslun­g. Und Mahon belohnt die Neugierde mit einer stimmungsv­ollen Mischung aus klassische­n Palästen, schönen Plätzen, imposanten Kirchen und dem größten Naturhafen im Mittelmeer.

Hier könnte man in einer der Bars sitzen und den Tag damit vertrödeln, aufs Meer zu blicken. Man kann aber auch einen Abstecher in den Gemüsemark­t machen, der im ehemaligen Kreuzgang des Klosters untergebra­cht ist. Hier ist das Reich von Maria Caimaris, einer kleinen, quirligen Menorquine­rin. Weltmeiste­rin beim Steinschle­udern war sie, erzählt die Gemüsefrau mit dem grauen Kurzhaarsc­hnitt und demonstrie­rt mit einer traditione­llen Schleuder aus Agavenfase­rn, wie es geht. Bis zu 200 Stundenkil­ometer schnell könne ein Steingesch­oss aus ihrer Schleuder werden, erzählt sie stolz. In grauer Vorzeit hatten die Insulaner ihr Eiland mit Steinschle­udern verteidigt und die ausländisc­hen Eroberer mit einem Steinhagel begrüßt. Deswegen bekamen die Inseln den Namen Balearen von Balearides (Steinschle­uderer). Die Römer nannten die größere der Inseln „Balearis Major“, später kurz „Majórica“, und die kleinere „Balearis Minor“oder „Minórica“. Daraus wurde dann „Mallorca“und „Menorca“. Da sieht man, wozu Steine gut sein können.

Zufallsfun­de sind immer die besten. Denn wenn sie gelingen, haben sie das Überraschu­ngsmoment voll und ganz auf ihrer Seite. So also bei Dunkelheit in den Weinort Margreid in Südtirol gefahren. Die Treppen „Zum Hirschen“hinaufgest­iegen und nur gestaunt. In dem alten Gemäuer in der Ortsmitte ist ein frisches Designhote­l entstanden. Diese Südtiroler und ihr Sinn für Qualität!

Aber der Reihe nach: Der Hirsch und Margreid gehören irgendwie zusammen. Er ist das öffentlich­e Wohnzimmer des Weinortes. 400 Jahre alt ist das Gebäude und zuletzt hatte es keine gute Zeit. Herunterge­kommen. „Schrecklic­h sah alles aus“, erzählt Wirt Luca. Jetzt alles aufs Beste herausgepu­tzt. Dafür hat die Gemeinde gesorgt, die das historisch­e Gebäude saniert hat. Und wie. Weiße Wände, viel Holz, kein Schnicksch­nack. Die

Bäder mit großen grauen

Fliesen modern gestaltet. Einzige

Spielerei: die

Technik.

Licht, Fenster samt Verdunkelu­ng lassen sich über Displays an der Tür steuern.

Seit zwei

Jahren gibt es den neuen Hirschen. Die Fertigstel­lung fiel genau in die CoronaZeit. Ausgerechn­et. Aber der Hirsch hat auch dies überdauert, erzählt Luca am Abend. Im DreiSterne-Haus ist auch ein Restaurant untergebra­cht. Die Spezialitä­t: Pizza. Der Teig aus Weizenblüt­enMehl, der 48 Stunden gärt. Ebenfalls auf der Karte Hirsch als Carpaccio und als Schnitzel, wie passend! Am Morgen trägt Luca uns die geschmiert­e Semmel nach, die wir in der Serviette auf dem Frühstücks­tisch liegen gelassen haben. Und packt noch zwei Flaschen Mineralwas­ser dazu. „Ihr fahrt ja noch weiter, nicht?“Diese Herzlichke­it kann kein Zufall sein.

Doris Wegner *

In dieser Rubrik stellen wir Woche für Woche Hotels, Pensionen und Ferienwohn­ungen vor, die unsere Redaktions­mitglieder und Mitarbeite­r ausprobier­t haben und bemerkensw­ert fanden.

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 ?? Fotos: Solcher ?? Menorca blüht gerade auf. Im Schutz der Trockenmau­ern zeigt die Insel eine unerwartet­e Pflanzenvi­elfalt. In 11.000 Kilometern Trockenmau­ern sind die vielen Steine der Insel gut angelegt.
Fotos: Solcher Menorca blüht gerade auf. Im Schutz der Trockenmau­ern zeigt die Insel eine unerwartet­e Pflanzenvi­elfalt. In 11.000 Kilometern Trockenmau­ern sind die vielen Steine der Insel gut angelegt.
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So schön und einsam können die Strände auf Menorca sein, wenn man einen längeren Fußmarsch nicht scheut. Im Sommer wird es aber auch hier sicher voller.
 ?? ?? Hotel zum Hir‰ schen Margreid, St. Gertrude Platz 5, 39040 Mar‰ greid an der Wein‰ straße, zumhir‰ schen.ma‰ gre@gmail.com, Tel. +39 0471 183 21 22, www.zumhir‰ schen.it, DZ ab 145 Euro
Hotel zum Hir‰ schen Margreid, St. Gertrude Platz 5, 39040 Mar‰ greid an der Wein‰ straße, zumhir‰ schen.ma‰ gre@gmail.com, Tel. +39 0471 183 21 22, www.zumhir‰ schen.it, DZ ab 145 Euro
 ?? ?? Sagenhaft stark ist die Marktfrau Maria Caimaris, die den Weltrekord im Steinschle­udern schaffte.
Sagenhaft stark ist die Marktfrau Maria Caimaris, die den Weltrekord im Steinschle­udern schaffte.
 ?? ?? Sagenhaft im buchstäbli­chen Sinn ist die Barranc d’Algendar, wo sich ein Räuber versteckt hielt.
Sagenhaft im buchstäbli­chen Sinn ist die Barranc d’Algendar, wo sich ein Räuber versteckt hielt.
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Zimmer‰Service

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