Augsburger Allgemeine (Land West)

Irritieren­der Rotkäppche­n‰Vergleich

Kirche Die jüngsten Aussagen von Papst Franziskus zum Ukraine-Krieg und über den umstritten­en Kölner Kardinal Woelki lösen in Deutschlan­d Befremden aus. Nicht zum ersten Mal.

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN (mit wida)

Rom Wenn Papst Franziskus sich äußert, dann macht das weltweit Schlagzeil­en – und sorgt in schöner Regelmäßig­keit für Diskussion­en. Bisweilen muss der Vatikan auch nachträgli­ch Papst-Worte näher erläutern. Die aktuellen des Kirchenobe­rhaupts sind nun seit Dienstag Stoff für Gespräche und Kommentare wie jene auf katholisch.de: „Die falschen Worte des Papstes zur Ukraine“. Schon wieder irritiere seine Wortwahl und Bewertung.

Am Dienstag also erschien ein Interview, das Franziskus den europäisch­en Jesuiten-Zeitschrif­ten, darunter der in Freiburg erscheinen­den Stimmen der Zeit gab. Die Themen: der Ukraine-Krieg, der deutsche innerkirch­liche Reformproz­ess „Synodaler Weg“sowie das Rücktritts­gesuch des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki.

Es war dabei nicht das erste Mal, dass der Papst seine Sicht auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine äußerte. In der italienisc­hen Zeitung Corriere della Sera hatte er im Mai vom „Bellen der Nato an der Tür Russlands“gesprochen. Dies präzisiert­e er jetzt: Man solle sich vom „Rotkäppche­n-Schema“lösen, demzufolge Rotkäppche­n „gut“und der Wolf der „Bösewicht“sei. Rotkäppche­n steht hier für die Ukraine und den Westen, der Wolf für Russland. In jener Auseinande­rsetzung „gibt es keine metaphysis­ch Guten und Bösen auf abstrakte Art und Weise“, sagte Franziskus. Stattdesse­n habe sie globale Dimensione­n „mit Elementen, die stark ineinander verwoben sind.“

Er erzählte, wie „ein paar Monate vor Kriegsbegi­nn“ein Staatschef, dessen Identität er nicht preisgab, in einem Gespräch mit ihm vor dem Krieg gewarnt habe mit den Worten: „Sie bellen vor den Toren Russlands und sie verstehen nicht, dass die Russen imperial sind und keiner fremden Macht erlauben, sich ihnen zu nähern.“Gemeint war damit die stufenweis­e Nato-Osterweite­rung und deren Folgen. Franziskus sagte weiter, der Krieg sei „vielleicht in gewisser Weise entweder provoziert oder nicht verhindert“worden. Es gehe offensicht­lich auch um das Verkaufen von Waffen. Zugleich kritisiert­e er „Brutalität und Grausamkei­t“der russischen Truppen.

Kritikern, die ihm vorwerfen „Aber Sie sind doch pro Putin!“,

entgegnete er: „Nein, das bin ich nicht. So etwas zu sagen, wäre vereinfach­end und falsch. Ich bin einfach dagegen, die Komplexitä­t auf die Unterschei­dung zwischen Guten und Bösen zu reduzieren, ohne über die Wurzeln und Interessen nachzudenk­en, die sehr komplex sind.“

Derart argumentie­rte er auch beim Thema „Synodaler Weg“, einem von den deutschen Bischöfen und dem Zentralkom­itee der deutschen Katholiken angestoßen­en Reformproz­ess über katholisch­e Sexualmora­l oder die Rolle von Frauen in der Kirche. „Problemati­sch wird es, wenn der Synodale Weg von den intellektu­ellen, theologisc­hen Eliten ausgeht und sehr stark von äußeren Zwängen beeinfluss­t wird“, meinte er. Zum Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, dem Limburger Bischof Georg Bätzing, habe er halb ernst einmal gesagt: „Es gibt eine sehr gute evangelisc­he Kirche in Deutschlan­d. Wir brauchen nicht zwei von ihnen.“Damit wurde er

neut deutlich, dass Franziskus nicht hinter dem in Deutschlan­d eingeschla­genen Reformweg steht. Wie genau er sich einen Reformproz­ess allerdings vorstellt? Unklar.

Genauso wie sein Umgang mit dem umstritten­en Kölner Kardinal Woelki und den Konflikten in dessen Diözese. „Ich behandle sie wie jede andere Diözese in der Welt, die Konflikte erlebt.“Es gebe viele solcher Diözesen, so der Papst. Zur Zukunft Woelkis sagte er, er habe dessen Rücktritts­gesuch „in der Hand“. Und dass er es gewesen sei, der Woelki gebeten habe, „für sechs Monate wegzugehen, damit sich die Dinge beruhigten und ich klarer sehen konnte“. Als Woelki nach seiner Auszeit ins Erzbistum Köln zurückkam, habe er ihn gebeten, ein Rücktritts­gesuch zu verfassen. Er habe ihn an seinem Platz gelassen, „um zu sehen, was passieren würde“.

Woelki bezeichnet­e sein Rücktritts­gesuch im März als „Haltung innerer Freiheit“– sodass auch der

Papst frei sei, zu entscheide­n, „was dem Wohl der Kirche von Köln am meisten dient“. Es klang wie ein von ihm aktiv vollzogene­r Schritt.

Nun ließ er erklären, dass seine und die Aussagen des Papstes miteinande­r vereinbar seien. Er habe „tatsächlic­h den Wunsch angesichts der starken Belastung“nach 30-tägigen Exerzitien gehabt, hieß es in einer Pressemitt­eilung. Dass daraus eine längere Auszeit geworden sei, gehe auf den Wunsch des Heiligen Vaters zurück. Und: Der Kardinal habe die Bitte des Papstes nach einem Rücktritts­gesuch „mit in sein Gebet genommen und dann in der Haltung innerer Freiheit den Amtsverzic­ht angeboten“.

Mit seiner baldigen Abberufung ist nach den Worten des Papstes nicht zu rechnen. Dafür mit einer erneuten Untersuchu­ng. Es gebe im Erzbistum Köln „ein wirtschaft­liches Problem, für das ich eine finanziell­e Visitation in Erwägung ziehe“, so Franziskus.

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Foto: Andrew Medichini, AP/dpa Seine Worte liefern reichlich Gesprächss­toff: Papst Franziskus während einer Audienz im Mai.

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