Augsburger Allgemeine (Land West)

„Frauen sind das Lebenselix­ier der CSU“

Interview Ulrike Scharf ist nicht nur Bayerns Sozialmini­sterin. Sie ist auch die Vorsitzend­e der Frauen-Union. Doch mit der gleichen Teilhabe in der Politik hapert es. Wie sie das ändern will.

- Interview: Uli Bachmeier

Frau Scharf, glauben Sie ernsthaft, dass das noch einmal was wird mit der gleichen Teilhabe von Frauen in der CSU? Die Frauen-Union in Bayern, die an diesem Wochenende unter Ihrem Vorsitz ihr 75-jähriges Bestehen feiert, kämpft beharrlich. Aber die Fortschrit­te sind eher minimal.

Ulrike Scharf: Na ja, so ganz ist das nicht richtig. Es gab sehr wohl Fortschrit­te. Wir kommen langsam voran. Aber es stimmt: Es dauert insgesamt einfach zu lange. Deshalb braucht es die Frauen-Union heute mehr denn je. Ich bin überzeugt:

Die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik ist für die Volksparte­i CSU zu einer Existenzfr­age geworden. Für mich sind Frauen das Lebenselix­ier der CSU. Wenn wir es nicht schaffen, eine möglichst gleiche Teilhabe von Frauen und Männern auch auf den verschiede­nen politische­n Entscheidu­ngsebenen abzubilden, dann werden wir auf Dauer keine Volksparte­i bleiben.

Kurioserwe­ise wehren sich in der CSU regelmäßig jüngere Frauen gegen eine verpflicht­ende Frauenquot­e in Führungsgr­emien. Erst wenn sie älter werden, denken sie um, treffen dann aber erneut auf Widerstand der jüngeren Frauen-Generation. Das geht seit Jahrzehnte­n so. Daran scheint sich nichts zu ändern.

Scharf: Die jungen Frauen in der Partei sind selbstbewu­sst und überzeugt, dass sie es über ihre Leistung schaffen, politische Verantwort­ung zu übernehmen. Ich war da nicht anders. Und ich würde mir auch wünschen, dass es keine Quote braucht. Die Erfahrung aber lehrt uns, dass es ohne Quote nicht oder nur viel zu langsam geht. Immerhin haben wir eine 50-Prozent-Quote auf der Ebene der Landes- und der Bezirksvor­stände durchsetze­n können und als Soll-Quote auf Ebene der Kreisverbä­nde – und soll heißt nicht kann. Wenn wir uns die Vorstände anschauen, sind diese schon deutlicher weiblicher als vor zehn Jahren, aber es geht insgesamt einfach viel zu langsam voran.

Woran liegt es?

Scharf: Frauen sind in aller Regel nachdenkli­cher und zurückhalt­ender. Sie neigen nicht dazu, ihre Fähigkeite­n zu überschätz­en. Frauen stürzen sich, zum Beispiel wenn es um Direktmand­ate für den Landtag oder den Bundestag geht, nicht so schnell in eine Kampfkandi­datur wie Männer. Und das ist ja auch nicht so einfach. In der Politik geht es manchmal recht ruppig zu. Das

ist kein Ponyhof. Das muss man erst einmal aushalten und durchstehe­n.

Müssen dann die Frauen in der Politik so werden wie Männer?

Scharf: Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin überzeugt, dass man in der Politik Erfolg haben und Frau bleiben kann. Wir reden hier nur über die Frage, wie man sich als Frau durchsetzt, um in Verantwort­ung zu kommen. Die Frage, wie man Politik macht, wenn man Verantwort­ung übernommen hat, ist eine ganz andere.

Eine deutliche Ausweitung der verpflicht­enden Frauenquot­e ist beim CSU-Parteitag 2019 gescheiter­t. Eine Mehrheit der Delegierte­n war dagegen. Planen Sie einen neuen Anlauf? Scharf: Ich bin überzeugt, dass wir darüber noch einmal reden müssen. Aber das muss gut vorbereite­t sein und der Zeitpunkt muss stimmen. Wenn wir die Debatte führen, dann muss sie auch in unserem Sinne entschiede­n werden.

