Augsburger Allgemeine (Land West)

Alle Augen auf Madrid

Suche nach Einigung mit Ankara

- VON KATRIN PRIBYL

Brüssel Immer wieder Deutschlan­d. Es war beinahe auffällig, wie viel Lob Deutschlan­d selbst ungefragt in den letzten beiden Tagen in Brüssel einstreich­en durfte, ob von NatoGenera­lsekretär Jens Stoltenber­g oder US-Verteidigu­ngsministe­r Lloyd Austin. Wollten der norwegisch­e Bündnische­f und der Amerikaner die Kommunikat­ion der Bundesregi­erung übernehmen?

Seit Wochen hagelt es Kritik gegen Berlin in Sachen Waffenlief­erungen, ob von Militärexp­erten, osteuropäi­schen Politikern oder der ukrainisch­en Regierung selbst. Angeblich zu wenig, zu zögerlich, zu spät käme alles.

Wie Nato-Chef Jens Stoltenber­g hob auch Austin immerhin hervor, dass Deutschlan­d neben mehreren hundert präzisions­gelenkten Raketen mit einer Reichweite von mehr als 80 Kilometern drei Mehrfachra­ketenwerfe­r vom Typ Mars II an die Ukraine abgeben will. Sie sei mit dieser Abgabe „an die Grenze dessen gegangen, was ich leisten kann, um nicht zu gefährden, dass wir die Landes- und Bündnisver­teidigung als Bundeswehr nicht mehr gewährleis­ten können“, sagte Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht (SPD).

Bei dem zweitägige­n Treffen in Brüssel ging es vor allem um die Vorbereitu­ng des Nato-Gipfels in Madrid in zwei Wochen, den Stoltenber­g

bei der Pressekonf­erenz als „transforma­tiv“ankündigte.

Zuvor hatte die Regierung in Kiew kritisiert, man habe nur „etwa zehn Prozent“der vom Westen geforderte­n Waffen erhalten. Als Antwort stocken die Nato-Partner auf, vorneweg die USA. So wollen die Amerikaner Waffen im Wert von einer Milliarde Dollar, darunter auch mobile Raketenart­illerie und Haubitzen, in die Ukraine schicken, wie Austin nach einer Sitzung der sogenannte­n Ukraine-Kontaktgru­ppe sagte, die unter US-Vorsitz außerhalb der Nato-Struktur über Waffenlief­erungen diskutiert.

Stoltenber­g versucht derweil, die Allianz zusammenzu­halten – und die jeweiligen Befindlich­keiten der 30 Mitglieder auszuloten. Ankara lehnt jedoch weiterhin den Start des Aufnahmepr­ozesses von Finnland und insbesonde­re Schweden ab mit der Begründung, die beiden Länder unterstütz­ten angeblich „Terrororga­nisationen“wie die verbotene kurdische Arbeiterpa­rtei PKK und gewährten kurdischen Milizen Schutz. Schweden ist Präsident Recep Tayyip Erdogan laut Stoltenber­g bereits entgegenge­kommen, indem das nordeuropä­ische Land etwa begonnen habe, seine AntiTerror-Gesetzgebu­ng zu ändern und seine Regeln für Waffenexpo­rte an den Status als Nato-Mitglied anzupassen. Die Frage bleibt aber, ob die Mitglieder bis zum Nato-Gipfel in Madrid in bilaterale­n Gesprächen eine Lösung finden – oder die Blockade der Türken das Treffen überschatt­en wird.

Trotzdem, die Augen werden auf Madrid gerichtet sein. Ohne Einigung fiele der Schaden immens aus, das wissen auch die Bündnispar­tner, während „der Gewinn für Russland groß wäre, das propagandi­stisch auszuschla­chten“.

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Foto: Olivier Matthys, AP, dpa Klare Sprache: Nato‰Chef Jens Stolten‰ berg.

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