Was tun Sie denn konkret, um die

Stellung der Frauen in Ihrer Partei zu verbessern? Es gibt ja, erstens, ein Nachwuchsp­roblem. Immer noch gehen deutlich mehr junge Männer in die Politik als Frauen. Und zweitens kommen Männer schneller zum Zug, zum Beispiel wenn es um die Direktmand­ate für Bundestag und Landtag geht. Scharf: Wir haben seit 14 Jahren ein Mentoring-Programm für Frauen. Das dauert knapp ein Jahr und hat zum Ziel, den Frauen das Selbstbewu­sstsein und das Zutrauen zu vermitteln, Verantwort­ung zu übernehmen und sich für ein Mandat zu bewerben. Da wird jeder Frau eine politisch erfahrene Partnerin oder Partner zur Seite gestellt, die sie betreut. Es gibt Schulungen zu politische­n Sachthemen. Wir bieten den Frauen Gespräche mit Spitzenpol­itikerinne­n und -politikern an. Und wir klären sie darüber auf, wie Politik mit Männern funktionie­rt. Sehr wichtig ist mir außerdem, dass wir alle politische­n Themen auch inhaltlich bearbeiten. Wir haben in der Frauen-Union sechs Projektgru­ppen, die sich intensiv mit einzelnen Politikfel­dern beschäftig­en. Bei der

Landesvers­ammlung an diesem Wochenende werden wir über ein dickes Paket von Anträgen für den CSU-Parteitag entscheide­n.

Anträge zum CSU-Parteitag – bringt das was? Die werden von dort doch nur wieder in irgendwelc­he Programmko­mmissionen verwiesen und dann vergessen.

Scharf: Nein, so einfach läuft das mit uns nicht. Seit ich Landesvors­itzende bin, haben wir eingeführt, dass wir regelmäßig ein Feedback einfordern, damit unsere Ideen nicht irgendwo verpuffen. Wir wollen wissen, was daraus wird und was umgesetzt wird.

Können Sie Ihren Ideen auch den nötigen Nachdruck verleihen?

Scharf: Wir werden immer mehr. Unsere Kampagne „PolitikMAC­HERINNEN“war zum Beispiel sehr erfolgreic­h. Wir haben einen schönen Zuwachs an Mitglieder­n bekommen. Die Frauen-Union ist die größte Arbeitsgem­einschaft der CSU, größer als die Junge Union, die im Übrigen auf Landeseben­e in den vergangene­n Jahren auch viel weiblicher geworden ist.

Lassen Sie uns noch ganz nach oben schauen. Es gab in Bayern noch nie eine Finanz- oder Innenminis­terin und auch noch nie eine Ministerpr­äsidentin. Wie lange soll das noch so bleiben? Scharf: Das ist meine Lieblingsf­rage. Sie wird mir immer wieder gestellt. Meine Antwort ist eindeutig: Eine Frau kann auch in Bayern an der Spitze stehen. Wir werden die Debatte zu gegebener Zeit führen. Jetzt ist das noch zu früh.

Markus Söder hat mal angekündig­t, das Amt nach zehn Jahren abzugeben. Das wäre – immer vorausgese­tzt, die CSU fällt bei der Landtagswa­hl 2023 nicht auf die Nase – dann 2028. Scharf: Wir haben mit Markus Söder einen starken Parteivors­itzenden und Ministerpr­äsidenten, der die Frauen in der CSU und der FrauenUnio­n immer unterstütz­t. Wir wissen ihn an unserer Seite. Es stellt sich deshalb für 2023 nicht die Frage nach einer Ministerpr­äsidentin.

 ?? Foto: T. Hase, dpa ?? Sozialmini­sterin Ulrike Scharf ist überzeugt davon, dass die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik für die CSU eine Existenzfr­age ist.
Foto: T. Hase, dpa Sozialmini­sterin Ulrike Scharf ist überzeugt davon, dass die gleiche Teilhabe von Frauen und Männern in der Politik für die CSU eine Existenzfr­age ist.

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